Usbekistan nach den Präsidentschaftswahlen

Wie steht es um Schawkat Mirsijojews Reformpolitik?

Usbekistan wählte Ende Oktober einen neuen Präsidenten: Amtsinhaber Schawkat Mirsijojew wurde mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt. Was bedeutet das für die angestoßene Reformpolitik des Landes – und für die westeuropäische Politik?

Vor zwei Jahren hat Usbekistan ein neues Parlament gewählt, vor etwas mehr als zwei Wochen nun seinen Präsidenten. Der mit 80,1 % der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 80,8 %) für eine zweite Amtszeit gewählte Schawkat Mirsijojew trat mit einer klaren Agenda an: den Kurs der wirtschaftlichen und politischen Öffnung des Landes kontinuierlich fortzuführen, sowie eine gesellschaftlichen Liberalisierung in den kommenden Jahren. Gerade weil Usbekistan jüngst infolge der Entwicklungen in Afghanistan eine verstärkte Aufmerksamkeit in der Weltöffentlichkeit zuteilwurde, lohnt es sich, eine tiefergehende Analyse der von Mirsijojew initiierten Reformprozesse vorzunehmen. Seit dem Ableben des ersten Staatspräsidenten Islom Karimow, der sein Wirken insbesondere auf den Erhalt der Stabilität und die Sicherung des Friedens im Inneren konzentriert hatte, setzt Mirsijojew neue Akzente.

Wirtschaftlicher Umbau

Wirtschaftlich hat sich Usbekistan in den letzten fünf Jahren grundlegend modernisiert. Ein zentraler Schritt hierbei war die Einführung der Konvertierbarkeit des usbekischen Sum, wodurch Devisen beschafft werden konnten – die schließlich Anreize für internationale Unternehmen zum Engagement im Land geschaffen haben. Ebenfalls wurden die Zölle gesenkt und das Steuersystem strukturell vereinfacht. Die Privatisierung staatseigener Betriebe ist nach wie vor ein laufender Prozess, ebenso verhält es sich bei der regulatorischen Rahmengesetzgebung in Wirtschaftssektoren wie der Landwirtschaft oder dem Bankenwesen.

Bei der Vorbereitung des Wahlprozesses sowie während des Urnengangs war deutlich erkennbar, dass sich die Zivilgesellschaft aktiv an den demokratischen Prozessen beteiligte. Ein Indiz hierfür ist die Präsenz zahlreicher lokaler Wahlbeobachter am Wahltag. Usbekistan hat in den letzten Jahren zahlreiche internationale Abkommen zur Garantie der Menschen- und Bürgerrechte ratifiziert und konkrete Maßnahmen zu der Implementierung dieser Rechte in der nationalen Gesetzgebung unternommen. Besonders wichtige Schritte: die Abschaffung der Folter und das Engagement der Regierung für eine breite gesellschaftliche Teilhabe an der Politik. Die Transformationsprozesse der usbekischen Gesellschaft sind keineswegs abgeschlossen. Auch für die kommenden Jahre bleibt zu erwarten, dass die staatliche Politik die aktive Unterstützung und Mitwirkungsbereitschaft einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit benötigt.

Mehr internationale Beteiligung

Die zweite wichtige Säule der Reformpolitik ist die auswärtige Politik. Usbekistan engagiert sich mittlerweile auf regionaler wie internationaler Ebene zu zahlreichen wichtigen Fragen der Sicherheitspolitik, des Umweltschutzes und der Zusammenarbeit mit den anderen Staaten der Region. Präsident Mirsijojew versucht dabei eigene Akzente zu setzen. Zum Beispiel durch die Initiierung hochrangiger internationaler Konferenzen, wie etwa in Samarkand – zur Sicherheitslage in Afghanistan, in Nukus – zu Umweltfragen und der Zukunft der Aralsee-Region, oder unlängst im Juli 2021 mit der großen Konferenz zur Zusammenarbeit zwischen Zentral- und Südasien in Taschkent.

Ratschläge an die neue Bundesregierung

Im Ergebnis sind die Präsidentschaftswahlen vom 24. Oktober 2021 als ein klares Zeichen für die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit und der gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Liberalisierung einzuordnen. Die Symbiose aus politischer Öffnung nach Innen und Außen entspricht dem nationalen Interesse Usbekistans – im 30. Jahr seiner Unabhängigkeit – an einer weiterhin prosperierenden Entwicklung auf dem Weg zu einer zentralasiatischen Regionalmacht. Die weiteren diplomatischen Initiativen des Staatsoberhauptes auf internationaler Bühne und die kontinuierliche Fortsetzung des Reformkurses sind die zentralen Anknüpfungspunkte für eine Intensivierung der Beziehungen zu den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Den deutsch-usbekischen Beziehungen kommt hierbei eine strategische Bedeutung zu. Aus diesem Grund wäre eine künftige Bundesregierung gut beraten, die Beziehungen zwischen Taschkent und Berlin auf allen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Ebenen weiter auszubauen. Es liegt im unmittelbaren deutschen Interesse, mit Usbekistan einen zuverlässigen und stabilen Partner an der fragilen Grenze zu Afghanistan nachhaltig zu stärken.

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