Wird Russlands Ausfuhr 2018 wieder energielastiger?

Wird Russlands Ausfuhr 2018 wieder energielastiger?

Zentralbank veröffentlichte neue Prognosen zur Leistungsbilanz

Seit langem will die russische Regierung den hohen Anteil von Energie und Rohstoffen am Export der russischen Wirtschaft verringern. Russland soll weniger abhängig von den stark schwankenden Energie- und Rohstoffpreisen werden. Die Struktur der Exporte soll durch die Ausfuhr von mehr Fertigprodukten diversifiziert werden.

Wie wichtig die Ölpreisentwicklung für die russische Außenwirtschaft ist, zeigt die folgende Abbildung, die BOFIT, das Forschungsinstitut der finnischen Zentralbank, im Mai veröffentlichte. Sie vergleicht die jährlichen Veränderungsraten des Urals-Ölpreises mit den Veränderungsraten der Dollar-Werte der Warenexporte und der Warenimporte Russlands.

Deutlich erkennbar in der BOFIT-Abbildung ist der Einbruch des Ölpreises von 2014 bis 2016, der eine Rezession in Russland auslöste. Nicht nur die Ausfuhren, auch die Einfuhren sanken kräftig. Mit der Erholung des Ölpreises wachsen seit 2017 auch die Dollar-Werte der Aus- und Einfuhren Russlands wieder.

Ölpreiseinbruch 2014-2016 verringerte Energielastigkeit deutlich

Zur weiteren Analyse haben wir die wertmäßige Entwicklung der russischen Ausfuhren seit 2014 laut Angaben der russischen Zentralbank in einer Tabelle dargestellt. Die Zentralbank weist neben der Summe aller Ausfuhren auch die Ausfuhrwerte von Rohöl, Mineralölprodukten und Erdgas aus. Wie hat sich der Anteil dieser Energieexporte an der gesamten Ausfuhr mit den Schwankungen des Ölpreises verändert?

Als der Urals-Ölpreis im Jahresdurchschnitt 2014 noch rund 98 Dollar/Barrel betrug, machte der Wert der Ausfuhr von Rohöl, Mineralölprodukten und Erdgas noch rund zwei Drittel der gesamten Exporterlöse aus. Dann brachen die Ölpreise ein. Im Jahresdurchschnitt 2016 war der Urals-Ölpreis mit rund 42 Dollar/Barrel rund 57 Prozent niedriger als im Jahr 2014.

Dieser starke Rückgang ließ wegen des hohen Energieanteils am russischen Warenexport auch die gesamten Warenexporte kräftig schrumpfen. Der Wert der Ausfuhr von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas sank von 2014 bis 2016 um gut die Hälfte (- rund 53 Prozent), der Wert der gesamten Warenausfuhr um rund 43 Prozent. Stabilisierend auf die Gesamtentwicklung wirkte, dass sich der Wert der sonstigen Exporte von 2014 bis 2016 nur knapp halb so stark verringerte (rund – 24 Prozent) wie der Wert der genannten Energieexporte.

Russlands Warenexport: Abschwung 2014 bis 2016 – Aufschwung 2017

 20142016 2017
Mrd. $Mrd. $% ggü. 2014Mrd. $% ggü. 2016
Erdöl153,973,7- 52,193,3+26,6
Mineralölprodukte115,846,1- 60,258,2+26,3
Erdgas insgesamt59,934,2- 42,941,3+20,9
- Pipeline-Exporte54,731,3- 42,838,1+22,0
- LNG-Exporte5,22,9- 44,73,2+9,4
Erdöl, Produkte, Erdgas insgesamt329,6154,0- 53,3192,9+25,2
Sonstige Exporte167,2127,7- 23,6160,1+25,2
Export insgesamt496,8281,7- 43,3353,0+25,2
Anteil von Öl und Gas am Export in %66,454,754,6

Quelle: Russische Zentralbank: External Sector Statistics; Balance of Payments of the Russian Federation of 2017, Schätzung vom 02.04.2018

Der Anteil der Exporte von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas am gesamten Warenexport verringerte sich 2016 auf rund 55 Prozent. 2 Jahre zuvor waren es noch rund 66 Prozent gewesen.

2017: Ölpreis stieg um 27 Prozent – Energieanteil stagnierte aber

Im Jahresdurchschnitt 2017 hat sich der Urals-Ölpreis zwar spürbar erholt. Er stieg um rund 27 Prozent auf rund 53,0 Dollar/Barrel. Ist damit auch die „Energielastigkeit“ der russischen Ausfuhren wieder gestiegen?

Der Wert der Ausfuhr von Erdöl, Mineralölprodukten und Erdgas stieg nach Angaben der Zentralbank zwar fast ebenso stark (rund + 25 Prozent) wie der Urals-Preis. Die sonstigen Ausfuhren erhöhten sich aber genauso kräftig wie die Ausfuhr dieser Energieträger. Damit blieb der Energieanteil an den gesamten Ausfuhren 2017 bei 55 Prozent. Für viele wohl überraschend hat sich die Energielastigkeit der russischen Ausfuhren im letzten Jahr nicht erhöht.

Innerhalb des Energiebereichs nahmen 2017 die Ausfuhrerlöse von Erdöl (+ 27 Prozent) und Mineralölprodukten (+ 26 Prozent) ebenso stark zu wie der Urals-Preis. Die Erlöse aus dem Erdgasexport per Pipeline wuchsen etwas schwächer um rund 22 Prozent.

Zumindest 2017 blieben die Fortschritte auf dem Weg zu einer stärkeren Diversifikation der Ausfuhrstruktur also erhalten.

Auch 2018 wachsen Exporte anderer Branchen bisher so stark wie die Energieausfuhr

Auch Schätzungen der Zentralbank für das erste Quartal 2018 lassen noch keinen erneuten Anstieg der „Energielastigkeit“ erkennen. Die Exporte anderer Wirtschaftsbereiche stiegen etwa ebenso so stark wie die Energieausfuhren. Der Energieanteil an den gesamten Ausfuhren betrug wie im ersten Quartal 2017 rund 60 Prozent.

Willem H. Buiter, Special Economic Advisor der Citi Bank, wies Anfang Juni auf dem „International Financial Congress“ in Sankt Petersburg in einem Vortrag zur Entwicklung der Weltwirtschaft und der russischen Wirtschaft insbesondere auf die Exporterfolge der russischen Landwirtschaft hin. Russland habe die USA 2015 als weltweit größter Weizen-Exporteur abgelöst. Seit 2012 exportiere Russland wertmäßig mehr Agrarerzeugnisse als Rüstungsgüter. In Rankings der Weltbank („Doing Business“) und des Davoser World Economic Forums zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit habe Russland seine Position stetig verbessert.

Angaben des „Russian Export Center“ für die ersten vier Monate 2018 lassen auch nicht erwarten, dass sich die Energielastigkeit bisher spürbar erhöht hat. Laut dem 2015 gegründeten staatlichen Export-Zentrum, das auf der Basis der Zollstatistik monatlich über die Entwicklung der russischen Exporte berichtet, stieg der Anteil von Energie und Brennstoffen (einschl. zum Beispiel Kohle und Strom) an den gesamten Exporten im Vergleich mit den ersten 4 Monaten 2017 nur minimal von 64,1 Prozent auf 64,2 Prozent.

Bis Mitte Juli dürfte die Zentralbank auch Schätzungen für die Entwicklung der Leistungsbilanz (einschl. der Exporte von Öl, Mineralölprodukten und Erdgas) im zweiten Quartal vorlegen.

Zentralbank: Handels- und Leistungsbilanzüberschüsse steigen 2018 weiter

Trotz des starken Ölpreiseinbruchs von 2014 bis 2016 wiesen die Handels- und die Leistungsbilanz Russlands wie in den Vorjahren auch 2016 Überschüsse aus. Das zeigt folgende Abbildung aus dem neuen „Monetary Policy Report“ der Zentralbank. 2017 schlossen sowohl die Handelsbilanz (hellblaue Säule) als auch die Leistungsbilanz (rote Linie) mit einem etwas höheren Überschuss als 2016.

Monetary Policy Report der Russischen Zentralbank

Quelle: Russische Zentralbank: Monetary Policy Report; Langfassung, russisch; 15.06.2018

In ihrem neuen Basisszenario erwartet die Zentralbank, dass die Warenausfuhr 2018 gut doppelt so stark steigt (rund + 20 Prozent) wie die Wareneinfuhr (rund + 9 Prozent). Der Handelsbilanzüberschuss dürfte laut Zentralbank in diesem Jahr um knapp die Hälfte wachsen (rund + 44 Prozent), der Leistungsbilanzüberschuss um rund 142 Prozent.

Russlands Handels- und Leistungsbilanz

 2014201620172018
Zentralbank-Prognose
Mrd.$Mrd.$% ggü. 2014Mrd.$% ggü.
2016
Mrd.$
% ggü. 2017
Warenausfuhr496,8281,9-43,3353,0+25,2425+ 20,4
Wareneinfuhr307,9191,6- 37,8238,0+24,2259+ 8,8
Handelsbilanzüberschuss188,990,3-52,2115,0+27,4166+ 44,3
% vom BIP9,27,07,3
Leistungsbilanzüberschuss57,524,4-55,735,2+44,385+ 141,5
% vom BIP2,81,92,2
BIP, Mrd. US-Dollar2.0521.2891.579

Quellen: Russische Zentralbank: Monetary Policy Report, Summary; 15.06.2018; BOFIT, Bank of Finland: Russia Statistics (BIP)

Quellen und Lesetipps:

Außenhandel Januar bis April 2018:

Außenhandel und Leistungsbilanz im ersten Quartal 2018:

Prognosen und Sonstiges

Wirtschaftsdaten und Länderberichte Russland:

Titelbild
Quelle: vladimir salman / Shutterstock.com[/su_spoiler]