Ein ganz besonderer Weihnachtsbaum – Weihnachten in Montenegro

Weihnachten steht vor der Tür und für viele Menschen heißt das: alte Rituale und Traditionen aufleben lassen. Auch in Montenegro feiert die Mehrheit ein Weihnachtsfest – mit einem ganz besonderen Brauch.

Wenn wir an Weihnachten denken, dann denken wir meistens zuerst an den Weihnachtsmann oder das Christkind, an die Geschenke und natürlich an den Weihnachtsbaum. Und der Weihnachtsbaum ist eine Tanne oder wenigstens ein anderer Nadelbaum, der wie eine Tanne aussieht und dann von uns mit Weihnachtsdekoration behängt wird. Ist doch klar. Oder?

In Montenegro ist der traditionelle Weihnachtsbaum nadellos: es ist eine junge Eiche und damit verbunden ist ein uralter Volksbrauch und ein Ritual, welches ich hier in Montenegro zum ersten Mal im Leben gesehen habe.

Der orthodoxe erste Weihnachtsfeiertag ist der 7. Januar. Zwei Tage vor diesem Tag, am 5. Januar, wird ein Tier für das anstehende Festessen geschlachtet. In den montenegrinischen Bergen ist es oft ein Schwein, ein Lamm, ein Truthahn oder eine Gans. Für viele orthodoxe Christen endet damit eine Fastenzeit von 40 Tagen, das orthodoxe Weihnachtsfasten. Während dieser Zeil sollen die Gläubigen auf Käse, Fett, Fleisch und Milch verzichten. Natürlich halten nicht alle dieses Fasten. Es ist in der Realität eher eine gut gemeinte Empfehlung.

Es sind meistens die Frauen, die über die kulinarische und häusliche Vorbereitung des Weihnachtsfestes wachen. Die Organisation des Weihnachtsbaumes ist Sache der Männer.

Auf zum Baum

Los geht es am frühen Morgen des 6. Januar in den Bergen. Eine kleine idyllisch im Gebirge gelegene Ortschaft. Aus den Schornsteinen steigt Rauch in die klare eiskalte Winterluft. Ringsherum Berge, viel Wald und Schnee. Ein Mann mit einer kleinen Tüte in der Hand und einer großen Axt über der Schulter stapft durch den verschneiten Wald. In der Tüte hat der Mann Brot und Wein und die Axt führt er mit, um für seine Familie den „Badnjak“ zu schlagen – den hier traditionellen Weihnachtsbaum. Er pflegt damit einen uralten Volksbrauch.

Der gesuchte Weihnachtsbaum ist kein Nadelgewächs und der gesuchte Baum wird auch nicht einfach so umgehauen und mitgenommen. Bevor der Badnjak aus dem Wald mitgenommen werden kann, muss erst ein uraltes Opferritual vollzogen werden.

Der Mann bleibt vor einem kleinen Baum stehen. Es ist keine Tanne. Es gibt kein uns vertrautes typisches Weihnachtsgrün. Es ist vielmehr ein Busch mit braunen Blättern. Es ist eine junge Eiche. Auf montenegrinisch sagt man dazu „hrast“. Aber dieser Baum hat an Weihnachten einen anderen Namen. Zu dieser Jahreszeit nennt man ihn den „Badnjak“ und der 6. Januar, der heilige Abend, heißt in Montenegro „Badnij Dan“. Benannt eben nach diesem Baum.

Der Baum ist ganz jung, und eigentlich eher ein Busch. Der Mann nimmt seine Axt und schlägt einen guten großen Zweig ab. Er legt ihn beiseite. Jetzt nimmt er aus seiner Tüte das Brot und den Wein. An die Stelle, wo er den Zweig abgeschlagen hat, legt er ein Stück Brot und dazu etwas Kleingeld aus seiner Hosentasche. Den Wein gießt er in Form eines Kreuzes über diese Stelle, über das darauf geopferte Brot und Geld.

Das Ganze geschieht fast feierlich. Der Mann bekreuzigt sich und nimmt einen Bissen vom Brot und einen großen Schluck aus der Weinflasche. Nach einer kurzen Andacht nimmt der Mann seine Sachen und trägt den Zweig aus dem Wald. Unterwegs trifft er andere, die auch im Wald unterwegs sind. Einige haben eine Axt oder ein Beil dabei. Andere tragen große und kleine Eichenzweige. Alle wünschen sich einen „Srećan Badnji Dan“. Das bedeutet wörtlich übersetzt einen „glücklichen Weihnachtsbaum-Tag“.

Badnjak-Sträuche, gut versteckt unter dem Neuschnee in den Bergen um Kolašin.

Wer mit dem Auto aus dem Wald nach Hause fährt, bindet den Eichenbusch vorne an die Stoßstange des Autos. Alle Autos, die auch mit einem Eichenbusch entgegenkommen, hupen zum Gruß. Zu Hause angekommen wird der Eichenbusch in eine Ecke gestellt und schon am selben Abend oder am nächsten Tag verbrannt. Das geschieht meist im heimischen Ofen – oder nach dem Gottesdienst vor der Kirche.

Weil es eigentlich etwas schade ist, den frisch geschlagenen Badnjak  gleich schon wieder zu verbrennen, gibt es ein kleines Detail dieses Brauchs. Gleich wenn man den frischen Eichenzweig schlägt, steckt man sich ein ganz kleines Stück davon in die Hosentasche. Zu Hause steckt man dieses Stück in ein Glas Wasser. Man braucht schon viel Glück, damit daraus wieder ein neuer Busch wächst – auf jeden Fall aber ist es ein schöner Weihnachtsbrauch.

Montenegrinische Weihnachtstipps

Wer die Weihnachtszeit in Montenegro verbringt, dem seien noch folgende Tipps ans Herz gelegt.

Frohe Weihnachten wünscht man sich zum Beispiel so:

Der klassische orthodoxe Weihnachtsgruß lautet: „Hristos se rodi!“ Das bedeutet: Christus ist geboren! Darauf antwortet man dann:

„Vainstvenu se rodi!“ Das bedeutet: Er ist wahrhaftig geboren!

Man kann aber auch sagen:

Srecan Božič! – Frohe Weihnachten! Oder: Screćan Badnji Dan! – Froher Tag des (Weihnachts)Baums!

Der alte Volksbrauch des Badnjak wird bei weitem nicht von allen Montenegrinern in der beschriebenen Form begangen. Von Gegend zu Gegend und von Familie zu Familie gibt es Unterschiede. Für den Fall, dass man den Baum nicht selbst aus dem Wald holen will, kann man auch an vielen Orten – etwa in Kirchen und Geschäften – kleine Eichenzweige kaufen.

Neben orthodoxen Christen leben in Montenegro auch viele katholische Christen und Muslime. Die Katholiken feiern am 24., 25. und 26. Dezember Weihnachten und können diese Tage optional als arbeitsfreie Tage wählen. Die muslimische Bevölkerung feiert kein traditionelles Weihnachtsfest. Sie hat dafür andere Feiertage, welche ihnen als arbeitsfreie Zeit zur Verfügung stehen.

Ab dem 31. Dezember und während der ersten Januarwoche sind viele Geschäfte und Einrichtungen in Montenegro geschlossen.

Und natürlich ist auch das kommerzielle Weihnachten – Weihnachtsbäume, Geschenke und Weihnachtsmänner – überall im Land sichtbar, vor allem in Kaufhäusern, Geschäften, Büros und Hotels. Übrigens haben viele Familien zu Hause auch einen Weihnachtsbaum, so wie wir ihn kennen.

Dieser Artikel wurde gesponsert von www.rufil.me, der deutschen Unternehmensberatung in Podgorica, Montenegro. Firmengründung, Aufenthaltserlaubnis, Eröffnung von Bankkonten und weitere Dienstleistungen für Auswanderer und Investoren seit 2014 in Montenegro.

Über den Autor:

Philipp Rowe ist internationaler Unternehmensberater, Firmengründer, Investor, Freund und Kenner Russlands und des Balkans. Er hat lange in Russland und Montenegro gelebt.

In Montenegro hat er in 2014 die Firma Rufil Montenegro Consulting gegründet, welche deutsche Investoren und Auswanderer vor Ort unterstützt.

Seine Hobbies sind Reisen, Fremdsprachen, sowie ein gesunder, aktiver und natürlicher Lebensstil.

Über diese Themen berichtet er regelmäßig hier auf Ostexperte.de und auf seinem Instagram Account @rowephilipp. Er ist Diplom-Volkswirt und spricht fließend Russisch, Englisch und Serbisch.

 

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