Russland kriminalisiert Kündigung von älteren Arbeitnehmern

Umstrittene Rentenreform: Russland kriminalisiert Kündigung von älteren Arbeitnehmern

Am Mittwoch entscheidet die russische Staatsduma in zweiter Lesung über die Umsetzung der kontrovers diskutierten Rentenreform. Sie gilt als umfangreichste Sozialreform des Landes in diesem Jahrhundert. Das „sowjetische“ Rentenalter sei nicht mehr zeitgemäß, erklärte Premierminister Dmitri Medwedew im Juni. Heute sei die Lebenserwartung höher und der demographische Wandel schreite voran. Trotz starker Proteste gegen die Reform will die Regierung ihre Pläne umsetzen – jedoch mit einigen Abwandlungen. 

Das Rentenalter soll für Männer bis 2028 auf 65 Jahre (bisher 60) und für Frauen bis 2034 auf 63 Jahre (bisher 55) angehoben werden. Dies kündigte Premierminister Medwedew kurz vor der Fußball-WM an – und sorgte für ungewöhnlich starke Proteste im ganzen Land. Präsident Wladimir Putin hielt sich lange zurück und kommentierte das Vorhaben nicht.

Erst im August reagierte Putin auf den massiven Widerspruch der Bevölkerung. Russland habe ein „besonderes“ Verhältnis zur Frau, erklärte der Präsident. Deshalb soll das Rentenalter für Frauen nur um fünf Jahre auf 60 (anstatt wie geplant auf 63) erhöht werden. Außerdem soll die Reform für Mütter gelockert werden: Drei Jahre früher in Rente mit drei Kindern, vier Jahre früher mit vier Kindern und so weiter. Zudem will Putin den Arbeitnehmern, die in den nächsten zwei Jahren in Rente gehen, mit einer Kürzung um sechs Monate entgegenkommen. Wer also laut der neuen Regelung im Januar 2020 in Rente geht, erhält die Zahlung bereits ab Juli 2019.

Zudem hat die russische Regierung versprochen, die Rente jährlich um 1.000 Rubel auf bis zu 20.000 Rubel im Jahr 2024 anzuheben – dies entspricht beim derzeitigen Wechselkurs rund 258 Euro pro Monat. Trotz dieser Versprechungen war die Beliebtheit von Wladimir Putin auf ein Rekordtief gefallen. Zahlreiche Städte sind Schauplatz von Demonstrationen geworden. In einer TV-Ansprache bat Putin die Bevölkerung schließlich um „Verständnis“ für die Reformen.

Neues Gesetz soll Arbeitnehmer schützen

Ein weiteres Gesetz soll Arbeitnehmer, die in den nächsten fünf Jahren in die Rente gehen wollen, vor einer frühzeitigen Kündigung schützen. Ab sofort ist es eine Straftat, ältere Arbeitnehmer frühzeitig zu feuern. Wer sich nicht an dieses Gesetz hält, muss eine Strafe in Höhe von 200.000 Rubel (mehr als 2.500 Euro) bezahlen. Nach Angaben des Duma-Sprechers Wjatscheslaw Wolodin wird die neue Regelung einen „psychologischen Einfluss“ auf die Arbeitgeber haben.

Die neue Regelung stößt auf Widerspruch in der Wirtschaft. Natalija Orlowa, Analystin der Alfa-Bank, warnt vor einer Verschlechterung des Geschäftsklimas. Zudem würde das Gesetz nur bewirken, dass Arbeitnehmer bereits vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist gefeuert werden.

Titelbild
Proteste gegen die geplante Rentenreform am 2. September 2018 in Barnaul, Westsibirien. Quelle: Andrys Petrovas / Shutterstock.com[/su_spoiler]