Rückblick: Städtepartnerkonferenz 2017 in Krasnodar

Städtepartnerkonferenz 2017 in Krasnodar: Neue Nähe gegen alten Ärger

Ob in der südrussischen Lokalpresse oder entlang der zentralen Krasnaja-Straße – überall lugt das rot-blau-gelbe Logo hervor. Aller Nase lang sind Gespräche auf Deutsch zu hören. Warum? Im südrussischen Krasnodar findet die diesjährige Städtepartnerkonferenz statt. Und mehr als 600 Teilnehmer sind dabei.

Von Peggy Lohse, RBTH


Der prunkvolle Zuschauerraum der Krasnodarer Ponomarenko-Philharmonie ist gut gefüllt. Mehrere hundert Menschen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und den Städten- und Gemeindeverwaltungen sowie 100 Aktive des kurz zuvor gestarteten dazugehörigen Jugendforums beider Länder schauen sich aufgeregt um, während sich die zahlreich angereisten Journalisten gegenseitig fast die Füße platt treten.

Warum all das? Hoher Besuch ist angesagt: Die XIV. Deutsch-Russische Städtepartnerkonferenz des Deutsch-Russischen Forums (DRF) sollen die Außenminister der beiden Länder, Sigmar Gabriel und Sergej Lawrow, eröffnen – und, wie der Buschfunk kündet, ein neues Kreuzjahr ausrufen.

Vor dem Hintergrund der in den Medien seit Jahren intensiv thematisierten Konflikt- und Streitpunkte zwischen Berlin und Moskau, dem anlaufenden Bundestagswahlkampf sowie dem Anfang Juli in Hamburg bevorstehenden G20-Gipfel sind die Erwartungen an ein jedes mögliches Treffen auf so hoher Ebene groß. Aber hier greifen wir vor…

„Wenn es politisch schwierig wird…”

Zunächst erklingen die Hymnen Russlands und Deutschlands. Und nach einer herzlichen, aber auch kritischen hinsichtlich des Zustandes der russisch-deutschen Beziehungen auf höherer politischer Ebene, Begrüßung des Gastgebers und Oberbürgermeister der Stadt Krasnodar, Ewgenij Peryschow, betritt energisch der DRF-Vorsitzende Matthias Platzeck die Bühne und stolpert dabei gar über die letzte Stufe.

In seiner Eröffnungsrede spricht er auch über den „beispiellos fürchterlichen” Zweiten Weltkrieg und seinen Dank gegenüber Russland, dass es Deutschland trotz allem „Versöhnung und Freundschaft angeboten” hatte. „Wenn es im politischen Raum schwierig wird”, so Platzeck, „dann braucht es dringend Signale von dieser Basis des Lebens” – eben dem Leben in den Städten und Gemeinden. Darin sieht er die Hauptaufgabe der Städtepartnerschaften.

Das Zitat von Willy Brandt, man müsse „sein Herz nehmen und über die Hürde werfen”, das der DRF-Chef weiter verwendete, zog sich letztlich ebenso bis zum letzten Konferenztag durch wie Platzecks Witze über seinen kleinen Treppensturz zu Beginn.

„Völkerverständigung von unten”

Darauf folgen ein Gerangel an der Saaltür, mindestens eine Hand voll Securities, der Deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, sowie die so sehr erwarteten Außenminister Lawrow und Gabriel. Der Ton ihrer beider Eröffnungsreden ist sanft. Gabriel spricht von neuen, positiveren Kapiteln in den deutsch-russischen Beziehungen”.

Dass so viele Aktive nach Krasnodar gekommen sind, „zeigt, unsere beiden Länder, beide Gesellschaften verbinden enge und feste Bande”. Nicht nur die Staatsregierungen in Moskau und Berlin bestimmten die Beziehungen der Länder.

Trotzdem sei gerade dieses Verhältnis den beiden Außenministern besonders wichtig – auch, und nun wird es langsam konkreter, wenn dies nicht immer einfach sei.

„Wir haben Konflikte in vielen Fragen, beispielsweise wenn es um Fragen des Konfliktes in der Ukraine geht oder in Syrien”, benennt Gabriel die Hauptstreitpunkte, „aber trotzdem entsteht hier etwas, was man, glaube ich, ganz gut ‚Völkerverständigung von unten’ nennen kann.”

Krasnodar ist der Schauplatz der XIV. Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz. © Thorsten Gutmann

Sein vorläufiges Fazit: „Je schwieriger es ist, auf der politischen Eben voranzukommen, umso wichtiger sind kommunale Beziehungen, sind Beziehungen zwischen Menschen auf beiden Seiten.” Auf vielen Ebenen brauche es Dialog – auch um Vertrauen wieder herzustellen, dies bestätigt auch der russische Kollege Lawrow und lobt die Städtepartnerschaften ausdrücklich.

Und beide verkünden dann wirklich das Deutsch-Russische Kreuzjahr der kommunalen und regionalen Partnerschaften. Das Konzept der Städtepartnerschaften soll erweitert und die Kooperationen vervielfacht werden.

Und dann – scheinbar um diese Vertrauenswiederherstellung bildlich zu untermauern – wendet er sich an seinen russischen Amtskollegen per Du und als „lieber Sergej Lawrow”.

Dann reist Gabriel ab. Nach Moskau, wo er sich – Medienberichten zufolge spontan – auch noch mit Präsident Wladimir Putin treffen sollte. Dort erhielt er explizites Lob für seine Arbeit mit Lawrow in Krasnodar von dem russischen Staatschef, bevor sie dann, ganz natürlich im Vorfeld des kommenden G20-Gipfels in Hamburg, Fragen des Pariser Klimaabkommens, das ja US-Präsident Donald Trump jüngst verlassen hatte, sowie internationale Konfliktherde besprachen.

Vertrauen, Vertrauen und…

Derweil stellt die Arbeitsgruppe Wirtschaft fest, dass die Beziehungen pragmatischer geworden seien und das sei gut so. Für eine positive Weiterentwicklung in diesem Bereich sei es nun auch wichtig, dass Erfolgsgeschichten als Beispiele dienten, zum Beispiel von mittelständischen Unternehmen. Und vor allem sei eines wichtig: Vertrauen. In diesem Zusammenhang besuchte Außenminister Sigmar Gabriel das Werk des Landmaschinenherstellers Claas in Krasnodar.

Sigmar Gabriel besucht das Werk des deutschen Landmaschinenherstellers Claas in Krasnodar. © Thorsten Gutmann

Vertrauen – dieses Wort fällt fast schon als Axiom dann auch in den anderen Arbeitsgruppen. In der kommunalen Wohnungswirtschaft standen Umwelt- und Energiefragen sowie Infrastrukturprobleme im Vordergrund. Die Gruppe zur Gedenkkultur stritt kurz über verschiedene Vorstellungen von Patriotismus, einigte sich dann darauf, dass der die Annäherung der verschiedenen Gedenkkulturen beider Länder unterstützt werden muss.

Der Bereich Bildung fordert besseren Fremdsprachenunterricht. Die Sport-Gruppe will die großen Veranstaltungen Confed Cup und Fußball-Weltmeisterschaft 2018 intensiver für langfristige Sportprojekte nutzen. Und die Arbeitsgruppe Soziales wünscht sich, dass speziell Inklusion von Menschen mit Behinderungen sowie das Alter aktiver und präsenter diskutiert würden, um deren Situation vor allem in Russland spürbar zu verbessern.

Wünsch, Pläne und überschwänglicher Dank

Gleichzeitig stellen vier Gruppen des Jugendforums ihre eigenen Projektentwürfe vor. Diese gingen, so mussten es auch Teilnehmer der „Erwachsenen”-Konferenz eingestehen, durchaus weiter: Ein Fotografen- und Ausstellungsaustausch, ein Alumni-Forum, eine Städtepartner-Olympiade und ein „grüner” Austausch – all das haben die Jugendlichen schon durchgeplant.

Pressekonferenz mit Matthias Platzeck, dem Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums. © Thorsten Gutmann

DRF-Vorsitzender Platzeck – nach drei Tagen offenbar angesteckt von der russischen, manchmal pathetischen Gastfreundlichkeit – dankt dann auch für „drei wunderbare Tage”, an denen nicht nur „alle Türen, sondern auch die Arme offen gehalten wurden” für die Konferenzteilnehmer.

Abschließend musste dann nur noch geklärt werden, wie und vor allem wo es weiter geht. Als Austragungsort der nächsten Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz, die in zwei Jahren wieder in Deutschland stattfindet, wird dann auch „der spannendste Landkreis Europas” ausgerufen: Düren in der Eifel.

Dieser Text ist zuerst bei RBTH erschienen.