Russische Wirtschaft: Ausfuhrerlöse und Staatseinnahmen kräftig gestiegen

Die Erholung von Produktion und Rohstoffpreisen zeigt Wirkung

Russlands Wirtschaft hat den Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten im Lockdown im Frühjahr 2020 inzwischen aufgeholt. Auch das Forschungsinstitut der finnischen Zentralbank, BOFIT, kommt in seinem Wochenbericht „BOFIT Weekly“ vom Freitag zu diesem Schluss. Es schätzt, dass Russlands gesamtwirtschaftliche Produktion im zweiten Quartal 2021 rund ein Prozent höher war als im vierten Quartal 2019. Außerdem analysiert: wie sich der russische Außenhandel und der staatliche Gesamthaushalt in der Corona-Krise entwickelt haben.

Der schnelle Anstieg der Preise für Erdöl, Erdgas und andere Rohstoffe begünstigte die rasche Erholung der russischen Wirtschaft. Die im zweiten Quartal rund zwei Drittel höheren Ausfuhrerlöse und der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion ließen auch die öffentlichen Einnahmen kräftig steigen. Im staatlichen Gesamthaushalt waren sie nominal im zweiten Quartal rund ein Drittel höher als vor einem Jahr und rund 17 Prozent höher als vor zwei Jahren.

Die Rohölpreise erreichten schnell wieder ihr „Vorkrisenniveau“

Im Frühjahr 2020 waren vor allem die Ölpreise tief eingebrochen. Wie die dunkelblaue Linie in der folgenden Abbildung aus einer Helaba-Analyse zeigt, lag der Brent-Preis im April 2020 kurzzeitig sogar unter 20 US-Dollar je Barrel (linke Skala, invertiert). Inzwischen erholte er sich bis Ende Juni auf rund 75 Dollar und lag am 20. August bei rund 65 Dollar (siehe auch Trading Economics-Brent-Chart).

Helaba; Patrick Heinisch, Christian Apelt: Im Fokus: Russland; 12.08.2021

Der Rubelkurs erholte sich aber viel schwächer als der Ölpreis

Zu den Auswirkungen der Ölpreiserholung auf den Rubelkurs meint Helaba-Analyst Christian Apelt in der Studie „Im Fokus: Russland“:

„Der Russische Rubel erwies sich im bisherigen Jahresverlauf als eine der stärksten Währungen aus den Schwellenländern. Gegenüber dem US-Dollar verzeichnete der Rubel zwar nur ein marginales Plus, aber gegenüber dem Euro wertete er rund 5 % auf. Die Währung konnte sich einmal mehr auf ihren größten Freund verlassen, den Rohölpreis. Der Rohstoff verteuerte sich 2021 um bis zu 50 %, auch wenn die Notierungen zuletzt wieder etwas nachließen. Höhere Energiepreise stützen in Russland den Staatshaushalt und verbessern die Leistungsbilanz, die solide Überschüsse aufweist. Gemessen am Rohölpreis hat die Rubelentwicklung sogar enttäuscht. Die Währung leidet dann doch unter der vergleichsweise mäßigen Konjunkturerholung und der höheren Inflation.“

Während der Brent-Ölpreis längst wieder den Rückgang seit Ende 2019 aufgeholt hat, hat der Rubel-Kurs nur einen kleinen Teil seiner Abwertung seit Ende 2019 wettgemacht (siehe auch Trading Economics-Chart).

Russlands Warenexporterlöse stiegen im zweiten Quartal um fast zwei Drittel

Der schnelle Anstieg der Ölpreise, der von einer Verteuerung von Erdgas und weiterer Rohstoffe begleitet war, trug zum starken Wachstum der Exporterlöse Russlands seit Mitte 2020 erheblich bei. Der Wert der russischen Ölexporte war laut „Trading Economics“ im zweiten Quartal 2021 mit 24,5 Milliarden US-Dollar um rund 11 Milliarden US-Dollar höher als im zweiten Quartal 2020.

Der Wert der gesamten russischen Warenausfuhren war im zweiten Quartal 2021 laut Zentralbank-Angaben vom 11. August 64 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Gleichzeitig wuchs der Wert der Wareneinfuhren deutlich weniger um rund 42 Prozent. Russlands Handelsbilanzüberschuss nahm im zweiten Quartal 2021 im Vorjahresvergleich um rund 35 Prozent zu.

Wie die blaue Linie in der folgenden BOFIT-Abbildung zeigt, waren Russlands Warenexporterlöse in US-Dollar im Juni 2021 gut doppelt so hoch wie im Mai 2020 (siehe auch Trading Economics Chart). Die Warenimporte sind gleichzeitig viel schwächer gestiegen.

Higher world commodity prices have significantly boosted

the value of Russian goods exports over the past year

BOFIT: Russian exports take off with recovery in global demand for raw materials; 20.08.2021

Exporterlöse und Handelsbilanzüberschuss hängen stark vom Ölpreis ab

Auf der Basis erster Schätzungen der Zentralbank von Mitte Juli veröffentlichte das Gaidar-Institut zur Entwicklung des Handelsbilanzüberschusses folgende Abbildung. Sie zeigt, wie stark der Ölpreis die Höhe des Handelsbilanzüberschusses bestimmt.

Entwicklung von Ölpreis und Handelsbilanzüberschuss

Gaidar Institute: Balance of payments in the second quarter of 2021; 26.07.2021

Der Überschuss in der Handelsbilanz (blaue Säulen, linke Skala) hat sich im zweiten Quartal 2021 angesichts der Erholung der Ölpreise mit 34,0 Milliarden US-Dollar gegenüber dem zweiten Quartal 2020 (16,7 Milliarden US-Dollar) gut verdoppelt. Die Warenexporterlöse stiegen dabei um rund 56 Prozent, die Ausgaben für Wareneinfuhren um rund 42 Prozent (siehe folgenden Ausschnitt aus einer Tabelle der russischen Zentralbank zur Entwicklung der Zahlungsbilanz).

Russlands Leistungsbilanzentwicklung seit Anfang 2020

Zentralbank: “Balance of payments of the Russian Federation”, 23.07.2021; russisch,15.07.2021

Exporterlöse wieder so hoch wie vor der Krise

Wie die folgende Abbildung aus dem vierteljährlichen Bericht der Zentralbank zur Entwicklung der Zahlungsbilanz zeigt, waren die Erlöse aus dem Warenexport (braune Säulen, linke Skala) nach ersten Schätzungen mit rund 110 Milliarden US-Dollar wieder etwa so hoch wie vor der Corona-Krise im vierten Quartal 2019. Die grünen Säulenabschnitte zeigen die Dienstleistungsexporte in Milliarden Dollar (linke Skala).

Die Summe der Erlöse aus dem Export von Waren- und Dienstleistungen war im zweiten Quartal 2021 gut 50 Prozent höher als im „Lockdown“ im zweiten Quartal 2020 (blaue Linie, rechte Skala). Der Urals-Ölpreis stieg gleichzeitig um rund 130 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal 2020 (schwarze Linie, rechte Skala).

Ausfuhr von Waren und Dienstleistungen und der Urals-Ölpreis

Zentralbank: “Balance of payments of the Russian Federation”, S.5; 23.07.21; russisch,15.07. 21

Der Leistungsbilanzüberschuss erholte sich vom Tief im Frühjahr 2020

Der Überschuss in der russischen Leistungsbilanz („current account“), der vor einem Jahr im zweiten Quartal 2020 auf nur noch 1,6 Milliarden US-Dollar gesunken war, erreichte im zweiten Quartal 2021 fast 20 Milliarden US-Dollar (blaue Säulen). Die rote Linie in der folgenden Abbildung zeigt, dass der Leistungsbilanzüberschuss (Summe der jeweils 4 letzten Quartale) in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Verlauf des Jahres 2020 unter 3 Prozent des BIP gesunken ist.

Vierteljährlicher Leistungsbilanzüberschuss in Milliarden US-Dollar

Zentralbank: “Balance of payments of the Russian Federation”, 23.07.2021; russisch,15.07.2021

CBR-Prognose: 2021 verdoppelt sich der Leistungsbilanzüberschuss reichlich

Im gesamten Jahr 2020 verringerte sich der Leistungsbilanzüberschuss auf nur noch 36 Milliarden Dollar. Die Zentralbank erwartet in ihrer mittelfirstigen Prognose vom Juli 2021, dass er sich im Jahr 2021 mehr als verdoppelt und auf 88 Milliarden Dollar steigt.

Prognosen der Zentralbank zur Entwicklung der Leiatunsbilanz

Zentralbank: „Russia’s Economic Outlook and Monetary Policy“; S. 21 30.07.2021

Die Staatseinnahmen sind nominal und real deutlich gestiegen

Die rasant wachsenden Ausfuhrerlöse und der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion trugen zu einem kräftigen Anstieg der öffentlichen Einnahmen bei. Im staatlichen Gesamthaushalt waren die Einnahmen nominal laut BOFIT im zweiten Quartal rund ein Drittel höher als vor einem Jahr und rund 17 Prozent höher als vor zwei Jahren.

Auch real sind die öffentlichen Einnahmen (blaue Linie in der folgenden Abbildung) in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Zuletzt war die Summe der Einnahmen in den letzten drei Monaten rund 20 Prozent höher als vor einem Jahr. Die realen Ausgaben sanken in der Summe der letzten drei Monate hingegen im Vorjahresvergleich zuletzt um fast 5 Prozent.

Staatlicher Gesamthaushalt:

Starker Anstieg der realen Einnahmen in den letzten Monaten bei schwachem Rückgang der realen Ausgaben (Veränderung der Summe der jeweils letzten drei Monate gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent)

BOFIT, Bank of Finland: Russian government budget revenues rise, spending growth slows and budget deficit shrinks; BOFIT Weekly, 20.08.2021

Der schnelle Anstieg der Einnahmen hat in Kombination mit dem Rückgang der Ausgaben laut BOFIT in den letzten Monaten zu merklichen Überschüssen im staatlichen Gesamthaushalt geführt. Im Juni ergab sich für die letzten 12 Monate nur noch ein Haushaltsdefizit von unter 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im März hatte das Haushaltsdefizit in den letzten 12 Monaten noch fast 4 Prozent des BIP betragen. Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland von Klaus Dormann:

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Titelbild
Containerhafen in Wladiwostok. Quelle: Alexander Khitrov I Shutterstock.com