Deutschland schützt Nord Stream 2 vor EU-Kommission
Die EU will ein umfassendes Mitspracherecht bei der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 haben. Nun legt Deutschland ein Rechtsgutachten vor, um eine im November 2017 vorgeschlagene Änderung der Gasdirektive durch die EU-Kommission zu verhindern.
Laut der geplanten Änderung der Gasdirektive sollen alle Pipelines, die über EU-Territorium verlaufen, den EU-Bestimmungen des 2009 beschlossenen Dritten Energiepakets entsprechen, das unter anderem Netzzugang und Tarifstruktur regelt. Die Unternehmen Gazprom, Wintershall, Shell, OMV und Engie befürchten, dass ein erweitertes Mitspracherecht der EU-Kommission dazu führen könnte, dass der Bau der geplanten Nord Stream 2 verlangsamt oder verboten wird.
Das milliardenschwere Pipeline-Projekt sorgt in der EU für heftige Diskussionen. Vor allem der Mitgliedsstaat Polen versucht, den Bau zu stoppen, weil er den Verlust von Transiteinnahmen fürchtet und die eigene Versorgungssicherheit gefährdet sieht. Auch die Umweltverbände WWF und Nabu appellierten zuletzt an Union und SPD, sich von der Gaspipeline zu distanzieren, weil sie eine „klimapolitische Sackgasse“ sei und das „fragile Ökosystem der Ostsee“ bedrohe.
„Keine Argumente“ für Änderung der Gasdirektive
In Deutschland dagegen wird Nord Stream 2 mit gemischten Gefühlen betrachtet. Vor den gescheiterten Sondierungen warnten die Jamaika-Parteien CDU, FDP und Grüne, dass die Pipeline die Abhängigkeit von Russland erhöhe und die erneuerbaren Energien ausbremse. Doch kurz darauf reiste Außenminister Sigmar Gabriel zum Deutsch-Russischen Rohstoffforum in St. Petersburg und kritisierte die geplante Änderung der Gasdirektive durch die EU-Kommission.
Laut der Zeitung Wedomosti geht aus dem jüngsten Rechtsgutachten hervor, dass Deutschland „keine verständlichen Argumente“ erkennen könne, inwiefern die vorgeschlagenen Änderungen „zu den Zielen der Energieunion“ beitragen würden. Sie seien „weder aus europäischer noch aus völkerrechtlicher Sicht“ anwendbar. Falls die Änderung trotzdem umgesetzt werde, hätte sie keinerlei Auswirkung auf die Nord Stream 2, weil die Investition seit langer Zeit geplant sei.
US-Sanktionen bedrohen Ostseepipeline
Im August 2017 wurden dem geplanten Projekt weitere Steine in den Weg gelegt, als US-Präsident Donald Trump ein Sanktionsgesetz unterzeichnet hatte, das Investitionen in und Lieferungen an russische Pipelines unter Strafe stellt. Die deutsche Industrie kritisierte das Gesetz scharf, darunter Wirtschaftsverbände wie der Ost-Ausschuss und die AHK Russland. Auch deutsche Politiker wie Bundeskanzlerin Merkel verurteilten die Erweiterung der Russland-Sanktionen.
Das US-Gesetz hatte bei einem der Investoren, dem französischen Konzern Engie, zu erheblichen Bedenken geführt. Flüssiggas-Spartenchef Pierre Chareyre äußerte Zweifel, ob eine Finanzierung weiterhin sinnvoll sei. Doch wie aus einem jüngsten Bericht der Zeitung Kommersant hervorgeht, wolle das Unternehmen die Pipeline trotz US-Sanktionen fördern. „Wir werden sie auch weiterhin unter allen Bedingungen unterstützen“, so Verwaltungsratspräsident Mestrallet.
Ostexperte.de-Analysen zum Pipeline-Projekt
Beiträge zu den neuen US-Sanktionen:
- US-Sanktionsgesetz: Aus für Nord Stream 2? – Teil 1
- US-Sanktionsgesetz: Aus für Nord Stream 2? – Teil 2
Wissenschaftliche Analysen zu Nord Stream 2:
- Alles, was Sie über Nord Stream 2 wissen müssen – Teil 1
- Alles, was Sie über Nord Stream 2 wissen müssen – Teil 2
US-Perspektive auf die Osteseepipeline: