Zum SPIEF: Konjunktur in Russland im Frühjahr 2017

Konjunktur in Russland im Frühjahr 2017

Vom ersten bis dritten Juni wird sich Russlands wirtschaftspolitische Elite beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg (SPIEF) wieder dem internationalen Publikum präsentieren.

Hochrangige ausländische Teilnehmer werden erwartet. Aus Deutschland hat sich Bayerns Ministerpräsident Seehofer angekündigt (der im März bereits in Moskau mit Präsident Putin zusammengetroffen ist).

Themen der Diskussionen und Vorträge beim SPIEF sind Fragen der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die russische Regierung nutzt das Forum aber natürlich vor allem, um ihre Sicht der Entwicklung der russischen Wirtschaft den ausländischen Gästen aus Wirtschaft und Politik zu vermitteln.

Wie entwickelt sich die russische Konjunktur nach zwei Jahren Rezession? Wie werden die Wachstumsperspektiven eingeschätzt?

Wende zum Wachstum geschafft – aber erst nach 2 Jahren Rezession

Für Russlands Konjunktur ist die Ölpreisentwicklung weiterhin von herausragender Bedeutung. Der sehr starke Rückgang der Ölpreise – sie sanken von Mitte 2014 bis zum ersten Quartal 2016 um rund 70 Prozent von rund 110 Dollar/Barrel auf knapp 30 Dollar/Barrel – brachte zunächst vor allem den Rubel unter starken Abwertungsdruck.

Mit dem Kursverfall verteuerten sich die Einfuhren drastisch, die Verbraucherpreise in Russland stiegen im Jahresdurchschnitt 2015 um 15,5 Prozent und 2016 um 7,1 Prozent. Die Einkommen hielten mit den galoppierenden Preisen bei weitem nicht Schritt. Russlands Bürger mussten ihren Verbrauch schmerzhaft einschränken.

Nach Abzug der Inflationsrate sank der private Verbrauch 2015 um 9,8 Prozent und 2016 um weitere 4,5 Prozent. Eine Rezession war auch angesichts der stark sinkenden Ausfuhrerlöse und Staatseinnahmen aus dem Energiesektor unvermeidbar. 2015 schrumpfte die gesamtwirtschaftliche Produktion um 2,8 Prozent. Die Wirtschaftsleistung fiel auf ein Niveau zurück, das bereits vor der weltweiten Finanzkrise vor 8 Jahren erreicht worden ist.

Vnesheconombank-Index des realen Bruttoinlandsprodukts (saison- und kalenderbereinigt)

Januar 1999 = 100

Vnesheconombank-Index des realen Bruttoinlandsprodukts (saison- und kalenderbereinigt)
Quelle: VneshEconomBank VEB: Russia’s GDP – VEB Index; Monatsbericht April; 25.05.2017

Langsame Erholung hat 2016 begonnen

Die Ölpreise zogen im Jahresverlauf 2016 zwar zeitweilig auf über 50 Dollar/Barrel an und pendeln jetzt um diese Marke. Im Jahresdurchschnitt 2016 war der Urals-Preis mit rund 42 Dollar/Barrel aber noch fast ein Fünftel niedriger als im Vorjahr.

Die Konjunkturerholung ließ auf sich warten. Im Verlauf des Jahres 2016 stagnierte das Bruttoinlandsprodukt nach den Berechnungen der VEB saison- und kalenderbereinigt mit kleinen Schwankungen auf dem Ende 2015 erreichten gedrückten Niveau. Erst im letzten Quartal 2016 wies das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben der Statistikbehörde Rosstat im Vergleich zum Vorjahresquartal wieder ein schwaches Wachstum auf (+ 0,3 Prozent).

Im Jahresdurchschnitt 2016 war die Produktion noch etwas niedriger als 2015 (- 0,2 Prozent). Die positiven Wachstumsbeiträge vom Nettoexport und dem Lageraufbau waren nicht hoch genug die negativen Beiträge des weiter schrumpfenden Verbrauchs der privaten und öffentlichen Haushalte und der Investitionen ganz auszugleichen.

Reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Prozent (schwarze Linie) und Wachstumsbeiträge der Verwendungsbereiche in Prozentpunkten

Reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Prozent (schwarze Linie) und Wachstumsbeiträge der Verwendungsbereiche in Prozentpunkten
Quelle: Weltbank: Macro Poverty Outlook Russia; April 2017

Wie hat sich die Konjunktur seit Jahresanfang 2017 entwickelt?

Im ersten Quartal 2017 beschleunigte sich das Wirtschaftswachstum im Vorjahresvergleich nach ersten Rosstat-Schätzungen auf 0,5 Prozent.

Für die Anlageinvestitionen, die in den beiden Rezessionsjahren um fast 12 Prozent zurückfielen, schätzt Rosstat den Anstieg zwar auf 2,3 Prozent. Andererseits liegt die Bauproduktion, für die bereits Daten für die ersten vier Monate ermittelt wurden, immer noch 3,1 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Weiter niedriger als vor einem Jahr ist auch der reale Einzelhandelsumsatz. Er ist in der Rezession bereits um rund 15 Prozent zurückgegangen. Bei gut 2 Prozent niedrigeren real verfügbaren Einkommen sank der Einzelhandelsumsatz im Zeitraum Januar bis April im Vorjahresvergleich um 1,4 Prozent.

Wirtschaftsdaten für Russland im Mai 2017

(laut Rosstat)
 Veränderung 2015 zu 2014 (in Prozent)Veränderung 2016 zu 2015 (in Prozent)Jan.- April 2017/ Jan.-April 2016 (in Prozent)
BIP-2,8-0,2+0,5 (Jan.-März)
Anlageinvestitionen
-9,9-1,8+2,3 (Jan.-März)
Industrieproduktion-0,8+1,3+0,7
Bauproduktion-4,8-4,3-3,1
Realeinkommen-3,2-5,9-2.2
Reallöhne-9,0+0,7+2,4
Einzelhandelsumsatz-10-4,6-1,4

Quellen: Rosstat: Sozio-ökonomische Lage in Russland, 22.05.2017; Rosstat: Bruttoinlandsprodukt nach Verwendungsbereichen 2012 bis 2016; 31.03.2017

Wie werden die Wachstumsperspektiven eingeschätzt?

Auch angesichts der für die ersten vier Monate veröffentlichten Daten meinte Wirtschaftsminister Oreschkin in der letzten Woche gegenüber der Presse, er bleibe für 2017 bei seiner Wachstumsprognose von 2 Prozent, die Anfang April im Basisszenario des Wirtschaftsministeriums veröffentlicht wurde.

Die jüngsten Wachstumsprognosen internationaler Wirtschaftsorganisationen gehen hingegen für 2017 von einer spürbar schwächeren Erholung um 1,2 Prozent (EU-Kommission) bis 1,5 Prozent (UN) aus. Auch Sberbank-Chef Gref meinte in einem Interview in dieser Woche, es sei nur ein Wachstum von 1,5 Prozent zu erwarten. Die VEB rechnet in ihrem Anfang Mai aktualisierten Basisszenario sogar nur mit 0,8 Prozent.

Die Weltbank, deren Prognose mit 1,3 Prozent auch dem Median bei Analysten-Umfragen entspricht, unterstreicht in ihrem in der letzten Woche veröffentlichten „Russia Economic Report“, wie wichtig die Ölpreisentwicklung für das Wachstum der russischen Wirtschaft bleibt. Ihrer Wachstumsprognose von 1,3 Prozent hat die Weltbank die Annahme zugrunde gelegt, dass der Urals-Ölpreis im Jahresdurchschnitt 2017 auf 53,8 Dollar/Barrel steigt.

Als Ergebnis ihrer Modellrechnungen ergab sich: Bei einem 15 Prozent höheren Ölpreis würde das Wachstum 2017 um 0,3 Prozentpunkte stärker sein und 1,6 Prozent erreichen. Bei einem 15 Prozent niedrigeren Ölpreis würde die russische Wirtschaft hingegen nur um 1 Prozent wachsen.

Wachstumsprognosen 2017 bis 2019 im Vergleich

Schätzung des Bruttoinlandsprodukts, real gegenüber dem Vorjahr, angegeben in Prozent (Stand: 31. Mai 2017).
InstitutDatum201720182019
Commerzbank, Frankfurt2017/05/261,32,0
Berenberg Bank, Hamburg2017/05/261,32,1
Raiffeisen Bank International, Wien2017/05/261,01,5
Eurasian Development Bank (EDB)2017/05/241,11,41,6
World Bank (Russia Economic Report)2017/05/231,3
(Urals 53,8 $/b)
1,4
(Urals 58,7 $/b)
1,4
(Urals 60,2 $/b)
Moody's2017/05/231,51,5
Factosphere.com-Poll: Weekly Median2017/05/221,31,5
Poll of the Centre of Development of Higher School of Economics2017/05/191,1
(Urals 51 $/b)
1,5
(Urals 54 $/b)
1,7
(Urals 56 $/b)
Economist Intelligence Unit, London2017/05/181,81,51,6
Institute of National Economic Forecasting (RAS); inertial scenario2017/05/171,5
(Brent 53 $/b)
1,6
(Brent 55 $/b)
2,4
(Brent 57 $/b)
UN; DESA: WESP2017/05/161,51,5
Centre of Development Higher School of Economics; Mid-term forecast2017/05/151,4
(Urals 50 $/b)
0,9
(Urals 50 $/b)
1,5
(Urals 50 $/b)
Deka Bank, Frankfurt2017/05/111,21,4
Deutsche Bank, London2017/05/111,62,0
EU-Kommission, Brüssel2017/05/111,21,4
EBRD, London2017/05/101,21,4
FocusEconomics Consensus Poll2017/05/091,31,7
Economist Poll2017/05/061,41,8
VneshEconomBank VEB;
Basisszenario
2017/05/040,8
(51 $/b)
1,7
(51 $/b)
1,9
(55 $/b)
BNP Paribas, Paris2017/04/271,81,4
IWF2017/04/181,41,41,5
(2019-2022)
Gaidar Institut; Wachstum im
Szenario „stabiler Rubel“
bei steigendem Ölpreis
2017/04/171,2
(59,2 Rbl/$)
(50 $/b)
1,8
(57,7 Rbl/$)
(60 $/b)
Gaidar Institut; Wachstum im
Szenario „Rubel-Abwertung“
bei steigendem Ölpreis
2017/04/171,4
(64,8 Rbl/$)
(50 $/b)
1,5
(70 Rbl/$)
(60 $/b)
„Gemeinschaftsdiagnose“ dt. Institute2017/04/131,31,5
Center Strategic Research (Kudrin); Szenario „keine Reformen“2017/04/111,71,81,9
Center Strategic Research (Kudrin); Ziel-Szenario „Reformen“2017/04/111,72,73,0
Wirtschaftsministerium; Wachstum im Basisszenario:
Rubel-Abwertung bei real stagnierendem Ölpreis (40 $/b)
2017/04/062,0
(64,2 Rbl/$) (45,6 $/b)
1,5
(69,8 Rbl/$
(40,8 $/b)
1,5
(71,2 Rbl/$
(41,6 $/b)
Wirtschaftsministerium; Wachstum im Ziel-Szenario:
Rubel-Abwertung bei real stagnierendem Ölpreis (40 $/b)
2017/04/062,0
(64,2 Rbl/$)
(45,6 $/b)
1,7
(69,6 Rbl/$)
(40,8 $/b)
2,5
(70,7 Rbl/$
(41,6 $/b)
Russische
Zentralbank
, Basis-Szenario
2017/03/241,0 bis 1,5
(50 $/b)
1,0 bis 1,5
(40 $/b)
1,5 bis 2,0
(40 $/b)

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Quellen und Lesetipps zur Konjunktur in Russland

Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]Sankt Petersburg. Gefunden bei Pixabay.com (fitzgeraldbc)