Morgenkommentar am 2. Februar 2017

Poroschenko macht Druck. Getrieben von der Angst vor einem “Separatfrieden” der Präsidenten Trump und Putin gibt es für den ukrainischen Präsidenten – und seine US-Berater von der Falkenfraktion – nur einen Ausweg: Der Ukrainekonflikt muss zurück in die Schlagzeilen, die Stimmung gegen Moskau verschärft, die Solidarität mit dem von europäischen Werten durchdrungenen ukrainischen Volk neu geweckt werden.

Zeit hat Poroschenko keine zu verlieren; die Offensive ist unterwegs – medial, diplomatisch, militärisch. Seit der Vorwoche donnert wieder die Artillerie an der Bürgerkriegsfront. Die 38.000 Einwohner der Stadt Awdejewka, Donezk gegenüber auf Kiewer Seite, harren weitestgehend ohne Wasser, Wärme und Strom aus. Das lässt sich, besonders bei hohen Minusgraden, medial besser verkaufen als der ewige, eintönige Geschützdonner.

Auch dass Poroschenko wegen der Lage in Awdejewka seinen Deutschlandbesuch abbrach, trug dazu bei, ihn und sein Land wieder in die Schlagzeilen zu bringen. So fand sich trotz aller Not genügend Zeit für ein Interview mit der Funke-Mediengruppe. Es werde nicht lange dauern, so der Präsident, bis die Ukraine fit für den EU-Beitritt sei. Stolz präsentierte er seine Mitbürger als die besseren, vielleicht gar die besten EU-Europäer: “Mehr als 70 Prozent der Ukrainer unterstützen die Europäische Union. Das ist eindrucksvoll in Zeiten von Brexit und Rechtspopulismus.“

Von denen können wir also noch lernen. Kein Wunder, dass Poroschenko gleich auch ein NATO-Referendum ankündigte. 54 Prozent seiner Landsleute seien für den Beitritt zur westlichen militärischen Allianz – vor der Krise seien es nur 16 Prozent gewesen. Na dann.