Putins drastische Rede an die Nation

Eine Ansprache unter neuen Rahmenbedingungen

Als sich Russlands Präsident Wladimir Putin kürzlich an sein Volk wandte, betonte er vor allem, dass Brücken verschiedenster Beziehungen trotz direkter und drastischer Ansprache nicht abgebrochen werden sollen. Obwohl die Ansprache von einigen Befürwortern besucht wurde, sorgten zeitgleiche Demonstrationen für Aufruhr und Festnahmen.

Dass die neue Ansprache Putins an sein Volk mit Spannung erwartet wurde, kam nicht von ungefähr. Letztes Jahr wurde eine Änderung der Verfassung bekundet – die aktuelle Regierung trat zurück und Putin dürfte nun bis 2036 im Präsidentenamt bleiben. Experten, Politiker sowie Anhänger und Gegner konnten daher auch diesmal davon ausgehen, dass das Staatsoberhaupt möglicherweise eine weitere Bombe bei der Ansprache platzen lassen würde.

Die Vorzeichen, dass sich Putins insgesamt 17. Rede an die Nation anders gestalten würde, sollte sich bewahrheiten. Als er in stechend blauem Herrenanzug die Bühne betrat, hatte er weniger Publikum vor sich als sonst. Regierungsmitglieder, Gouverneure und andere Gäste mussten drei negative “COVID”-Tests vorlegen und in der Ausstellungshalle des Kreml strenge Sitzordnungen einhalten.

Russland und Meldungen von Außen

Bei seiner Ansprache ging Putin, ohne dabei auf spezifische Länder oder Führungspersönlichkeiten einzugehen, in Bezug auf die Außenpolitik hart ins Gericht. “Mittlerweile ist es eine Art Sport geworden, Russland schlecht zu machen. Wir hingegen verhalten uns jedoch sehr zurückhaltend”, betonte er bei seiner Ansprache.

Obwohl viele Länder Sanktionen bzw. Strafmaßnahmen gegen Russland planen oder bereits in die Wege geleitet hatten, wolle der Präsident jedoch keine Brücken abbrechen. “Sollte jemand allerdings vorhaben, unsere guten Absichten als Schwäche wahrzunehmen und selbst Brücken zu sprengen, wird die russische Antwort asymmetrisch, schnell und hart ausfallen”, führte er dazu aus. Um dies zu bekräftigen ging der Präsident auch auf Waffensysteme ein, die für Extremfälle vorgesehen sein würden.

Keine Reaktion auf Vorwürfe

Die Truppenverlegung, die Situation rund um Alexej Nawalny und die Sprengung eines tschechischen Munitionslagers vor sechs Jahren –  auf jene aktuellen Vorwürfe aus der Opposition bzw. dem Ausland ging der Präsident nicht ein. Lediglich Belarus war die einzig kontrovers diskutierte Angelegenheit, zu der Putin bei seiner Rede Stellung nahm. Der dortige Machthaber Alexander Lukaschenko, der momentan durch Anschuldigungen der Wahlfälschung mit heftigen Protesten zu kämpfen hat, hätte laut Wladimir Putin ermordet werden sollen. “Selbst jene Aktionen finden keine Verurteilung beim sogenannten, kollektiven Westen”, führte er dazu aus.

Geschehnisse innerhalb des Landes

Jenen außenpolitischen Themen widmete sich Putin jedoch nur in den letzten Minuten seiner Rede. Der Großteil der Ansprache wurde zur Thematisierung des Umweltschutzes, der Infrastruktur sowie Sozialleistungen und Zukunftsprojekte genutzt. Obwohl auch Minister und Gouverneure kritisiert wurden, nutzte Putin auch die Gelegenheit sich zu bedanken. Ärzte, Lehrer, Wissenschaftler und Unternehmer hätten sich großes Lob für das Meistern der Pandemie verdient.

Zeitgleich wurde in mehreren Städten des Landes jedoch auch protestiert. Laut gesammelten Daten wurden in 80 Städten insgesamt 1.000 Personen im Rahmen von Protesten festgenommen. “Freiheit für Nawalny” und “Ein Arzt für Nawalny” gehörten zu jenen Aufrufen, die in Chabarowsk, Irkutsk, Jekaterinburg oder Nowosibirsk auf den Straßen zu hören waren.