Tagesübersicht Russlandgeschäft: 07.06.2016

Willkommen zur Tagesübersicht Russlandgeschäft an diesem Dienstag, den 7. Juni 2016. Das sind heute unsere Themen:


Bericht: Krise sorgt für ungesündere Ernährung

Die russischen Verbraucher kaufen vermehrt günstigeres und qualitativ schlechtere Lebensmittel. Die Wirtschaftskrise bringe sie dazu, ihre Essgewohnheiten zu ändern, behauptet ein Bericht der Analytical Credit Rating Agency (ACRA), der am gestrigen Montag veröffentlicht wurde. Der Trend sei aber schon seit 2013 zu beobachten.

Die Kalorienzahl, die vom durchschnittlichen russischen Verbraucher konsumiert werde, bleibe zwar gleich, nur würden nun Gemüse, Früchte und Fisch für Brot, Kartoffeln und Milchprodukte eingetauscht.

„In Zukunft werden sich die Konsumentenpräferenzen vermutlich weiter in Richtung Getreide, Mehl, Butter, saisonales Gemüse und Zucker verschieben“, steht weiter in dem Bericht.

Generell bevorzugten die russischen Kunden nun günstigere Produkte (wie zum Beispiel Kleidung) oder neigten dazu, sie länger zu verwenden (wie etwa Autos und Haushaltsgeräte).

2015 sanken die Reallöhne in Russland um 9,5 Prozent – ein Negativrekord. Der Bericht prognostiziert ein Fallen oder eine Stagnation der Reallöhne bis 2018. Man solle daher auch 2017 keinen Aufschwung auf dem Konsumgütermarkt ähnlich wie 2010 erwarten. In den folgenden Jahren eigneten sich die Russen vielmehr einem „günstigeren“ Lebensstil an.

Das Rating-Unternehmen “ACRA Ratings” besteht aus 27 Anteilseignern, die große russische Unternehmen oder Finanzinstitutionen sind. Zur genauen Methodik des Berichts finden sich keine detaillierten Angaben. Die Bewertungen würden aber in „Übereinstimmungen mit der russischen Gesetzgebung und den Best Practices der globalen Rating Industrie“ durchgeführt.


Prognose: Inflation im Juni bleibt auf Mai-Niveau

Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung erwartet, dass die Inflationsrate in Russland im Juni „etwa auf gleicher Höhe“ wie im Mai bleibt, sagte ein Ministeriumssprecher gegenüber Interfax. Im Mai stiegen die Verbraucherpreise um 0,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Die jährliche Inflation blieb bei 7,3 Prozent.

Hier sei auch auf einen aktuellen Bloomberg-Artikel zur Inflationsthematik hingewiesen. Die Inflationsrate, die Zentralbank-Chefin Nabiullina noch kürzlich als “unakzeptabel” bezeichnete, sehe nun schon deutlich besser aus. So sehr sogar, dass am kommenden Freitag, den 10. Juni eine Senkung des Leitzinses erfolgen könnte.


Schweizer Solarzulieferer Meyer Burger erhält Großauftrag aus Russland

Der Schweizer Solarzulieferer Meyer Burger hat einen Grossauftrag aus Russland erhalten. Das russische Solarunternehmen Hevel hat Systeme für die Produktion von Solarpanels im Wert von rund 22 Millionen Franken (rund 20 Millionen Euro) bestellt, wie Meyer Burger, das seinen Sitz in Thun hat, am Montag mitteilte. Die Lieferung und Inbetriebnahme der Systeme soll in der ersten Jahreshälfte 2017 erfolgen.

Hevel mit Sitz in Moskau wird künftig den heimischen russischen Markt, den Mittleren Osten sowie Indien mit bifacialen Hochleistungsmodulen beliefern. Das sind Solarzellen, die das einfallende Sonnenlicht von zwei Seiten ausnutzen können. Im Geschäftsjahr 2015 verzeichnete Meyer Burger einen Umsatz von 323,6 Millionen Franken (rund 293 Millionen Euro), berichtet die Luzerner Zeitung.


Lesetipp 1: Spannender Gastbeitrag in der „Zeit” von Janka Oertel (Körber Stiftung) zum Verhältnis Russland-Europa-China

Dr. Janka Oertel ist Politikwissenschaftlerin und Sinologin und als Programm-Leiterin im Bereich Internationale Politik der Körber-Stiftung tätig. Für das Wochenmagazin ZEIT hat Sie einen sehr interessanten Gastbeitrag zu einem Thema verfasst, das viele – auch im Russlandgeschäft – derzeit umtreibt: das Dreier-Verhältnis von Europa, Russland und China.

Dazu argumentiert Oertel: Russland wendet sich vermehrt China zu – Außenminister Lawrow sei erst kürzlich dort gewesen, Präsident Putin reise bald hin. Das hab auch damit zu tun, dass die Beziehungen Russlands zu Europa derzeit nicht so gut seien, schreibt sie. China hingegen befindet sich nun in einer ungewohnt unangenehmen Situation zwischen den Stühlen, weil das Land eigentlich mit beiden gut kann und die guten Beziehungen zu Europa zugunsten Russlands auch nicht aufgeben will. Trotz der Vorteile, die diese Kooperation biete. Sowohl China als auch Russland befinden sich in einer wirtschaftlich komplexen Lage mit immensen Strukturproblemen.

Um die Folgen abzumildern oder zu bekämpfen haben beide Länder geo-ökonomische Großstrategien für Eurasien vorgelegt, die faktische miteinander konkurrieren (siehe Seidenstraßen-Initiative). Hier könnten sich die Interessensunterschiede bald zeigen, auch wenn die Beziehung zwischen den Regierungsspitzen in Moskau und Peking harmonischer denn je erscheint. Auf gesellschaftlicher Ebene ist kaum Verständnis und vor allem nur wenig Vertrauen für den jeweiligen Nachbarn vorhanden. China wird sich daher langfristig positionieren müssen.

Für Europa heißt das, dass man ausnahmsweise abwarten könne, weil es für beide zentral ist, schließt Janka Oertel ihren Beitrag.


Lesetipp 2: Kommentar in der NZZ zum Schuldenabbau russischer Unternehmen

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat einen Kommentar zum Schuldenabbau russischer Unternehmen im Zusammenhang mit den Sanktionen verfasst. Er trägt den Titel: „Entschuldung statt Entschuldigung“.

Mit den Sanktionen hätten russische Unternehmen ihre Auslandsverschuldung zunehmend abgebaut, da sie dort keine neuen Kredite aufgebaut hätten. Das Kapital dazu nähmen sie nur zu einem geringen Teil von russischen Banken und zum Großteil aus laufenden Erträgen, die trotz Krise nicht eingebrochen seien – im Gegensatz zu den Lebensstandards der Bevölkerung. Es verrate viel über das “mangelnde Vertrauen in die Heimat, dass die Unternehmen trotz annehmbarer Gewinnlage und sinkender Schuldenlast nicht antizyklisch Geld in die Hand nehmen: Die Anlageinvestitionen sind weiterhin stark rückläufig. So ist der Nutzen für die Firmen noch nicht automatisch ein Nutzen für das Land.”