How To – Weltwirtschaftsforum in Sankt Petersburg

Zu Gast beim SPIEF – dem wichtigsten Wirtschaftstreffen Russlands

Es ist das wichtigste Wirtschaftstreffen in Russland und lockt Jahr für Jahr tausende Besucher aus aller Welt an: das internationale Sankt Petersburger Wirtschaftsforum (SPIEF). Im letzten Jahr fiel es pandemiebedingt aus. Dieses Jahr fand es wieder statt – und das im Präsenzformat. Wie hat das funktioniert? Und wie ist es, live dabei zu sein? Unternehmensberater Philipp Rowe berichtet.

Herr Rowe, wie kommt man als Besucher auf das Forum, und wer nimmt da eigentlich teil?

Entweder per Einladung oder wenn man eine Karte kauft. Es wird nicht jeder eingeladen, und eine Karte kostet mindestens 10.000 EUR. Es richtet sich also eher an ein ausgewähltes Publikum.

Ich habe zusammen mit einer Delegation des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft an dem Forum teilgenommen. Ich bin Mitglied in diesem Verband und engagiere mich seit mehr als 15 Jahren für die deutsch-russischen Beziehungen. Die Einladung zum Forum erfolgte durch die Regierung des Leningrader Gebiets und auf besonderes Engagement des Zentrums für politische Analyse und Informationssicherheit, welches ebenfalls Mitglied im gleichen Verband ist. An der Delegation nahmen Verbandsfunktionäre, Verbandsmitglieder und Geschäftsführer bedeutender deutscher, österreichischer und internationaler Firmen in Russland teil.

Es gab außerdem sehr hohe Sicherheitsbeschränkungen und einen umfangreichen Registrierungsprozess. Dann gab es natürlich noch Coronatests in diesem Jahr. Auf dem Veranstaltungsgelände ist dann aber alles sehr locker und viele hochrangige Wirtschaftsvertreter und Politiker sind überall anzutreffen.

Weshalb haben Sie teilgenommen?

Russland ist ein sehr besonderes Land mit vielen positiven und negativen Seiten. Mit vielen Risiken, aber auch Chancen und Möglichkeiten. Mein Hauptinteresse war, auf die Möglichkeiten zu schauen. Eigentlich mag ich Kongresse nicht so sehr, sie kosten immer sehr viel Zeit und meistens geht es nur ums Händeschütteln. Nach St. Petersburg bin ich gefahren, weil ich wissen möchte, wie sich die russische Wirtschaft weiterentwickelt: wie geht es nach der Pandemie weiter, welche neuen Trends gibt es? In der Bildung, bei Themen wie künstlicher Intelligenz, und die Strategien für die Zeit nach der Pandemie.

An welchen Veranstaltungen haben Sie teilgenommen? Gab es Antworten auf die Fragen?

Definitiv. Es waren auch wirklich viele nationale und internationale Aussteller vertreten, insbesondere das Land Katar war sehr präsent, und die russischen Städte und Regionen.

Ich war bei Veranstaltungen zu Smart Cities und der digitalen Zukunft der Mobilität. Auch zur Kulturindustrie und der Filmwirtschaft, die viel als neues Exportprodukt beworben wird. Am meisten Eindruck hinterlassen haben aber die Stände der russischen Regionen. Hier wurden Exportschlager und neue Trends vorgestellt – Ökoprodukte sind zum Beispiel stark im Kommen: Zahnpasta ohne Fluor, Kaffee aus Kiefersamen… Eine Region will ich hervorheben: Baschkortostan. Ein super Stand und Marketingteam, ein sehr interessantes Gebiet mit viel wirtschaftlichem Potenzial.

Krisen und Sanktionen erschweren das internationale Geschäft. Wie entwickelt sich die russische Wirtschaft?

Der Geschäftsführer von Hugo Boss Russland sagte mir zum Beispiel, dass der Modesektor keine Auswirkungen spürt. Die Russen kaufen und kaufen. Das sagten mir auch viele andere, die im Sektor Konsumgüter arbeiten. Hier sieht man keinen großen Rückgang. Außerdem waren russische Banken sehr präsent und haben viele Neuheiten präsentiert, wie durch künstliche Intelligenz gesteuerte Kundenbetreuung und Managementprozesse. Der russische Bankensektor ist sehr modern und progressiv. Digitales Bezahlen, vielseitige Apps, ein ganz anderes Level als zum Beispiel in Deutschland. Was wirklich auffiel: Technologien und Bildung werden als russisches Exportchance und -produkt der Zukunft gesehen.

Auch wurden viele Investitionsabkommen unterschrieben. Ich habe nicht den Eindruck, dass die russische Wirtschaft auf irgendetwas wartet, sondern sehr aktiv auf dem nationalen Markt ist. Die Sanktionen stärken die russischen Unternehmen, die hier – auf dem heimischen Markt verkaufen: zum Beispiel die russische Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie und die Investitionsgüterproduzenten.

Eine Veranstaltung in Pandemiezeiten. Im Vorfeld gab es einige Kritik am Präsenzformat – gab es Einschränkungen?

Die einzige Einschränkung, die ich bemerkt habe, waren PCR-Tests. Die mussten für die Aktivierung der Eintrittskarten gemacht werden. Bei mir wurde ein Test vorher im Hotel durchgeführt, zügig und ohne Wartezeit. Insgesamt machte das einen sicheren Eindruck, auf der Veranstaltung wurden zumindest teilweise Masken getragen. Die Einschränkungen des Reiseverkehrs fielen hingegen schon auf. Insbesondere aus China fehlten die sonst zahlreichen Gäste, aber auch aus Europa.

Was ist ihr Fazit?

Es ist toll, dass so eine Veranstaltung stattfinden konnte. In Deutschland wäre das gerade undenkbar. Alles war sehr gut organisiert. Dafür auch ein Dankeschön an die Veranstalter und die Stadt St. Petersburg. Russland hat fortschrittliche Branchen – und vor allem auch eine Strategie für die Zukunft.

Philipp Rowe
Ist internationaler Unternehmensberater, und setzt sich für die deutsch-russischen Beziehungen ein. Mit seiner Firma Rufil Russia Consulting unterstützt er seit 2007 deutsche und inernationale Unternehmen im Russlandgeschäft.

Titelbild
Philipp Rowe