IXcellerate: „Markt für Colocation wird boomen“

IXcellerate: „Markt für Colocation wird boomen“

IXcellerate ist ein Dienstleister im Bereich Rechenzentrum – speziell Colocation – mit Sitz in Moskau. Das Unternehmen stellt Platz für Server in seinem Rechenzentrum zur Verfügung. Im Ostexperte.de-Interview spricht der für Geschäftsentwicklung verantwortliche Martin Menzel über das Marktpotential in Russland.

Zur Person
Martin Menzel ist der Business Development Director bei IXcellerate, einem führenden Rechen- und Datenzentrum in Moskau. Das Unternehmen gehört zu den Top 5 Playern in Russland. Menzel ist für die Entwicklung der internationalen Geschäftsbeziehungen zuständig. Zuvor war er viele Jahre in Führungspositionen bei IBM tätig.
Martin Menzel
Martin Menzel ist Business Development Director bei IXcellerate in Russland. © IXcellerate

Herr Menzel, wie sind Sie nach Russland gekommen? Und was machen Sie hier genau?

Ende 2009 bin ich durch meinen früheren Arbeitgeber IBM nach Russland gekommen und hier geblieben. Im Jahr 2015 habe ich mich entschieden, einen Wechsel zu machen und habe bei IXcellerate angeheuert. Wir sind ein Colocator-Rechenzentrum – wir betreiben also keine eigene IT und stellen lediglich den Platz für IT-Infrastruktur und Rechner unserer Kunden in unserem Rechenzentrum zur Verfügung. Colocation bedeutet im Grunde Space, Power, Cooling und Physical Security. Alles rund um den Unterhalt der Rechner und dem Datenverkehr obliegt dem Kunden. Die Arbeit hier gibt mir die Möglichkeit, meine jahrelange IT-Erfahrung ins Rechenzentrum einzubringen.

Welche Speicherkapazitäten werden in Anspruch genommen? Von welchen Größenverhältnissen sprechen wir?

Das ist kundenabhängig, weshalb es sinnvoller wäre, in diesem Zusammenhang von Kundentypen zu sprechen. Unsere Kunden sind normalerweise sogenannte Enterprise-Kunden, die zwar eine IT haben, deren Core-Business jedoch ein anderes ist. Eine Bank bietet beispielsweise Banking-Dienstleistungen an und benötigt dafür eine IT-Ausstattung, um die dazugehörigen Geschäftsprozesse abzuwickeln. Zu unseren Kunden gehören neben Banken auch die sogenannten Systemintegratoren, einige Retailer, größere Cloud-Anbieter und sogar eine Online-Gaming-Plattform.

Diese Kunden haben unterschiedliche Wünsche und unterschiedliche Bedürfnisse. Ein Cloud-Kunde benötigt viel Speicher und viel Power. Ein typischer Retailer lässt die Bestellungen und die internen Systeme über das Rechenzentrum laufen. Da sprechen wir von einer wesentlich kompakteren und kleineren Größenordnung.

Warum speichern die Kunden ihre Daten nicht in eigenen Räumlichkeiten? Wozu brauchen sie ein Rechenzentrum?

Als Colocator haben wir ganz andere Möglichkeiten der Skalierung, weil wir uns auf die Kernkompetenzen eines Rechenzentrums spezialisieren. Dadurch kommen Synergien zustande, sodass es viel günstiger ist, den Service eines Colocators zu nutzen, als ein eigenes Rechenzentrum selbst zu betreiben. Unsere Mitarbeiter kommen nicht aus dem IT-Bereich, sondern aus dem Engineering, Electrical Engineering oder sind Spezialisten für Kühlungssysteme.

Stellen Sie sich einen Schuhhändler vor: Was hat er mit Engineering oder Kühlung zu tun? Gar nichts. Es ist sehr weit von dem eigentlichen Hauptgeschäft entfernt. Die Kosten für eigene Serverräume sind so hoch, dass es sich gar nicht rentiert oder Abstriche in der Qualität gemacht werden müssen. Die Sicherheit ist nicht dieselbe wie in einer Colocation, wo es die Möglichkeit gibt, sich auf solche Aspekte zu konzentrieren. Bei uns sind alle Komponenten wie Strom und Kühlung redundant. Falls eine Leitung runterfällt, dann läuft die IT ohne Unterbrechung weiter. In einem privaten Rechenzentrum oder Serverraum ist das schwierig durchzusetzen und sehr kostenintensiv. Aus diesem Grund ist der größte Vorteil der Colocation die Kostenreduzierung.

IXcellerate Rechenzentrum in Moskau
IXcellerate-Rechenzentrum in Moskau © IXcellerate

Bei der Unternehmensgründung standen mehrere Standorte zur Auswahl, darunter Brasilien. Warum fiel die Wahl auf Russland?

Das hängt mit Guy Willner zusammen, dem Mitgründer von IXcellerate. Guy hat damals 14 Rechenzentren in Europa aufgebaut und an Equinix verkauft, dem weltweit größten Rechenzentrum-Betreiber der Welt. Da ein Unternehmer immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist, standen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Russland wurde wahrscheinlich deshalb gewählt, weil er hier den CEO von Golden Telecom, Cliff Gauntlet, getroffen hat. Die beiden haben sich auf Anhieb verstanden und Cliff hatte bereits viel Erfahrung im Ausland und auf dem russischen Markt gesammelt. Es hat einfach gepasst und die Entscheidung fiel auf Russland.

Wie entwickelt war dieser Markt zur damaligen Zeit und wie entwickelt ist er heute?

Der Markt entwickelt sich permanent weiter. Die größten Anbieter sind natürlich historisch die ehemaligen Staatsbetriebe – in diesem Fall Rostelekom. Es gab auch vereinzelt private Anbieter, aber das Outsourcen und die Colocation-Rechenzentren kommen erst jetzt so richtig in Fahrt. Die Firmen stellen fest, dass gewisse Kosteneinsparungen und Optimierungen notwendig sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Anstatt am eigenen Serverraum zu sparen und Qualität einzubüßen, wenden sich die Kunden an einen Colocation-Provider, der die Einrichtung, Strom, Kühlung, Sicherheit und alles, was dazu gehört, in einer hohen Qualität bietet.

Der Markt entwickelt sich stark weiter, weil kein Betrieb mehr ohne IT auskommt. Im Gegenteil sehen wir, dass sich die traditionelle IT in Richtung Cloud entwickelt. Wir befinden uns derzeit in einem, wie ich es nenne, „Hybrid-Cloud-Zeitalter“, wobei zum Datenaustausch die traditionelle IT mit einer Cloud verbunden wird. Dieser Trend zeigt, dass Rechenzentren bereits jetzt, aber auch in Zukunft, auf Nachfrage stoßen werden.

Wenn ein Rechenzentrum ausfällt, dann kann das gravierende Folgen für das Business haben. Die neusten Entwicklungen rund um das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz werden mithilfe von Rechnern betrieben und gesteuert. Und wenn die Rechner keinen Strom haben, dann funktioniert gar nichts. Dafür sind die Colocation-Rechenzentren da.

Was verstehen Sie unter der traditionellen IT?

Die traditionelle IT ist das, was wir vor 10 bis 20 Jahren hatten. Um Business zu betreiben, brauchte z. B. ein Unternehmen einen Rechner mit einem Mail- oder Bestellungssystem. Die traditionelle Vorgehensweise bestand im Kauf eines Servers bei einem Integrator, der das System zusammenstellt und mit vorhandener IT integriert. Dabei befand sich der Server meist in den Räumlichkeiten des Unternehmens. Der Trend jetzt, und das machen wir in der Colocation, ist die Verlagerung der IT in speziell dafür gebaute Räumlichkeiten.

Colocation bedeutet, dass mehrere Kunden nebeneinander ihre Rechner betreiben, ohne dass sie etwas miteinander zu tun haben. Ich sage oft aus Spaß: „Wir sind das Office-Space für IT.“ Die großen Konzerne haben natürlich ihre eigenen Zentren, in denen sie ihre Rechner betreiben. Aber der Mittelstand braucht für seine IT keine eigene Server-Räumlichkeiten in diesem Ausmaß. Für solche Kunden haben wir ebenfalls spezielle Angebote.

Gibt es besondere Vor- und Nachteile auf dem russischen Markt?

Bestimmte Regeln müssen in jedem Land bedacht und berücksichtigt werden. In Russland, speziell in Moskau, gibt es spezielle Bestimmungen bezüglich des Stromnetzes, an das man sich anschließen muss. Und natürlich gibt es Formalitäten rund um die Location und Auflagen von den Behörden.

Wie wird sich der Markt in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

Der Markt wird weiterhin boomen, da die ganze Industrie mit Hilfe von IT betrieben wird. Schauen Sie sich Banken an. Das traditionelle Bankmodell wird mit AI und FinTechs erweitert. Die Daten werden genutzt, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue Informationen zu gewinnen. Beinahe jeder Geschäftsbereich wird mehr und mehr IT nutzen müssen, um sich in ihrem Bereich den Mittbewerbern stellen zu können. Daher bin ich der Meinung, dass dieser Bereich stark wachsen wird. Entwicklungen im Cloud-Bereich, die ganzen AI-Geschichten und auch die Blockchain-Technologien, da sehe ich doch große Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Menzel.

Dieses Interview führte Ostexperte.de-Chefredakteur Thorsten Gutmann.

Titelbild
Quelle: © IXcellerate[/su_spoiler]