Grüne Energie aus Zentralasien: Tadschikistan und seine Staudämme

Berge, Flüsse und viel Energie: Tadschikistan deckt seinen Energiebedarf fast ausschließlich aus Wasserkraft. Ein Besuch der größten Staudämme im Land, der „Nurek“- und der „Rogun“-Anlagen.

von Christian Grosse

Tadschikistan ist berühmt für das Nouruz-Fest. Dies ist das Frühlings- und Neujahrsfest im persischen Kulturraum und in Zentralasien. Es ist auch berühmt für seine Küche, für seine Gastfreundschaft und für seine Berge. Circa 93% des Landes ist bedeckt von Gebirgsland mit Höhen zwischen 300 und 7.495 Metern über dem Meeresspiegel. Besonders charakteristisch für Tadschikistan ist der Pamir – eine atemberaubende Bergkette. Was jedoch kaum jemand weiß, ist, dass Tadschikistan auch besonders viele Flüsse hat. Und somit viel Potenzial für die Erzeugung von Grüner Energie.

In Tadschikistan gibt es 947 Flüsse, deren Gesamtlänge 28.500 km beträgt. Davon sind die wichtigsten Flüsse der Amudarya und der Syrdarya. Sie sind die größten und wichtigsten Flüsse in Zentralasien. Der Amudarya wird durch den Zusammenfluss der Flüsse Pandsch, Wachsch, Kofarnihon sowie Surchob gebildet. Über 60% aller Süßwasserressourcen in Zentralasien formieren sich somit auf dem Territorium der Republik Tadschikistan. Das „blaue Gold“ spielt eine enorm wichtige Rolle in der Gewährleistung der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung des Landes.

Denn die Wasserressourcen sind die Hauptquelle für die Energieerzeugung. Etwa 95% der Elektrizität werden in Tadschikistan durch Wasserkraftwerke erzeugt. Davon 94 % aus großen und mittleren Wasserkraftwerken. Mit anderen Worten: tadschikischer Strom ist fast vollständig Grün.

Eingang Nurek-Staudamm. Foto: Christian Grosse

Dieser wird durch insgesamt mehr als 350 Wasserkraftwerke in allen Flüssen erzeugt. Tadschikistan ist deshalb auch als Pilotland im UN-Programm für „Nachhaltige Energie für alle“ anerkannt.

Dafür gibt es optimale Voraussetzungen: Das Land verfügt über riesige Reserven an Wasserkraftressourcen, die auf 527 Milliarden KWh im Jahr geschätzt werden. Davon sind 95 Prozent des wirtschaftlich verwertbaren Wasserkraftpotenzials noch nicht erschlossen.

Turbinen der ukrainischen Firma „Turboatom“. Foto: CAWATERinfo

Offiziellen Statistikangaben zufolge beträgt die durchschnittliche jährliche Stromerzeugung in der Republik Tadschikistan etwa 17 Milliarden kWh, primär durch Wasserkraft. Die Nutzung der enormen Wasserkraftkapazität Tadschikistans, um die Länder der Region mit sauberem Strom zu versorgen, ist eine der Grundlagen für die Entwicklung der „Grünen Wirtschaft“. Derzeit liegt Tadschikistan, nach Schätzungen internationaler Organisationen, bei der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien weltweit auf Platz 6.

70 km südöstlich von Duschanbe entfernt, der Hauptstadt Tadschikistans, liegt die Stadt Nurek. Der dortige Staudamm war bis 2014 mit 300 Metern Höhe der zweithöchste Staudamm weltweit, bis er von „Jinping I“ in China abgelöst wurde. Bis heute ist es das leistungsstärkste und auch größte Wasserkraftwerk in Zentralasien unter den sogeannten Steinschüttdämmen. Außerdem ist es einzigartig, da sämtliche Materialien nur per Straßentransport geliefert wurden. Gebaut in den 1970er Jahren gilt das Nurek-Wasserkraftwerk als Aushängeschild des tadschikischen Energiesektors.

Das Kraftwerk besteht aus 9 Blöcken und ist seit 1979 mit einer vollen Leistung von 2700 MW in Betrieb. Ein späterer Umbau sorgte für größere Kapazitäten von 3000 MW.

Der Bau des Kraftwerks Nurek an einem der größten Flüsse der Region, dem Wachsch, wird von der internationalen Gemeinschaft immer noch als Höhepunkt der Baukunst angesehen. Da es unmöglich war, einen gewöhnlichen Betondamm zu errichten – der Staudamm liegt in einem erdbebengefährdeten Gebiet –, beschloss man, das Flussbett des Wachsch mit demselben Gestein aufzufüllen, aus dem auch die umliegenden Berge entstanden sind, und zwar in Analogie zum natürlichem Schutt.

Staumauer Nurek-Staudamm. Foto: Christian Grosse

Die Vorbereitungszeit dauerte bis 1969. Diese lange Zeitspanne war auf die schwierigen Bedingungen des Baugebiets zurückzuführen – eine enge Bergschlucht ohne Zufahrtsstraßen. Um alles Notwendige bereitzustellen, baute man eine spezielle Straße zur Baustelle. Die Anlieferung der Güter erfolgte ausschließlich mit dem Kraftfahrzeug.

Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme des letzten 9. Blocks im Jahr 1979 waren die Baukosten bereits vollständig amortisiert, was nicht nur auf das hohe Niveau der technischen und organisatorischen Unterstützung des Projekts, sondern auch auf seine wirtschaftliche Effizienz hinweist. Alle für den Bau verwendeten Maschinen, Baumaterialien und die wichtigsten Prozessausrüstungen wurden im Inland hergestellt.

Heute arbeiten ca. 700 Menschen im Kraftwerk Nurek, darunter 160 Frauen. Die Zahl der Ingenieure und Techniker beträgt 204.

Stausee in Nurek. Foto: Christian Gosse

Der Nurek-Stausee gilt als Jahresregulierungsstausee und befindet sich 70 Kilometer vom Beginn des Staudamms entfernt. Das Volumen des Stausees beträgt 10,5 Kubikkilometer, wovon 4,5 Kubikkilometer für die Stromerzeugung im Herbst und Winter genutzt werden

„Rogun“ – der nächste Gigant am Wachsch

Aktuell im Bau befindet sich das Wasserkraftwerk Rogun am Wachsch. Es ist Teil der sogenannten „Wachsch-Kaskade“ und mit einer installierten Leistung von 3600 Megawatt das größte Kraftwerk in Zentralasien.

Die sechs 600-Megawatt Hydroaggregate des Wasserkraftwerkes werden mit Radialturbinen ausgestattet. Die durchschnittliche jährliche Stromerzeugung im Wasserkraftwerk Rogun wird mehr als 17,0 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr betragen.

Der 335 Meter hohe Wasserkraftdamm wird somit der höchste Steinschüttdamm der Welt sein, der Wasser mit einem Gesamtvolumen von 13,3 Kubikkilometern und einem nutzbaren Wasservolumen von 10,3 Kubikkilometern staut. Das Kraftwerk Rogun ist als Mehrzweck-Wasserkraftwerk geplant, das neben der Stromerzeugung auch der Wasserregulierung, der Verringerung des Hochwasserrisikos und der Bekämpfung von Dürren dienen wird.

Mit dem Bau des Wasserkraftwerks Rogun wurde bereits in den 1970er Jahren begonnen. Aus verschiedensten Gründen wurde der Bau Anfang der 1990er Jahre eingestellt. Wenn das Kraftwerk Rogun mit voller Kapazität in Betrieb gegangen ist, sollen eine Reihe bestehender Probleme gelöst sein. Es soll die Stromknappheit im Winter vollständig ausgleichen und die Exportkapazität des tadschikischen Energiesystems erhöhen. Außerdem wird es die Laufzeit aller Wasserkraftwerke der Wachsch-Kaskade verlängern und technische Möglichkeiten für die Kaskadensteuerung von Wasserkraftwerken bieten, um so den Betrieb des Energiesystems zu optimieren und die Stromerzeugung in den flussabwärts gelegenen Anlagen zu steigern.

Dieser Exkurs in die Energiegewinnung aus Wasserkraft zeigt Tadschikistans zentrale Rolle in der Erzeugung Grüner Energie in Zentralasien.

Das Land beabsichtigt gemäß der nationalen Entwicklungsstrategie seine Energiekapazität bis zum Jahr 2030 auf 10.000 Megawatt zu erhöhen. Diese Maßnahmen zielen nicht nur auf die kurzfristige Entwicklung eines unabhängigen Tadschikistans ab, sondern auch auf die regionale Verbesserung der Energieversorgung.

Eine Besonderheit ist, dass die Flüsse Tadschikistans gemäß den weltweiten geltenden Standards als Trinkwasser anerkannt wurden.

Aus diesem Grund wurde auf Initiative des Präsidenten Tadschikistans, Emomali Rahmon, bei der UN-Generalversammlung das Jahr 2003 zum “Internationalen Jahr des sauberen Wassers”, 2005-2015 zur Internationalen Aktionsdekade “Wasser für das Leben”, 2013 zum “Internationalen Jahr der Zusammenarbeit in dem Wasserssektor” und schließlich 2018-2028 zur Internationalen Aktionsdekade “Wasser für nachhaltige Entwicklung” erklärt.

In seiner jährlichen Botschaft an das Parlament des Landes zeichnete Präsident Rahmon zuletzt folgende Vision: „Tadschikistan soll bis 2037 in „ein grünes Land” verwandelt werden”. Die Voraussetzungen sind günstig, jedoch auch mit vielen Herausforderungen verbunden.

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Quelle: Christian Grosse