Wie Strafzettel in Russland zu Einreisesperren führen können

Strafzettel in Russland können für Ausländer zu Einreisesperren führen. Erst recht die bezahlten. Was Sie dagegen tun können.

Wer mehr als zwei Mal in drei Jahren gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen hat, dem kann die Einreise nach Russland verweigert werden. Egal, ob die Strafen bezahlt sind oder nicht. Welche legalen Möglichkeiten haben Betroffene, um das Risiko derartiger Zwischenfälle zu minimieren? Zum Beispiel Leasingwagen.

Moskauer Deutsche Zeitung
Die Titelseite der aktuellen MDZ 412, in der der Artikel erschienen ist.

Dieser Gastbeitrag stammt von Peggy Lohse, Redakteurin der Moskauer Deutschen Zeitung. Er ist zuerst unter dem Titel “Auto frisst Visum” in der MDZ-Ausgabe Nr. 412 erschienen.

Angenommen, Sie sind deutscher Staatsbürger, leben und arbeiten in Russland. Sie haben ein eigenes Auto – ganz offiziell, auf Ihren Namen registriert. Nun kann es jedem einmal passieren, dass er die Straßenverkehrsordnung nicht so ganz einhält: Falschparken, auf der Busspur fahren, überhöhte Geschwindigkeit. In den wenigsten Fällen wird man persönlich angehalten.

In Russland werden an vielen Stellen im Straßenverkehr Kameras eingesetzt, die Verkehrssünder aufzeichnen sowie Vergehen und zu zahlende Strafen direkt in eine Datenbank übertragen, die online einzusehen ist. Ein regelmäßiger Blick dorthin lohnt sich, denn Strafzettel werden an Ausländer nicht mehr per Post zugestellt, sie können aber zu einem Einreiseverbot von bis zu drei Jahren führen (unten finden Sie die Links zu den Portalen, auf denen Sie Strafen und Sperren einsehen können).

Einreiseverbote für Verkehrssünder

Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung sind die häufigsten administrativen Rechtsverletzungen. Gemäß den russischen Migrationsvorschriften kann einem Ausländer, für den in drei Jahren mehr als ein solches Vergehen vermerkt wurde, beim nächsten Mal am Grenzübergang die Einreise verwehrt werden. Wohlgemerkt: kann, nicht muss.

Der Grenzbeamte sehe nur, dass die Person „auffällig geworden ist. Dann leuchtet sozusagen eine rote Lampe,“ erklärt Elena Balashova, geschäftsführende Partnerin der Kanzlei Balashova Legal Consultants und Leiterin der Arbeitsgruppe Migrationsrecht der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau, „Und der Einreisende muss nicht, kann aber abgewiesen werden. Das ist relativ willkürlich.“

Die Regelung sei nicht neu, erläutert die Expertin weiter, seit Ende 2013 jedoch häuften sich die Einreisesperren. Die Kann-Regelung sei im Zuge der allgemeinen Verschärfung des Migrationsrechts zum Regelfall geworden, was eigentlich die Zahl illegal einreisender und schwarz arbeitender Migranten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken reduzieren sollte. Fast ein Dutzend solcher Fälle hat die AG Migrationsrecht der AHK bisher für deutsche Staatsbürger betreut.

Auch Bezahlen hilft nicht

Nummernschild in Russland
Einige Russen haben ein Mittel gegen Strafzettel gefunden – sie decken ihr Nummernschild ab.

Oft ist so ein Zwischenfall nicht nur für den Betroffenen ein Problem, sondern auch für dessen Arbeitgeber, denn eine Aufhebung der Einreisesperre zu erzielen ist ein schwieriger und langwieriger Prozess. Und das auch, wenn der Verkehrssünder die Strafe schon beglichen hat. Im Gegenteil: Laut der Rechtsanwältin Balashova sei das eher noch hinderlich: „Mit der Bezahlung erklärt man sich einverstanden mit dem vorgeworfenen Vergehen.“ Einen solchen Strafzettel später, zum Beispiel wegen einer verwehrten Einreise, dann noch anzufechten, sei äußerst kompliziert.

Um derartige Konfliktsituationen zu vermeiden, empfehlen die Juristen, neben der naheliegendsten, aber unbequemsten Lösung des öffentlichen Nahverkehrs, möglichst Taxi oder Dienstwagen zu benutzen. Außerdem sei das Leasing eine praktikable Variante Auto zu fahren, ohne der offiziell eingetragene Fahrzeughalter zu sein. „Für Manager zum Beispiel empfehlen wir“, so Balashova, „einen Wagen direkt mit Fahrer zu mieten.“ So könne man Probleme ganz sicher vermeiden.

Die Alternative Leasing ist im Aufwind

Von diesen juristischen Eigenheiten weiß auch Jonas Kjærgaard Jepsen, der Regionalmanager von AVIS Russia in Moskau und Zentralrussland: „Wir sind uns dessen bewusst, dass Ausländer mit geleasten Autos nicht direkt juristisch zu belangen sind“, erklärt er, „Das heißt, dass wir, nicht der Fahrer, die Strafzettel für Falschparken oder zu schnelles Fahren bekommen.“

Die Vermietungszahlen seiner Firma, so Manager Jepsen, befänden sich im Aufwind. „In Moskau, St. Petersburg und Sotschi werden auch viele Wagen direkt mit Fahrer gemietet“, erzählt er über seine Geschäftszentren, „Teilweise haben wir auch Leasing-Kunden, die einen Fahrer auf Dauer mieten. In diesem Fall kaufen wir den Wagen für den Kunden und suchen einen passenden Fahrer, zum Beispiel mit Englisch- oder Spanischkenntnissen.“ Ob dieses Geschäftsplus direkt mit der verschärften Umsetzung der Migrationsvorschriften zusammenhängt, könne bisher noch nicht statistisch belegt werden. Es liegt jedoch nahe.

Wirtschaftsverbände legen Beschwerde ein

Von russischer Seite wird aktuell eine Erhöhung der möglichen Einreisesperrzeit von drei auf zehn Jahre diskutiert, erzählt Balashova. Vertreter der Deutschen Botschaft besprachen sich im Frühjahr mit der AHK zu diesem Thema. Gemeinsam mit dem europäischen Wirtschaftsverband AEB habe die AHK Beschwerde bei der Leitung des Föderalen Migrationsdienstes (FMS) eingelegt. Ihr Ziel ist die Gleichstellung der Ausländer in Russland. Für russische Staatsbürger würden mögliche Ausreisesperren verfallen, sobald Strafen für derartige administrative Rechtsvergehen, wie Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, bezahlt und abgegolten seien. Die Ausländer seien in diesem Bereich benachteiligt. Die russische Verfassung verbiete Diskriminierung. Die Entscheidung in dieser Frage stehe jedoch bislang aus.


 

So prüfen Sie, ob Verwaltungsstrafen oder Ausreisesperren gegen Sie vorliegen:

Die AHK Moskau empfiehlt, bei Verwaltungsstrafen zu prüfen, ob Einspruch gegen sie erhoben werden kann. Oft könne eine Aufhebung erwirkt werden. Wenn möglich, sollten alle Beschlüsse über solche Strafen angefochten werden. Die Frist betrage zehn Tage ab Erhalt der betreffenden Entscheidung.

Online-Portale zur Einsicht von Strafzetteln und Einreisesperren in Russland:


Welche Erfahrungen haben Sie mit Strafzetteln in Russland gemacht? Hatten Sie oder ein Bekannter sogar einmal deswegen Probleme? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare unten oder auf unserer Facebook- und Twitter-Seite. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!


 

Über die Autorin:

Portait Peggy Lohse
MDZ-Autorin Peggy Lohse.

 

Peggy Lohse

ist Redakteurin der Moskauer Deutschen Zeitung (MDZ). Die MDZ ist eine zweiwöchentlich in Moskau erscheinenden Zeitung mit einem deutschen Teil und einem russischen Teil.
Peggy Lohse schreibt zudem einen deutsch-russischen Blog.

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Titelbild: Simon Schütt

Bild des verdeckten Nummernschilds: Simon Schütt

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