Verwirrung über Schröder-Vergütung

Schröders Rosneft-Job: FAZ schreibt bei BILD falsch ab

In Kommentaren führender deutscher Medien hagelt es Kritik an Gerhard Schröder, weil sich der Altkanzler Ende September in den Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft wählen lassen will. Hier soll es nicht darum gehen, ob dieses Vorhaben „unpatriotisch“ ist (Julian Reichelt in BILD) oder „eine Schande“ (Berthold Kohler in der FAZ). Uns verblüfft wie BILD und FAZ mit Fakten umgehen.

Viele Falschmeldungen über angebliche Kandidatur für den Vorstand

Verwunderlich war schon, dass BILD und FAZ – wie auch fast alle anderen deutschen Medien – berichteten, Schröder solle in den Rosneft-Vorstand gewählt werden. Tatsächlich kandidiert er für den Aufsichtsrat („Board of Directors“), wie Ostexperte.de am 07.08. nach Meldungen in der russischen Presse berichtete und die russische Regierung am 10.08 offiziell mitteilte. Die Nachrichtenagentur dpa hat dazu am 14.08. eine entsprechende Korrekturmeldung veröffentlicht, dass Schröder nicht für den Vorstand, sondern für den Aufsichtsrat kandidiert.

BILD schreibt trotzdem noch einen Tag später am 15.08. der Altkanzler solle in den Vorstand berufen werden. Und weiter heißt es:

„Die Überwindung moralischer Hindernisse lassen sich die Vorstände des Öl-Riesen fürstlich vergüten. Aus dem Geschäftsbericht von 2016 geht hervor, dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte. Das sind fast sechs Millionen Euro pro Person.“

Ein Blick in den mit vielen informativen Übersichten ausgestatteten Rosneft-Annual Report 2016 hätte den BILD-Redakteuren auf Seite 193 allerdings gezeigt, dass der Rosneft-Vorstand im Jahr 2016 nicht 9, sondern 11 Mitglieder hatte. Geht man von der von BILD genannten Gesamtvergütung in Höhe von rund 52 Millionen Euro aus, betrug die durchschnittliche Vergütung also nicht rund 5,8 Millionen Euro, sondern rund 4,7 Millionen Euro.

Sinn dieser Bild-Rechnung war natürlich, den Leser annehmen zu lassen, Gerhard Schröder könne bei Rosneft mit einer ähnlich hohen Vergütung rechnen.

In der Nacht vom 15. zum 16. August berichtete Bild in einem Artikel zur Haltung von SPD-Kanzlerkandidat Schulz zur Kandidatur Schröders dann erstmals, dass Schröder „Ambitionen auf einen Aufsichtsratsposten“ bei Rosneft habe. In dem Artikel weist BILD auch auf Klarstellungen des Altkanzlers zu seiner Vergütung hin:

„Schröder selbst stellte beim „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ klar, dass er als Non-Executive Board Member bei Rosneft „weniger als ein Zehntel“ eines Executive Board Members verdienen würde. Heißt: Schröder bekäme in der Funktion weniger als 600 000 Euro von einem halb-staatlichen russischen Konzern, der auf der Sanktionsliste der EU steht.“

Soll man diesen BILD-Bericht auch als Korrektur der bisherigen BILD-Berichterstattung verstehen, die dem Leser suggerierte, dass der Altkanzler als Rosneft-Vorstand eine Vergütung von fast 6 Millionen Euro zu erwarten hätte? Oder wird BILD uns noch wie zuvor dpa in einer „Korrekturmeldung“ mitteilen, dass die bisherigen Berichte zu einer Kandidatur Schröders für den Vorstand falsch waren?

FAZ berichtet noch immer über Vergütungen von „fast sechs Millionen Euro“

Von Schröders Klarstellungen zu seiner Wahl in den Rosneft-Aufsichtsrat und seiner voraussichtlichen Vergütung scheint die FAZ keine Notiz genommen zu haben. In einem am 16.08. im Internet veröffentlichten Artikel heißt es, die Tätigkeit der bisherigen neun Mitglieder des Aufsichtsrats sei „zuletzt mit 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen dotiert worden, fast sechs Millionen Euro je Person.“

Was hatte BILD zu den Vergütungen des Vorstands (nicht des Aufsichtsrates) geschrieben?

„Aus dem Geschäftsbericht von 2016 geht hervor, dass Rosneft seinen neun Vorstandsmitgliedern rund 52 Millionen Euro an Gehältern, Boni und Zuschüssen zahlte. Das sind fast sechs Millionen Euro pro Person.“

Empfehlung an die FAZ: Nicht bei BILD Desinformationen über die voraussichtliche Vergütung Schröders falsch abschreiben, sondern im „Rosneft Annual Report 2016“ zu den Vergütungen des Aufsichtsrats auf Seite 202 lesen, dass die „Grundvergütung“ eines Aufsichtsrats 500.000 US-Dollar beträgt:

„The Regulations set the base remuneration of a member of the Board of Directors (for performing functions of a Board member) at USD 500,000 (five hundred thousand US dollars) for a corporate year, which is comparable to directors’ remuneration in major vertically integrated oil companies.“

Gleich daneben steht übrigens, dass Matthias Warnig (Nord Stream 2 Geschäftsführer) als Mitglied des Aufsichtsrats 2016 insgesamt 580.000 US-Dollar als Vergütung erhalten hat.

In einem BLICK.ch-Interview sagte Schröder selbst zu seiner Vergütung: „Ein Non-Executive verdient 500.000 Dollar pro Jahr. Davon zieht der russische Staat 30 Prozent ab. Das Salär liegt also bei rund 350.000 Dollar. Zudem fallen die deutschen Steuern an.“

Aktualisierung am 21. August 2017

Über dieses Interview und die Angaben Schröders zu seiner Vergütung berichtete die FAZ am 18. August in einem Artikel von Reinhard Veser und Markus Wehner:

Reinhard Veser, Markus Wehner: Warum Rosneft ein ganz besonderer Konzern ist; FAZ, 18.08.2017

Markus Wehner war einer der Autoren, die zwei Tage zuvor am 16.08.2017 – offensichtlich auf der Basis der Bild-Berichterstattung – geschrieben hatten, dass die Tätigkeit als Rosneft-Aufsichtsrat zuletzt mit fast 6 Millionen Euro dotiert gewesen sei.

Der Satz mit den falschen Angaben zu den Aufsichtsratstantiemen aus dem FAZ-Artikel vom 16.08. wurde aber erst zwei Tage später am 20. August mit einem Korrekturhinweis entfernt, nachdem BILDblog die FAZ auf den Fehler hingewiesen hatte.

Moritz Tschermak hatte in BILDblog bereits am 16. August in seinem Artikel „„Bild“ befördert Gerhard Schröder ins falsche Rosneft-Gremium“ ausführlich über die fehlerhafte Bild-Berichterstattung zu Schröders Kandidatur berichtet.

Welche Folgen die falsche Berichterstattung von BILD und FAZ hat, zeigt sich zum Beispiel in dem Interview, das Professor Hans-Herbert von Arnim, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, der SVZ.de gab. Es wurde unter der Überschrift „Putins bestbezahlter Deutscher“ veröffentlicht.

Professor von Arnim sagt dort: „Der Fall ähnelt den geheimen Spenden an Helmut Kohl. Schröder begibt sich hier in eine gewaltige Interessenkollision, wenn er Millionen als Aufsichtsrat eines russischen Energiekonzerns kassiert. …

Es handelt sich um einen schweren Fall von Interessenkollision und damit letztendlich um Korruption.“

Lesetipps zur Schröder-Kandidatur für den Rosneft-Aufsichtsrat:

Was Schröder selbst sagt:

Blick.ch-Interview mit Gerhard Schröder: „Man diffamiert mich, um Frau Merkel zu helfen“, 17.08.17

Kommentare zu Schröders Kandidatur für den Rosneft-Aufsichtsrat:

Thorsten Benner (GPPi, Berlin): Lehren aus der Schröder-Rosneft-Saga; TS-Gastbeitrag, 18.08.2017

Heribert Prantl: Schröder: Der Trotzkist; SZ-Kommentar, 17.08.2017

Prof. Hans-Herbert von Arnim, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer; Interview mit SVZ.de, Schwerin: Kritik an Gerhard Schröder: Putins bestbezahlter Deutscher; 17.08.2017

Heino Wiese, früherer SPD-Bundestagsabgeordneter; Sputniknews-Interview: Kritik wegen Rosneft-Angebot: „Gerhard Schröder wird mit Sicherheit nicht einknicken“; 16.08.2017

Julian Reichelt: Unpatriotisch; Bild-Kommentar, 16.08.2017

Berthold Kohler: Schröder und Rosneft: In Putins Diensten; FAZ-Kommentar, 16.08.2017

Anna Sauerbrey: Schröder, Russland und die SPD – Weder “Privatsache” noch “Privatwirtschaft”; Tagesspiegel-Kommentar, 15.08.2017

Bernd Ziesemer: Rosneft, Schröder und ein bisschen Heuchelei; Capital-Kommentar, 14.08.2017

Berichte zu Rosneft:

Reinhard Veser, Markus Wehner: Warum Rosneft ein ganz besonderer Konzern ist; FAZ, 18.08.2017

Stefan Scholl: Rosneft – Ölkonzern unter Putins Einfluss; Freie Presse, Chemnitz, 18.08.2017

Berichte zur Haltung der SPD zu Schröders Kandidatur:

Nico Fried: Sozialdemokraten: Jetzt auch noch Schröder; Süddeutsche Zeitung, 18.08.2017

n-tv.de: “Meine Ansage an ihn war klar”: Schulz rüffelt Schröder wegen Rosneft; 17.08.2017

Eckart Lohse, Markus Wehner: Posten bei Rosneft – Bester Feind Schröder; FAZ, 16.08.2017

Handelsblatt/dpa: Schröder und die SPD: Vom Mutmacher zum Problemfall, 16.08.2017 

Ostexperte.de-Berichte:

Klaus Dormann: Verwirrung über Schröder-Vergütung: FAZ schreibt bei BILD falsch ab; 17.08.2017

Ostexperte.de: Schulz zu Schröder: „Ich würde das nicht tun“; 16.08.2017

Thorsten Gutmann: Kritik an Schröder wegen Rosneft-Posten; 15.08.2017

Ostexperte.de: Gerhard Schröder als Rosneft-Direktor nominiert; 07.08.2017 

„Bildblog“ zu Fehlern der Bild-Berichterstattung über Schröders Kandidatur:

Moritz Tschermak: „Bild“ befördert Gerhard Schröder ins falsche Rosneft-Gremium; BILDblog, 16.08.

Bild berichtet am 15.08.2017 am Morgen weiterhin, dass Schröder in den Vorstand soll

Filipp Piatov: Streit um Russland-Job: Lässt die SPD Schröder fallen? Bild, 15.08.2017

Bild: Streit um Russland-Job des Altkanzlers – Schulz distanziert sich von Gerhard Schröder; 15.08.17

Bild-Berichte zu: Gerhard Schröder, Putin, Russland

Weitere Berichte vom 15.08.2017:

Spiegel.de: Schulz über Schröders Rosneft-Posten: „Ich würde das nicht tun“; 15.08.2017

dpa-AFX: Schröder wirft Medien wegen Rosneft Wahlkampfhilfe für Merkel vor; 15.08.2017

Matthias Reiche (MDR): Schröder bei Rosneft – „Bezahlter Diener der Politik Putins“; tagesschau.de, 15.08.2017

Benjamin Bidder: Altkanzler Schröder und Rosneft – Russland zum Vorteil; SPON, 15.08.2017

dpa-AFX korrigiert am 14.08. die Meldung vom 13.08.

dpa-AFX: KORREKTUR: Schröder Aufsichtsratskandidat für Ölkonzern Rosneft – Kritik; 14.08.2017

Erneute Berichte am 12./13. August, Schröder kandidiere für den Vorstand

Stephan Kaufmann: Politisch brisant: Gerhard Schröder soll beim größten russischen Ölkonzern einsteigen; Mitteldeutsche Zeitung, 13.08.2017

Guy Chazan: Gerhard Schröder nominated to Rosneft’s board; Financial Times, 13.08.2017

Die Presse/APA/AFP: Gerhard Schröder soll in Vorstand des russischen Ölkonzerns Rosneft; 12.08.

AFP/Donaukurier: Altkanzler Gerhard Schröder soll in Rosneft-Vorstand aufgenommen werden; 12.08.

Bild: Russischer Öl-Konzern – Gerhard Schröder wird Vorstand von Rosneft; 12.08.2017

Regierungsmitteilung zu Kandidaten für die Wahl des Direktoriumsrates und rbc-Bericht

rbc.ru: Правительство выдвинуло Герхарда Шредера в совет директоров «Роснефти»The government nominated Gerhard Schroeder to the board of directors of Rosneft; 11.08.2017

Russische Regierung: Mitteilung zur Wahl des Rosneft-Direktoriumsrates; 10.08.2017

Erster Ostexperte-Bericht zur Kandidatur Schröders für den Aufsichtsrat am 07.08.2017

Ostexperte.de: Gerhard Schröder als Rosneft-Direktor nominiert; 07.08.2017

Weitere Berichte zur Kandidatur Schröders

Boris Reitschuster: Die unglaubliche Causa Schröder; HuffPost, 06.08.2017

Julia Kusznir: Gnose Rosneft; Dekoder.org; 04.08.2017

Erste Berichte deutscher Medien, Schröder kandidiere für den Vorstand

BILD: Bei russischem Gas-Riesen: Schröder könnte 3 Mio. Euro verdienen; 06.08.2017

Thielko Grieß: Russischer Ölkonzern nominiert Gerhard Schröder für Vorstand; DLF, 04.08.2017

BILD: Streit um die Nord-Stream-Pipeline – Wie viel Einfluss hat Schröder noch auf die SPD – Ab September ist der Gazprom-Lobbyist auch im Vorstand von … Rosneft; 03.08.2017

Erster RBC-Bericht zur Kandidatur Schröders für den Aufsichtsrat am 03.08.

RBC.ru: Доказал полезность: зачем в «Роснефть» пригласили экс-канцлера ФРГ; Has proved useful: Why “Rosneft” invited ex-chancellor of Germany; 03.08.2017

Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]JouWatch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Size changed to 1040×585 px. CC BY-SA 2.0