Morgenkommentar am 30. Mai 2017

Jedem anderen europäischen Staatschef, der den russischen Präsidenten dieser Tage mit höchsten Ehren empfangen hätte, wäre der geballte Zorn der deutschen Medien sicher gewesen. Was erlaubt der sich! Nicht so dem Franzosen Emmanuel Macron, den die Journaille präsentiert, als agiere er im Auftrag Ihrer Majestät, der Kanzlerin.

Ein neuer Strohhalm – die wiederentdeckte Achse Berlin-Paris – schwimmt im aufgewühlten europäischen Meer, und händeringend greifen alle danach. Endlich Licht am Ende des Tunnels. Aufatmen. Alles bleibt, wie es ist.

Dabei versteht man allenfalls in Russland, mit welcher Verve der junge französische Präsident zu Werke geht, die Außenpolitik aus dem Käfig der Moral zu befreien. Selbstbewusst stellt Macron sie wieder unter den Primat des Staates und seiner Interessen – da, wo sie hingehört und wo sie wie dereinst huldvoll zu dienen hat.

Der fulminante Staatsakt in Versailles wie auch Macrons Händedruck mit Donald Trump demonstrieren erst einmal Distanz und Ebenbürtigkeit. Im Schloss des Sonnenkönigs gibt es keine Intimität. Der Verdacht unzulässiger Fraternisierung entsteht erst gar nicht, und dennoch kommen die Staatsgeschäfte in Gang. Was der frühere Bundespräsident Joachim Gauck in fünf Jahren kein einziges Mal geschafft hat, nämlich Wladimir Putin auch nur die Hand zu schütteln – geschweige denn, ihn in sein vergleichsweise erbärmliches Schloss Bellevue einzuladen -, vollbringt der Franzose am 17. Tag seiner Präsidentschaft.

Und es geht nicht nur ums Händeschütteln. Ab dem heutigen Tag steht Paris im Fokus der russischen Politik. Ein “Forum Trianon” soll gegründet werden, wohlgemerkt nach dem Vorbild des Deutsch-Russischen Forums. Desselben Forums, dessen Protagonisten von der eigenen Presse jahrein, jahraus wegen angeblicher Putinversteherschaft zur Minna gemacht werden. Na bravo. Wer will den Franzosen verübeln, dass sie in die Bresche springen? In Russland sagt man sich: Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Oh là là.

Während die deutsche Politik kleinbürgerliche Prinzipien reitet – “Man spielt nicht mit den Schmuddelkindern” -, fährt Macron Heu in die Scheuer. Jetzt kann man natürlich so tun, als sei das eine gemeinsame europäische Errungenschaft. Macron wird klug genug sein, die Deutschen in dem Glauben zu belassen.