Steuern für Selbstständige: So könnte Russland Schwarzarbeit per Online-App legalisieren
Russische Behörden diskutieren seit langer Zeit, wie Einzelunternehmen und Freelancer aus der Schwarzarbeit herausgeholt werden können. Die jüngste Idee: Steuern sollen erheblich verringert und bequem per Online-App bezahlt werden, berichtet Wedomosti.
Russlands Vize-Premier Igor Schuwalow will ein neues System zur Steuerzahlung einführen. Vorstellbar wäre eine Online-App, die mit dem Föderalen Steuerdienst (FNS) verknüpft ist. Die Gebühr für Privatlehrer, Blogger und andere Freelancer soll je nach Höhe der Einkünfte automatisch berechnet werden. Die Bezahlung erfolgt online per Kreditkarte oder Bankkonto.
Genutzt werden soll das System durch Selbstständige sowie Einzelunternehmen ohne Mitarbeiter. Um die Nutzung der App attraktiv zu gestalten, sollen zahlreiche Bonus-Programme eingeführt werden. Selbstständige könnten unter anderem von kostenlosen Marketing-Dienstleistungen profitieren, die durch andere Privatunternehmen bereitgestellt werden, erklärte Schuwalow.
Laut Wedomosti stehen auch andere Ideen im Raum, darunter Versicherungsprämien für Steuerzahler. Wichtig sei die Bequemlichkeit des Systems, zitiert die Zeitung einen Regierungsmitarbeiter.
Schwarzarbeit bedroht russische Wirtschaft
Im 1. Quartal 2017 waren nach Angaben von Rosstat 18,7% bzw. 13 Millionen russische Staatsbürger im informellen Sektor beschäftigt. 2016 erreichte der Anteil einen Höchstwert von 21,2%. Laut der Russischen Akademie für Volkswirtschaft (RANEPA) ist der Anteil von Teilzeitarbeitern im informellen Sektor von 30,4% (2016) auf 33,5% (2017) angestiegen.
Trotz Schwarzarbeit sind viele der betroffenen Arbeitnehmer für Rentenleistungen qualifiziert. 2016 bezifferte das Arbeitsministerium den Schaden durch illegale Beschäftigung auf 500 Milliarden Rubel pro Jahr, umgerechnet ca. 7,2 Milliarden Euro. Jährlich überweist der Staat rund zwei Billionen Rubel (ca. 28 Mrd. Euro) an den Rentenfonds.
Laut des Rechnungslegungs-Verbands ACCA hat Russland die viertgrößte Schattenwirtschaft der Welt. 2017 prognostizieren die Experten, dass Schwarzarbeit rund 39,29% des russischen BIP-Volumens umfasst. Ein schlechteres Ergebnis erzielten lediglich Aserbaidschan (66,12%), Nigeria (47,7%) und die Ukraine (46,12%). Der globale Durchschnitt lag bei 22,5%.
Experten und Ministerien bewerten Idee positiv
Schuwalows Idee zur Entwicklung eines neuen Steuersystems stößt insbesondere beim Finanzministerium auf Zuspruch. Die Bezahlung per Online-App sei die beste Möglichkeit, um Arbeitnehmer aus der Schattenwirtschaft zu holen. Laut EY-Partner Iwan Rodionow gibt es in Mexiko, Finnland und Kanada ähnliche Systeme, die mit Erfolg umgesetzt wurden.
Auch Alexandra Suslina, Mitarbeiterin der „Ökonomischen Expertengruppe“, bewertet die Pläne positiv. Selbstständige seien keine Gesetzesbrecher, die sich vor der Steuer drücken wollten. Viele Einzelunternehmen seien im Gegenteil willens, Steuern zu bezahlen, allerdings fehle eine geeignete Infrastruktur.