Tagesübersicht Russlandgeschäft: 19.02.2016

In Russland werden weniger “lebenswichtige Medikamente” produziert und Anti-Krisenplan wird wegen Finanzierungslücken um eine weitere Woche verschoben

An diesem Freitag, den 19. Februar 2016 haben wir in unserer Tagesübersicht Russlandgeschäft folgende Themen für Sie:

Wir sind heute auf der “Russland-Konferenz: Markt. Modernisierung. Mittelstand.” in Berlin und werden von dort für Sie berichten. Wir würden uns freuen, Sie dort zu treffen. Auch der russische Minister für Wirtschaftsentwicklung, Alexej Uljukajew ist zur Konferenz nach Berlin gereist. Es wird also interessant.

Vormittags wird zudem auf einer Pressekonferenz der AHK Russland und des Ost-Ausschusses die aktuelle Geschäftsklima-Umfrage präsentiert.


Russische Firmen produzieren weniger „lebenswichtige und essentielle Medikamente”

Russische Pharmaunternehmen reduzieren in der Wirtschaftskrise die Produktion sogenannter „lebenswichtiger Medikamente“. Das berichtete die russische Wirtschaftszeitung Kommersant am Donnerstag. Dadurch riskiere das Land, ohne leistbare Medikamente dazustehen, heißt es in dem Artikel unter Berufung auf einen Brief des Föderalen Anti-Monopoldiensts (FAS).

Bestimmte Medikamente stehen in Russland auf einer Liste für „lebenswichtige und essentielle Medikamente“ der russischen Regierung. Ihre Preise sind dadurch gedeckelt. So sollen wichtige Arzneimittel für die Bevölkerung bezahlbar bleiben. Für die Medikamenten-Hersteller ist das natürlich ungünstig und die Produktion lohnt sich immer weniger.

Insgesamt würden bereits 197 Medikamente von der Liste, die 50 Rubel oder weniger kosteten nicht mehr produziert, heißt es laut Kommersant in dem Brief, den der FAS der Regierung Ende letzten Jahres sendete. 160 weitere könnten laut FAS möglicherweise folgen.

Trotz der geringen Produktionskosten sei ihre Herstellung unprofitabel geworden. Die Behörde dränge das Kabinett daher, die Preise der günstigsten Medikamente um fünf Rubel zu erhöhen, schreibt die Zeitung.

Ein vorheriger Versuch des Dienstes die Preise der Liste um 30 Prozent zu erhöhen, war vor einem Jahr gescheitert. Die Regierung argumentierte damals, die Größenordnung der Preiserhöhung sei „nicht zu rechtfertigen“.

Pharma-Unternehmen und das Industrieministerium grundsätzlich gegen die Preiskontrollen beziehungsweise forderten eine Preiserhöhung um 80 Prozent.

Im Interview mit Ostexperte.de drückte es Jürgen König, der Generaldirektor von Merck Russia so aus:
“Dass das [die eingefrorenen Preise] natürlich die Margen verschmälert, ist eine Tatsache. Das ist nicht gewollt. Und deswegen sprechen auch schon die verschiedenen Verbände mit der Regierung darüber, wie man dieses Problem lösen kann.”


Eine weitere Woche Aufschub für den Antikrisen-Plan

Russlands Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew (er ist heute auch bei der “Russland-Konferenz: Markt. Modernisierung. Mittelstand” in Berlin) hat um eine weitere Woche Aufschub für die Finalisierung des Antikrisen-Plans gebeten. Er war bereits am 11. Februar um eine Woche verschoben worden. Damals hieß es, es müssten noch einige strittige Punkte ausdiskutiert werden.

Bei der gestrigen Sitzung zeigte sich dann, dass die genau Finanzierung noch immer nicht geklärt ist. Mehr als ein Fünftel der Summe von 880 Milliarden Rubel für Maßnahmen, die die russische Wirtschaft stabilisieren sollen, sei noch ohne Finanzierungsquelle, berichten verschiedene Medien (BloombergKommersant). „Wunschliste ohne Antwort“ titelte etwa gestern die Online-Zeitung Gazeta.ru.

Bis Ende Februar soll der Plan allerdings stehen.


Realeinkommen im Januar um 6,3 Prozent gefallen

Die Realeinkommen der Russen sind im Januar 2016 im Jahresvergleich um 6,3 Prozent gesunken, gab der Statistikdienst Rosstat am Donnerstag in einem Bericht bekannt. Der erneut deutliche Rubelverfall im Januar hat wohl dafür gesorgt, dass die inflationsbereinigten Einkommen wieder deutlicher fielen. Im Dezember waren sie im Vergleich zu 2014 nur leicht um 0,8 Prozent zurückgegangen.


DIHK rechnet mit weiterem Rückgang der Russland-Exporte

Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), rechnet mit einem weiteren Rückgang deutscher Exporte nach Russland. Der Einbruch habe 2015 fast 30 Prozent betragen, teilte er gestern in einer Meldung mit. In diesem Jahr rechne man mit weiteren fünf Prozent.

“Keine Frage: Die politischen Spannungen strahlen auf die Wirtschaft aus”, sagte der DIHK-Außenwirtschaftschef der Nachrichtenagentur Reuters. “Besonders betroffen sind der deutsche Maschinenbau, die KFZ-Industrie und die Ernährungswirtschaft.”

Viele der deutschen Unternehmen vor Ort hätten daher ihre Investitionen zurückgestellt. Die meisten seien aber in Russland geblieben und hätten das auch weiterhin vor. “Dazu ist der russische Markt zu wichtig.”

Provokationen, wie die des russischen Regierungschefs Dmitri Medwedew, der die derzeitige Lage mit einem neuen kalten Krieg verglichen hatte, machten “die Situation nicht einfacher”, kommentierte er. Ungeachtet dessen forderte Treier die Bundesregierung auf, weiter “die Hand ausgestreckt zu halten zum Dialog”. Man solle intensiver miteinander reden, wie die Bedingungen für eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen Russland geschaffen werden könnten. Die Hoffnung darauf habe er noch nicht aufgegeben.

Im Land selbst ergäben sich für die Unternehmen sogar einige Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen des täglichen Geschäfts, sagte Treier. Beispiele seien der Umgang mit den Steuerbehörden und Vereinfachungen bei Betriebsgründungen, Arbeitsmigration oder der Zollabwicklung. Auch wendeten sich russische Unternehmen wieder verstärkt deutschen Geschäftspartnern zu – enttäuscht vom erhofften Asiengeschäft.