Tagesübersicht Russlandgeschäft: 05.05.2016

Willkommen zur Tagesübersicht Russlandgeschäft am Donnerstag, den 5. Mai 2016. In Deutschland wird heute Christi Himmelfahrt gefeiert, in Russland arbeitet man. Das sind heute unsere Themen für Sie:


Handelsvolumen zwischen Russland und Ukraine in den letzten vier Jahren um fast 100 Milliarden Dollar gesunken

Das Handelsvolumen zwischen der Ukraine und Russland fiel zwischen 2012 und 2015 um insgesamt 98 Milliarden Dollar, schreibt die Nachrichtenagentur Interfax (Ukraine). Das sei hauptsächlich auf die Einführung illegaler und diskriminierender Handelsbeschränkungen (von russischer Seite) zurückzuführen, heißt es in einem Bericht der Ukraine über seine Handelspolitik, den Sie der WTO vorlegte.

Dem Dokument zufolge, das auf der Website des ukrainischen Wirtschaftsministeriums veröffentlicht wurde, sank der Anteil der ukrainischen Exporte nach Russland 2015 von 24,3 Prozent im Vorjahr auf 12,7 Prozent.

Der Export in die EU sei hingegen zwar insgesamt gesunken, aber der Anteil von 22,3 Prozent 2012 auf 34,1 Prozent 2015 gestiegen.


Russland wird für Textil- und Bekleidungshersteller attraktiver

Textilien und Bekleidung werden immer häufiger in Russland produziert, schreibt Germany Trade and Invest in einem ausführlichen Bericht. Aufgrund der starken Rubelabwertung hätten sich die Rahmenbedingungen für die Textil- und Bekleidungsindustrie in Russland komplett geändert. Importe sind durch den schwachen Rubel teurer geworden, die Personalkosten gesunken und die Exportchancen gestiegen. Das führe zu einem Umdenken.

Die Lohnstückkosten in US-Dollar seien unter asiatische Vergleichswerte gesunken (10 bis 15 Prozent geringer als in China). Der Durchschnittslohn einer Arbeiterin in der Nähindustrie betrage in China zurzeit 300 bis 350 US-Dollar, in Russland 12.000 bis 15.000 Rubel (185 bis 230 Dollar).

Der Absatz und die Nachfrage sinke jedoch wegen geringeren Realeinkommen in Russland selbst. Hierzu hat GTAI einen gesonderten Bericht erstellt. Demnach schrumpfte Russlands Bekleidungsmarkt 2015 gegenüber dem Vorjahr um neun Prozent auf ein Volumen von 1,4 Billionen Rubel – in US-Dollar ging der Markt sogar um 43 Prozent zurück. Es gebe eine Verlagerung vom mittleren ins billige Preissegment. Der Online-Handel nehme aber zu.

Die russische Regierung bemüht sich nun, Investoren aus der Modeindustrie anzulocken. Einige Unternehmen hätten bereits Kapazitäten oder Produktionsaufträge nach Russland verlagert. Andere, auch große internationale Ketten, schauten sich derzeit nach Möglichkeiten um. Darunter: Zara, Sela, Baon, Gloria Jeans, Modis, Lamoda, Lady&Gentleman, Känguru und Sneschnaja Korolewa. Das russische Ministerium für Industrie und Handel führt bereits intensive Gespräche mit Zara, H&M, Benetton, Dekatlon, Sportmaster und IKEA (Heimtextilien), um sie von den Vorteilen einer Produktion in Russland zu überzeugen. Künftig will etwa IKEA bis zu 40 Prozent seiner Textilwaren von russischen Unternehmen herstellen lassen.

Die russische Regierung hat bereits Programme auf die Beine gestellt, das die russische Leichtindustrie unterstützen sollen. Zu Beginn des Jahres beschloss sie eine “Strategie für die Entwicklung der Leichtindustrie bis zum Jahr 2025” und ein “Föderales Programm zur Unterstützung der Unternehmen der Leichtindustrie“ (mehr dazu hier, ebenfalls bei GTAI).

Risiken seien bei einer Produktion in Russland aber, dass weiterhin importiert werden muss – etwa Stoffe und Materialien (zu 65 Prozent) und technische Ausrüstung (zu 100 Prozent). Damit bleibe auch das Risiko schwankender Wechselkurse bestehen.


Gazprom bittet Regierung um Ausnahme bei Dividenden-Regelung, um VEB zu unterstützen

Der russische Gasriese Gazprom hat einem Bericht von Bloomberg zufolge die russische Regierung um eine Ausnahme bei der neu eingeführten Dividendenregelung gebeten. Der neuen Regelung zufolge müssen Unternehmen in Besitz des russischen Staates mindestens 50 Prozent ihres Gewinns als Dividende ausschütten. Damit soll der Staatshaushalt aufgebessert werden.

Bloomberg beruft sich dabei auf zwei Insider. Gazprom wolle stattdessen Geld zurücklegen, um der staatlichen Entwicklungsbank, Wneschekonombank (VEB), auszuhelfen, die zuletzt in große finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Die russische Regierung befürworte die Anfrage, heißt es von einer der beiden Bloomberg-Quellen.

Gazprom könnte mit den Rücklagen die eigenen Anteile von der VEB zurückkaufen. Der Rückkauf von 2,7 Prozent der Gazprom-Anteile war vergangenen Monat im Hinblick auf einen VEB-Rettungsplan ins Gespräch gebracht worden.

Der Markt reagierte auf die gestrige Meldung enttäuscht. Gazprom-Aktien fielen nach diesen Neuigkeiten um 6,1 Prozent auf 158,25 Rubel.


Lesetipp: Kommentar zum Besuch deutscher Top-Manager bei Putin

Der OWC-Verlag hat einen interessanten Kommentar zum Treffen deutscher Top-Manager mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vergangenen Monat verfasst (Ostexperte berichtete über das Treffen). Darin heißt es: “Es gibt für die deutsche Wirtschaft keinen Grund, sich für ihr Geschäft in Russland zu rechtfertigen. Im Gegenteil!”

Im Folgenden wird im Kommentar anhand der Beispiele der Teilnehmer des Treffens mit Putin (In Form der Unternehmen Linde, Knauf, Claas, Metro AG, Merck, STEAG, Herrenknecht, Bauer Kompressoren und HeidelbergCement) dargestellt, wie deutsche Unternehmen schon jetzt die Möglichkeiten des attraktiven russischen Markts nutzen.

Angesichts der in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage zur gegenseitigen Sicht auf das deutsch-russische Verhältnis sei jegliche Zurückhaltung deutscher Unternehmen im Bezug auf Russland “irgendwie schräg”.

Ein sehr lesenswerter Rundumschlag der OWC-Chefredakteurin Jutta Falkner.