Morgenlage am 22. Dezember 2016

Morgenlage am 22. Dezember 2016

22.12.2016, 10.34 MEZ | Die Beobachter sind sich einig: Gut ein Jahr nach dem Beginn des militärischen Eingreifens in Syrien hat Russland die USA als regionale Ordnungsmacht faktisch abgelöst. Dabei hat – aus Sicht des Kreml – auch Glück eine Rolle gespielt, nicht zuletzt die Wahl Donald Trumps anstelle seiner interventionistischen Widersacherin. Das Ereignis hat die US-Politik bis auf weiteres gelähmt. Jetzt muss “Peacemaker” Moskau liefern – und vor allem die Rolle des Iran in Grenzen halten. Ein siegestrunkenes Teheran würde die Saudis und Israel auf den Plan rufen. Der Sprengsatz Mittlerer Osten ist noch lange nicht entschärft.

Noch mehr Tote: Bis gestern waren 62 Menschen Opfer des Konsums von angesetztem Weißdornbeerensaft (ein Badezusatz) in Irkutsk. Der steigende Konsum pharmazeutischen und kosmetischen Alkohols führt im Kreml zu einer pragmatischen Wende. Bis Ende März, das hat Chef Putin am Mittwoch befohlen, sollen Vorschläge zur Senkung der Alkoholsteuer auf den Tisch. Schon Slawenfürst Wladimir vor 1.200 Jahren wusste: Ohne Alkohol kann der Russe nicht sein.

Verhaltensauffällig: Maria Schetopalowa (21), Musiklehrerin im sibirischen Krasnojarsk, ist ihren Job los. Der Grund: ein Silberring in ihrer Unterlippe. Hinter der Aktion steht der St. Petersburger Vigilant Timur Bulatow, selbsternannter Jäger “sozialer Abweichler”, Homosexueller und anderer Anhänger nicht-traditioneller Lebensformen. Bulatow hat vor allem Lehrer im Auge und durchforscht die sozialen Netzwerke auf Anzeichen “falscher” Sympathien. Hat er sein Opfer ausgemacht, folgt Druck auf Nachbarn, Freunde und Arbeitgeber. Schetapalowa soll bereits die 65. Lehrkraft sein, die dank Bulatow ihren Job verliert.

Auch in Moskau werden die Schauplätze öffentlicher Veranstaltungen jetzt mit Lkw umstellt. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme gegen islamistische Attacken wie in Berlin zu Wochenbeginn oder in Nizza im Juli.