Kriege der Nachbarstaaten und Unruhen im eigenen Land: Die Länder Zentralasiens haben Grund zur Sorge und möchten in der Krise näher zusammenrücken. Darum ging es bei dem Gipfeltreffen in Kirgisistan.
Die Staats- und Regierungschefs der fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan trafen sich von Mittwoch bis Donnerstag in der kirgisischen Stadt Cholpon-Ata. Hauptthemen des Gipfeltreffens waren der Krieg in der Ukraine, der Einfluss Russlands sowie wirtschaftliche und politische Kooperationen.
Der Gipfel war das erste Treffen der zentralasiatischen Staaten nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine vor fünf Monaten – das Format fand zum insgesamt vierten Mal statt (erstmals 2018). Beobachter messen dem Treffen eine hohe Bedeutung zu. Während es bei vergangenen Gesprächen vor allem um Kooperationsabsichten gegangen sei, gab es dieses Mal dringenden Gesprächsbedarf: in jedem Staat gab es in den vergangenen zwei Jahren soziale Unruhen, darunter die schweren Anti-Regierungsproteste in Kasachstan im Januar, sowie in Kämpfe in autonomen Regionen Tadschikistans und Usbekistans.
Bei den Gesprächen am gestrigen Donnerstag ging es um die verstärkte Interaktion zwischen den zentralasiatischen Staaten, „um Auswirkungen globaler Turbulenzen zu überwinden“, berichtete die Zeitung Astana Times. Für Zentralasien sei es nun an der Zeit, sein volles Potenzial zu entfesseln, sagte Kasachstans stellvertretender Außenminister Yermukhambet Konuspajew der Astana Times. “Die Staats- und Regierungschefs waren sich einig, dass Zentralasien diese Chance zur Entfaltung des Potenzials unserer Region nur nutzen kann, wenn wir zusammenstehen”, so Konuspajew. “Sie erörterten gemeinsame Anstrengungen in Bereichen wie Verkehr und Mobilität, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Sie konzentrierten sich auch auf die Schritte, die unternommen werden müssen, um die Handelsbeziehungen innerhalb der Region zu fördern.“
Kasachstan ergreift die Initiative
Wirtschaftliche Kooperationen und Investitionsförderungen sollen bei der zukünftigen Zusammenarbeit eine Schlüsselrolle spielen. Kasachstan treibt dies aktiv voran und stellte mehrere Initiativen für die regionale Zusammenarbeit vor: ein “Vertrag über Freundschaft, gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit für die Entwicklung Zentralasiens im 21. Jahrhundert”, ein Mechanismus für regelmäßige Konsultationen der Sekretäre der Sicherheitsräte, und – neben weiteren – auch eine Expertenplattform für die Entwicklung von für beide Seiten annehmbaren Konzepten für die Grenzabgrenzung.
Kasachstans Präsident Qassym-Schomart Tokajew sagte: “Ich glaube, die wichtigste Aufgabe Zentralasiens besteht heute darin, Brücken zwischen den konkurrierenden Polen der globalen Politik und Wirtschaft zu bauen.”
Das Treffen lässt vermuten, dass in Zentralasien eine neue geopolitische sowie wirtschaftliche Ausrichtung angestrebt wird. “Ich denke, die zentralasiatischen Länder erkennen jetzt, dass sie stärker wären, wenn sie zusammenarbeiten würden, insbesondere in ihren Beziehungen zu Russland, China und den Vereinigten Staaten… Ich denke, der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie schwierig es ist, mit Russland zusammenzuarbeiten… Die Länder in der [zentralasiatischen] Region fühlen sich sehr verwundbar”, sagte Jennifer Brick Murtazashvili, Präsidentin der Gesellschaft für Zentraleurasische Studien, dem Rundfunksender Radio Free Europe/Radio Liberty.