Tagesübersicht Russlandgeschäft: 02.05.2016

Willkommen zur Tagesübersicht Russlandgeschäft und willkommen im Mai. An diesem Montag, den 2. Mai 2016 haben wir folgende Themen für Sie:


Heute und morgen ist in Russland frei

Gestern fiel in Russland sowohl das orthodoxe Osterfest als auch der Tag der Arbeit und des Frühlings zusammen. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden daher die Osterprozessionen abgehalten und am Sonntag die Mai-Demonstrationen, zu denen in Moskau Medienangaben zufolge etwa 100.000 Menschen zusammenkamen.

Das hat aber auch Auswirkungen auf das Geschäftsleben, denn am heutigen Montag und am morgigen Dienstag ist deswegen frei. Das hat mit der russischen Feiertagsregelung zu tun, die besagt, dass Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, “nachgeholt“ werden. Dafür ist nun der heutige Tag in Russland frei. Ostern ist in Russland aber kein offizieller Feiertag. Andererseits wurde durch das Verschieben von einem Feiertag Anfang Januar der Dienstag ebenfalls arbeitsfrei gemacht. Kompliziert. Mehr dazu lesen Sie in diesem Artikel.


Bosch-Geschäftsführer im Interview mit Gazeta.ru: „Um Jahre zurückgeworfen“

Die russische Online-Zeitung Gazeta.ru hat im Anschluss an die Bilanzpressekonferenz der deutschen Robert Bosch GmbH am 27. April in Stuttgart ein Interview mit Uwe Raschke, dem Geschäftsführer des Unternehmens geführt.

Die russische Wirtschaftskrise habe das Unternehmen in Russland um Jahre zurückgeworfen, sagt Raschke darin. Die Umsätze Boschs seien in Russland 2015 auf das Niveau von vor fünf bis sechs Jahren zurückgegangen (2009: 489 Millionen Euro; 2010: 667 Millionen Euro). Man habe die Produktion wegen der geringeren Nachfrage im Vergleich zu 2013 um 30 bis 40 Prozent senken müssen. Das sei eine ernste Herausforderung.

Die im vergangenen Jahr eröffneten Bosch-Fabrik für Autokomponenten in Samara bringe nun „weniger als erwartet“. Das Problem ergab sich daraus, dass man die Wirtschaftskraft Russlands bei den Planungen vor fünf Jahren überschätzt habe.

“Wir haben viele Jahre verloren und nun wird die Erholung viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir erwarten kein schnelles Wachstum mehr. In diesem Jahr sicher nicht. Im nächsten Jahr [2017]  vielleicht.“ Das lasse sich aber aufgrund der Ölpreise nur schwierig prognostizieren.

Er sehe aber, dass die Probleme mit Investitionen in Russland auch mit einer unzureichenden Industrialisierung zu tun habe. Es sei zum Beispiel sehr schwierig, russische Zulieferer zu finden. Und wenn man dann gezwungen sei, Komponenten zu importieren, gehe der Nutzen und die Kostenersparnis im Zusammenhang mit einer Lokalisierung in Russland verloren. Derzeit sei es daher schwierig, in Russland zu arbeiten.

Andererseits sehe er auch positive Seiten. Russland habe als riesiges Land mit einer Bevölkerung von mehr als 140 Millionen Menschen auch viele junge Menschen mit Ideen und träumen, die sie verwirklichen wollen. Wichtig sei es, vom Öl wegzukommen. Mehr Industrie sei dabei eine mögliche Richtung.

Man habe viel in Russland getan und investiert und habe nicht vor, das Land zu verlassen. “Wir werden uns nur einige Zahlen noch einmal ansehen. Wenn die Erholung schneller kommt, dann werden wir unsere Produktion und Absätze schnell steigern“, sagte Raschke.

Die russische Regierung solle sich seiner Meinung nach vor allem um das Wohl des russischen Volkes kümmern, damit die Nachfrage angekurbelt werde und die Menschen wieder Autos, Häuser und auch das kaufe, was Bosch produziere. Wie das genau umzusetzen sei, dafür habe er aber kein Rezept.

Das Geschäftsklima in Russland habe sich in den vergangenen zehn Jahren schon sehr verbessert, aber das sei jetzt nicht das Hauptproblem. Jetzt seien zum Beispiel Verhandlungen sehr viel leichter geworden, aber wirtschaftliche Probleme in den Vordergrund gerückt.


Nielsen-Index: Zuversicht russischer Konsumenten so schwach wie seit 2005 nicht

Die Zuversicht russischer Konsumenten gemessen am Nielsen’s Consumer Confidence Index lag im ersten Quartal 2016 mit 63 Punkten auf dem niedrigsten Stand seit 2005 – 11 Jahren. Im gleichen Zeitraum im Vorjahr lag der Index noch bei 72 Punkten.

76 Prozent der russischen Konsumenten haben demnach bereits ihre Ersparnisse aufgelöst, 61 kaufen keine neue Kleidung, 59 Prozent sparen bei Unterhaltungs-Ausgaben und 52 Prozent greifen zu günstigeren Lebensmitteln.

83 Prozent der russischen Befragten gaben darüber hinaus an, dass sie im kommenden Jahr mit „nicht sehr guten“ oder „schlechten“ Beschäftigungsaussichten rechneten.

88 Prozent bewerten den derzeitigen Zustand der russischen Wirtschaft als “Krise” (im Quartal zuvor waren es noch 81 Prozent) und 55 Prozent glauben nicht, dass das Land im kommenden Jahr die Rezession verlässt.


Lesetipp: Wirtschaftspolitische Wende – Russlands Industrie hängt in der Kurve

Die Neue Zürcher Zeitung hat einen lesenswerten Artikel über das russische Importsubstitutionsprogramm veröffentlicht (=ausländische Importe sollen durch russische Waren ersetzt werden). Die russische Industrie zu stärken, sei zwar in der Sache ein richtiger Schritt, „doch wenn sich tragfähiger Fortschritt in Isolation verordnen und mit Staatsgeld erkaufen liesse, wäre die Sowjetunion nie kollabiert.“ Der Kurswechsel sei keine Initiative, sondern eine Reaktion gewesen. Der Strukturwandel bleibe noch aus.