Überlebenstipps: Der richtige Umgang mit der russischen Bürokratie

Überlebenstipps: Der richtige Umgang mit der russischen Bürokratie

Die Bürokratie in Russland kann langwierig und undurchdringlich sein und sich mit den öffentlichen Behörden auseinanderzusetzen ist normalerweise eine mühevolle Angelegenheit. Deswegen stellt Russia Beyond Ihnen die wichtigsten Tipps vor. Viel Glück!

Mit „russischer Bürokratie“ ist eine große Anzahl von Organen gemeint – nicht nur die Zentralregierung, sondern auch die Regierungen der Regionen und Funktionäre im Justizbereich und der Polizei. Wussten Sie zum Beispiel, dass jedes Wohnhaus in Russland eine eigene Obrigkeit hat – die Menschen, die die Wohnungen und kommunalen Dienstleistungen verwalten. Wenn also Ihre Spüle oder Toilette kaputt ist, müssen Sie sich mit diesen Leuten in Verbindung setzen. Aber seien Sie gewarnt: Sie werden sich meist quälend genau an die bürokratischen Wege halten.

Im Folgenden wird erklärt, wie Sie mit den strengen Einstellungen gegenüber der Bürokratie, auch „Wächter-Syndrom“ genannt, umgehen.

„Wächter-Syndrom“

Bedauerlicherweise verstehen sich die Beamten in Russland nicht als „Diener der Gesellschaft“, sondern als Meister der Sphären, in denen sie arbeiten. Die Vorstellung stammt aus dem 16. Jahrhundert, als es nur wenige Beamte gab, die jedoch sehr mächtig waren. In jenen Zeiten musste man, um etwas vom Staat zu bekommen, wie beispielsweise Schutz oder Handelsprivilegien, Beamte bestechen, da diese keine festen monatlichen Gehälter hatten und hart schuften mussten (hier finden Sie den Sonderartikel zu der Geschichte von Bestechung in Russland). Aus dieser Zeit kommt der Gedanke, die staatlichen Behörden zu „bitten“, etwas für die Menschen zu tun, als ob es nicht die primäre Funktion des Staates wäre! Ob Sie es mögen oder nicht, die Russen richten sich immer noch danach.

Ein Wächter oder Portier ist natürlich eine Person, die sehr wenig Einfluss besitzt. Deshalb übt er (oder sie) gerne all seine Macht aus, wenn Sie etwas brauchen. Wenn also Ihre Spüle repariert werden muss, kann der Gemeindearbeiter in Ihrem Bezirk Sie nur zum Spaß bis zum Wochenende warten lassen bis der Klempner kommt. Für jemanden, der die russische Sprache nicht spricht, könnte es eine unmögliche Aufgabe sein, die Angelegenheit auf Grundlage von Gesetzen zu diskutieren. Also, um Ihre Angelegenheiten geregelt zu bekommen, seien Sie hartnäckig: Sprechen Sie respektvoll mit den Beamten, erklären Sie wiederholt Ihr Problem und bitten Sie höflich um Hilfe. Schreien Sie niemanden an, streiten Sie sich nicht und drohen Sie nie mit der Polizei. Bedenken Sie, dass jeder russische Bürokrat versucht, die Leute von seinem Büro fernzuhalten. Wenn Sie sich also weigern zu gehen und unhöflich sind, besteht eine große Chance, dass Ihr Problem nicht gelöst wird. Und nein, versuchen Sie bloß nicht, den Beamten zu bestechen – hier ist der Grund.

Nicht bestechen, sondern Berichte schreiben

Derzeit befindet sich Russland im Krieg mit Korruption und Bestechung. Viele ranghohe Beamte, darunter Regierungschefs und Bundesbeamte, werden bezüglich ihres Einkommens untersucht. Vor einigen Jahren wurde ein Gesetz verabschiedet, das es Staatsbeamten verbietet, Geschenke anzunehmen, die teurer sind als 3 000 Rubel (etwa 38 Euro). Inoffiziell verbieten die meisten Regierungschefs und Kommunalbehörden ihren Angestellten Geschenke, geschweige denn Bestechungsgelder, anzunehmen.

Unser Rat ist also: Vergessen Sie Bestechung. Der einzige wirksame Weg, um auf Beamte, die Ihre Probleme nur langsam lösen, Einfluss zu nehmen, besteht darin, Berichte an übergeordnete Regierungsbehörden zu schreiben – und das können Sie auch häufig online tun. Fragen Sie einfach Ihre Freunde vor Ort um Hilfe zu diesem Thema.

Bewahren Sie Ihre Dokumente gut auf

„Ich war beeindruckt von der Menge an Dokumenten, die Sie für Beamte hier in Russland aufbewahren und bereithalten müssen“, sagt Lucia, eine Italienerin, die in Russland lebt und arbeitet. Offensichtlich hat jede russische Person (abgesehen von ihrem Pass) eine persönliche Steuernummer, staatliche Krankenversicherungskarte, Pensionskassenkarte, Arbeitsbuch, Geburtsurkunde und eine Reihe von Dokumenten bezüglich des Eigenheimbesitzes. Wenn jemand ein offizielles Gewerbe betreibt, steigt die Menge der Dokumente natürlich exponentiell.

Die meisten Russen sind sich also bewusst, dass sie Ihre Dokumente geordnet und sicher aufbewahren müssen – niemand möchte sich den Stress antun, seine Karte für die Pensionskasse neu beantragen zu müssen. Stellen Sie also sicher, dass Ihr Reisepass, Ihre Aufenthaltsgenehmigung und andere Dokumente dort aufbewahrt werden, wo Sie sicher sind und nicht verloren gehen können. Und wenn Sie wirklich paranoid sind, machen Sie Kopien dieser Dokumente, laminieren Sie sie und tragen Sie sie mit sich herum, während Sie die Originale zu Hause behalten – viele Russen tun dies mit ihren Reisepässen.

Überprüfen Sie die Öffnungszeiten der Behörden

In jüngster Zeit haben die russischen Staatsdienste begonnen, ihre Dienste online anzubieten – über ein Online-Portal können die meisten Russen ihre Steuern und Gebühren bezahlen. Manchmal müssen Sie jedoch trotzdem noch ins Büro gehen, um beispielsweise Dokumente persönlich zu unterschreiben.

Es ist außerdem wichtig, daran zu denken, dass russische Beamte nicht in den Abend hinein arbeiten – normalerweise enden die Arbeitszeiten gegen 17.00 oder 18.00 Uhr mit einer Unterbrechung für eine Mittagspause, die in der Regel bei jeder Behörde anders liegt.

Um Ihnen also die Zeit und eine lange Warterei zu ersparen, nehmen Sie sich Zeit, um die Arbeitstage und -stunden der betreffenden Ämter zu erfahren. Sie werden jedoch kaum allein sein. Es wird eine Warteschlange geben, die letzte Barriere, die Sie überwinden müssen, bevor Sie dem Beamten gegenüberstehen – und diese Warteschlangen sind ein bisschen anders als die, die Sie außerhalb von Russland gewohnt sind.

„Es ist seltsam, wenn man zum ersten Mal in einer russischen Schlange steht – die Leute hinter einem sind so nah, dass es scheint, als ob sie einem auf den Rücken springen wollen“, bemerkt Peggy, eine Deutsche, die in Moskau lebt. Nun, dahinter steckt eine lange Tradition. Zu Sowjetzeiten, als die Waren knapp waren, lernten die Russen stunden- und manchmal tagelang Schlange zu stehen, um die gewünschten Bücher, Geschirr oder seltene Speisen zu bekommen.


Dieser Beitrag ist zuerst bei Russia Beyond erschienen.


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Quelle: Elnur | Shutterstock.com[/su_spoiler]