Tauwetter zwischen Usbekistan und Tadschikistan

Usbekistan will Dialog in Zentralasien verbessern

Bis zu seinem Tod im September 2016 herrschte Islam Karimow mit eiserner Hand über Usbekistan. Sein Nachfolger Schawkat Mirsijojew überraschte die internationale Gemeinschaft mit Wirtschaftsreformen und Verbesserung der Menschenrechtslage. Taschkent will seine Beziehungen zu einstigen Rivalen in Zentralasien verbessern, ausländische Investoren anlocken und Friedensbemühungen in Afghanistan verstärken.

Usbekistan gilt mit 34 Millionen Einwohnern und einer starken Armee als einflussreicher Staat in Zentralasien. Die politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes nährt Hoffnungen auf einen nachhaltigen Reformprozess, der sich positiv auf regionale Konflikte auswirkt.

Das Land grenzt im Norden und Westen an Kasachstan, im Osten an Kirgisistan, im Südosten an Afghanistan und Tadschikistan sowie im Süden an Turkmenistan.

Vor allem das Bürgerkriegsland Afghanistan sorgt beim usbekischen Präsidenten Mirsijojew für Kopfschmerzen. Aber auch andere zentralasiatische Staaten befürchten regionale Probleme durch IS- und Taliban-Kämpfer. Deshalb organisierte Taschkent Ende März 2018 eine Friedenskonferenz. Anwesend waren Vertreter aus allen Nachbarländern sowie Russland, China, Indien, Pakistan, Iran und Saudi-Arabien. Zudem erschienen Teilnehmer aus den USA, der EU und der NATO. Die radikalislamische Taliban in Afghanistan nahm dagegen nicht teil.

NATO warnt vor zentralasiatischen IS-Kämpfern

Laut US-Geheimdienstangaben sind derzeit über 20 Terrorgruppen in Pakistan und Afghanistan aktiv, viele Kämpfer stammen ursprünglich aus Zentralasien. Die militante Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) operiert im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und erklärte sich 2015 zum örtlichen Ableger der Terrormiliz IS, berichtet The New York Review of Books.

Nach Angaben der NATO kämpfen Hunderte Usbeken und Tadschiken in den krisengeplagten Ländern Syrien, Jemen, Afghanistan und Pakistan. Es bestehe die Gefahr, dass viele von ihnen in die Heimat zurückkehren würden. Sie sollen angeblich Basen in Nordafghanistan errichten und ihre Heimatländer als Rückzugsorte verwenden. Anfang März veröffentlichte der IS ein Propagandavideo, in dem er ein Kalifat in Nordafghanistan ausrief. Ziel der regionalen IS- und Taliban-Kämpfer sei die Stadt Kundus, die sich seit Oktober 2017 unter Kontrolle der afghanischen Regierung befindet. Ein besonders hohes Risiko bestehe laut usbekischen Offiziellen an den Grenzgebieten zu Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.

Schreckensherrschaft unter Islam Karimow

Lange Zeit galt es als unvorstellbar, dass die Ex-Sowjetrepublik Usbekistan die diplomatische Initiative für eine Vermittlerrolle ergreifen würde. Ab der Unabhängigkeitserklärung 1991 bis zu seinem Tod 2016 herrschte Islam Karimow 25 Jahre mit eiserner Hand über das Land. Zu seiner Zeit gab es Berichte über schätzungsweise 10.000 politische Häftlinge, außergerichtliche Tötungen und menschenrechtswidrige Folterungen. Zu den Opfern zählten Islamisten, Journalisten, Blogger und Dissidenten, aber auch Menschenrechtsaktiviten und Unternehmer.

Nach Angaben der FAZ soll der ehemalige Geheimdienstchef Rustam Inojatow für die meisten Gräueltaten verantwortlich sein. Er galt als Strippenzieher im Hintergrund und zweitmächtigster Mann des Landes, doch 2018 wurde er von Mirsijojew entlassen.

Auch die bilateralen Beziehungen zu Nachbarländern wie Tadschikistan standen während der Schreckensherrschaft unter Islam Karimow auf Stillstand. Karimow sowie der tadschikische Präsident Emomalij Rahmon, der seit 1994 im Amt ist, galten als Rivalen.

Mirsijojew nährt Hoffnung auf usbekischen Frühling

Der neue usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew verstärkt seine Bemühungen, die angeschlagenen Beziehungen zu Tadschikistan zu verbessern. Während einer Zentralasien-Konferenz im März 2018 in Duschanbe unterzeichneten beide Seiten eine Vielzahl von Kooperationsvereinbarungen, u. a. in den Bereichen Handel, Investitionen, Landwirtschaft und Sicherheit. Zudem lockerte Taschkent seine Visumbeschränkungen für tadschikische Bürger, die jahrelang Familien auf beiden Seiten voneinander trennten. Darüber hinaus einigten sich beide Länder auf die Beseitigung von tödlichen Landminen am gemeinsamen Grenzübergang.

Doch auch in der usbekischen Innenpolitik weht ein frischer Wind. Mirsijojew hat zahlreiche politische Häftlinge freigelassen, die religiöse Selbstbestimmung gefördert, die Kinderarbeit bei der Wollproduktion beendet und mehr Freiheiten für Journalisten eingeräumt. Investitionen in Öl- und Gasfelder sowie die Legalisierung des Währungsaustausches geben zusätzliche Wirtschaftsimpulse, die auch von der deutschen Wirtschaft honoriert werden.

Der neue Präsident kritisierte korrupte Polizisten sowie das Übergewicht des Geheimdienstes SNB. Dessen Macht sei „unbegründet“ gewachsen, weil „jedes gewöhnliche Thema als Bedrohung der nationalen Sicherheit erachtet wurde“, so Mirsijojew. Er sprach von „systemischen Verletzungen der Rechte normaler Bürger“. Laut Human Rights Watch kommen jedoch neue Fälle hinzu, und es soll in Usbekistan nach wie vor Hunderte politische Gefangene geben.

Deutsche Wirtschaft lobt Entwicklung und warnt vor China

„Usbekistan reformiert sich derzeit mit hohem Tempo, was von den deutschen Unternehmen einhellig positiv gesehen wird. Hier öffnet sich gerade ein chancenreicher Markt mit über 30 Millionen Einwohnern“, erklärte der Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Michael Harms. Taschkent habe Maßnahmen gegen Bürokratie und Korruption ergriffen, das strikte Devisenregime liberalisiert und einen Ombudsmann für Wirtschaft eingeführt, um Investoren anzulocken.

Vor allem Chinas Staatschef Xi Jinping sei am usbekischen Markt interessiert. „Chinesische Staatsunternehmen agieren zunehmend selbstbewusst auf den zentralasiatischen Märkten, angetrieben durch die Seidenstraßen-Initiative der chinesischen Regierung“, sagte Harms. „Weder die europäische Politik, noch die Unternehmen haben hierauf bislang eine adäquate Antwort gefunden. Deutschland und Europa dürfen sich nicht abhängen lassen.“

Atlantic Council: Vor Usbekistan liegt ein langer Weg

Laut der Denkfabrik Atlantic Council liegt vor Usbekistan jedoch ein langer Weg. Zunächst müsse das Land zahlreiche Schwierigkeiten lösen, darunter Grenzkonflikte, Wasser- und Energieknappheit, mangelhafte Infrastruktur und strenge Visumregeln. Im September 2017 traf Mirsijojew den kirgisischen Präsidenten Almasbek Atambajew. Beide Länder vereinbarten Regeln für den gemeinsamen Grenzübergang sowie Kooperationen im Energiebereich.

Zudem reiste der usbekische Staatschef im März 2017 nach Turkmenistan, um Verträge mit regionalen Energieunternehmen zu unterzeichnen. Bei einem Staatsbesuch in Tadschikistan im März 2018 versprach Mirsijojew, das Land mit Gas zu versorgen. Im Gegenzug will die Regierung in Duschanbe Elektrizität für Taschkent bereitstellen. Um einen erfolgreichen Reformprozess durchzuführen, ist Usbekistan zudem auf Unterstützung aus Kasachstan angewiesen.

Risikofaktor Tadschikistan

Während internationale Beobachter in Usbekistan positive Veränderungen wahrnehmen, steht die Zukunft des Nachbarlands Tadschikistan weiterhin in den Sternen. Laut der australischen Denkfabrik Lowy Institute gilt Tadschikistan als eines der repressivsten und isoliertesten Länder der Welt. Zudem würden drei Faktoren die nationale Stabilität bedrohen:

  • Tadschikistans Wirtschaft sei stark abhängig von Rücküberweisungen der in Russland tätigen Gastarbeiter. Doch Ölpreisverfall und Sanktionen hätten in den letzten Jahren offengelegt, wie fragil diese Einkommensquelle sei.
  • Die Armut im Land treibe junge Tadschiken in die Arme von Terroristen.
  • Ein Verbot der als moderat geltenden oppositionellen Partei der islamischen Wiedergeburt habe zu weiterer Radikalisierung geführt.

Tadschikistan war fast 70 Jahre lang Teil der Sowjetunion. Ab 1992 folgte ein bitterer Bürgerkrieg mit je nach Schätzung 20.000 bis 100.000 Opfern, der erst 1997 mit einem Waffenstillstandsabkommen in Moskau beendet wurde. Laut Welt-Zeitung gilt das Land als ärmste ehemalige Sowjetrepublik. Anders als Turkmenistan und Usbekistan verfügt Tadschikistan weder über Öl- noch Gasvorkommen. Rund 90 Prozent des Landes besteht aus Bergen, nur 7 Prozent ist landwirtschaftlich nutzbar. Auch die Industrie gilt als unterentwickelt.

Viele Experten hoffen nun, dass die Entwicklungen in Usbekistan in eine positive Richtung weisen und Impulse in Tadschikistan, Kasachstan, Afghanistan und anderen Ländern setzen.

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