Russische Gründeratmosphäre

Trotz Corona wird in Russland wieder mehr gegründet

Für viele ein großes Risiko, für manche die Chance des Lebens: eine Unternehmensgründung. Auch in Russland möchten viele Menschen den Schritt in die Unabhängigkeit und zum Unternehmenserfolg machen und gründen eine eigene Firma. Dass dies selbst in Zeiten von Corona von Erfolg gekrönt sein kann, zeigen aktuelle Zahlen zur Bilanz der neugegründeten Firmen in Russland. Insbesondere für ausländische Markteinsteiger ist eine gute Beratung dabei unabdingbar – und kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.

Trotz Pandemie und Investitionsunsicherheiten: Die russische Wirtschaft hat die Corona-Krise verglichen mit anderen Ländern bisher stabil überstanden – und kann sogar einen Firmen-Überschuss präsentieren. Einer Studie der Beratungsfirma FinExpertiza zufolge wurden im April 22.700 Firmen gegründet und 15.100 aufgelöst, im Mai waren es 15.200 Gründungen und 11.500 Schließungen.

Eine Situation, wie es sie das letzte Mal vor vier Jahren gab, im April 2017: damals wurden in einem Monat 32.200 Tausend Unternehmen geschlossen und 36.600 Tausend eröffnet, so das Ergebnis der Untersuchung, die für das Business-Forum Go Global Summit vorbereitet wurde.Dieses Jahr machten in dem Zeitraum Januar bis Mai insgesamt 112,1 Tausend Unternehmen dicht – anderthalb Mal weniger als im gleichen Zeitraum des Jahres 2020. Noch weniger Schließungen in der ersten Jahreshälfte wurden zuletzt vor sechs Jahren, im Jahr 2015 verzeichnet. In Russland fällt diese „Unternehmenssterblichkeit“ landesweit allerdings unterschiedlich stark aus: in 72 von 85 russischen Regionen sank die Schließungs-Rate innerhalb der ersten fünf Monate verglichen mit dem Vorjahreszeitraum.

Die positivste Dynamik wurde dabei in Mordwinien beobachtet, wo 78,8 % weniger Unternehmen geschlossen wurden als ein Jahr zuvor, in Karatschai-Tscherkessien (um 75,4 % weniger) und Inguschetien (um 75% weniger). In 12 Regionen hingegen überstieg die geschäftliche “Sterblichkeit” die Pandemie-Indikatoren. In der Region Stawropol wurden 106,3% mehr Unternehmen geschlossen als im Vorjahr, im Gebiet Archangelsk war es mit 100% die doppelte Anzahl, im Gebiet Tomsk belief sich die Zunahme an Schließungen auf 88,4%. In insgesamt 25 Regionen überstieg die Zahl der eröffneten Unternehmen hingegen die Zahl der Geschlossenen. Die führenden Regionen: Moskau (ein Anstieg um 768 Unternehmen), die Region Swerdlowsk (631) und die Region Woronesch (311).

Zahlen, welche auch die wirtschaftliche Situation der verschiedenen Gebiete widerspiegeln. Dennoch spielen bei dem Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmensgründung grundsätzlich viele Faktoren eine Rolle. Insbesondere in Russland, wo das Gründen von teils hohen bürokratischen Hürden erschwert wird, was besonders für ausländische Geschäftsleute eine Herausforderung darstellt. Interessierten Gründern wird daher oftmals eine intensive Beratung nahegelegt. Was sind die Risiken, welche Schritte müssen beachtet werden, wer sind die wichtigsten Ansprechpartner? Dabei gibt es eindrückliche Beispiele für erfolgreiche ausländische Gründer in Russland.

Chancen vs. Risiken

„Der russische Markt ist geprägt von Chancen und Risiken. Ich bin wegen der Chancen hier“ sagt dazu Philipp Rowe, deutscher Unternehmensberater in Moskau. Seit nun 14 Jahren führt der gebürtige Berliner in Moskau seine Unternehmensberatung Rufil Russia Consulting und hilft internationalen Unternehmen beim Einstieg in den russischen Markt.

„Es geht darum, wie man mit den Risiken umgeht. Dazu gehört sehr viel Bürokratie, eine große Unübersichtlichkeit und auch Intransparenz. Hier setzen wir an.“ so Rowe über die Arbeit seiner Firma. Doch der monströse russische Bürokratieapparat ist nicht die einzige Herausforderung für ausländische Gründer. „Der russische Markt funktioniert im Gegensatz zum Deutschen viel schneller und extremer. Entscheidungen werden schneller getroffen, von Konsumenten und Investoren. Es wird wenig gespart und meist direkt ausgegeben, das macht den Markt viel aktiver.“ Fragt man Philipp Rowe, ob es deshalb schwerer ist, ein Unternehmen in Russland zu gründen, ist  sich dieser sicher: „Es ist erst einmal unverständlicher, und weniger transparent. Gleichzeitig gibt es auch viele Dinge, die einfacher sind. Zum Beispiel ist signifikant weniger Gründungskapital notwendig als in Deutschland, und der Vorgang zur Gründung ist standardisiert. Unsere Mitarbeiter zum Beispiel führen die Kunden hier durch den ganzen Prozess: von der rechtlichen Beratung am Anfang, der Auswahl des Firmennamens, Erstellung der Satzung bis zur Registrierung beim Notar und der behördlichen Anmeldung – samt weiterer zukünftiger Betreuung wie der Buchhaltung.“

Auch wenn der Markteinstieg auf den ersten Blick komplex und unverständlich erscheinen kann, für Gründer wie Philipp Rowe und seine Kunden überwiegen die Chancen im größten Land der Erde eindeutig die Risiken. Wer die russische Bürokratie unter Kontrolle bekommt, hat auch heute gute Chancen, ein erfolgreiches Geschäft in Russland zu gründen.

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