Willy Wimmer: „Britisches Verhalten ist ungeheuerlich“

Willy Wimmer (CDU): „In Stunden der Anfeindung stehen die Russen zusammen“

„Das britische Verhalten, ohne jeden nachprüfbaren Beweis gegen ein anderes Land und seine Führung vorzugehen, ist eine nicht hinzunehmende Bedrohung des Weltfriedens“, sagt der ehemalige CDU-Staatssekretär für Verteidigung und Ex-Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Willy Wimmer, im Gespräch mit Ostexperte.de zur Skripal-Affäre.


Inwieweit ist der Skandal um die Vergiftung des Ex-Agenten Sergej Skripal glaubwürdig?

Man sollte sich Großbritannien in den letzten Jahren einmal ansehen und sich dann mit dieser Frage beschäftigen. Hier wurde mit ernsten Argumenten und einer Vielzahl von politischen Lügen für den Brexit geworben, der heute das Land in größte Verzweiflung gestürzt hat. Die übelsten Angriffe gegen den amerikanischen Präsidenten Trump stammen aus England. Jetzt ist es der Skandal um Facebook und „Cambridge Analytica“, der die Legitimation der amerikanischen Wahlen untergraben und Trump schaden soll. Dann kommt Russland dran. Das Verhalten von Premierministerin Theresa May widerspricht allen rechtlichen Standards, die auf der ganzen Welt gelten, auch in England. In diplomatischer Hinsicht ist das britische Verhalten ungeheuerlich. Das britische Verhalten, ohne jeden nachprüfbaren Beweis gegen ein anderes Land und seine Führung vorzugehen, ist eine nicht hinzunehmende Bedrohung des Weltfriedens.

Gibt es einen Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl in Russland?

Wenn ich mir die britische Politik seit der Wahl des US-Präsidenten ansehe, ist alles darauf abgezielt, es nicht zu einem Treffen zwischen Putin und Trump kommen zu lassen. Das Ergebnis eines solchen Treffens könnte unter anderem die Beseitigung der aktuellen Konflikte sein. Das entspricht nicht dem seit 300 Jahren bestehenden „britischen Geschäftsmodell“. London war nie an der Lösung von Konflikten, sondern stets an der Durchsetzung seiner Interessen gelegen. Frieden und Stabilität auf dem Kontinent ist nicht im britischen Interesse. Das mit der russischen Wahl mag Absicht oder Zufall gewesen sein. Jedenfalls gab es eine Wirkung, die man in London nicht vorgesehen hatte. In Stunden der Anfeindung stehen die Russen zusammen.

Warum hatten Merkel und Macron es so eilig, sich der britischen Position anzuschließen?

Die Frage kann ich nur insoweit beantworten, als ich die Wirkung der unverständlichen Verhaltensweise des Gespanns Merkel Macron sehen kann. Die westeuropäische Bevölkerung ist seit dem Jugoslawien-Krieg 1999 von einem Krieg in den anderen „hineingelogen“ worden: Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Mali und viele mehr. Wer will den westlichen Regierungen oder der NATO heute noch etwas glauben, bis auf diejenigen, die davon ihren Lebensunterhalt verdienen? Ähnlich sieht es mit der Giftattacke in Großbritannien aus. Macron und Merkel operieren mit ihrer verbalen Unterstützung am Willen der Menschen vorbei.

Dieses Interview führte Ostexperte.de-Autor Alexander Sorkin.

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