Kolumne: Gemischtes Doppel #50 – Putin und der treudoofe Weltkonzern
Heute ist der 26. Juli 2017, willkommen beim Gemischten Doppel. Siemens-Turbinen auf der Krim, wie hätte das passieren können? Jetzt tun die Münchner überrascht. Dabei müsste den Siemens-Managern klar gewesen sein, mit wem sie es zu tun haben.
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Liebe Leserinnen und Leser,
finden Sie nicht auch, dass diese Augen nicht lügen können? Ich meine natürlich die von Wladimir Putin. Der russische Präsident hat sich seinen Ruf als ehrlicher Gesprächspartner redlich verdient. Etwa vor drei Jahren: Ein Journalist fragte Putin, ob er die Krim annektieren will. Putin verneinte vehement. Wenige Tage später marschierten russischen Truppen auf der Halbinsel ein.
Wie konnten also Sigmar Gabriel und die Siemens-Leute in seinem Tross an den Worten des Kremlherrn zweifeln? Der gute Mann hat ihnen schließlich versichert: Die Turbinen des deutschen Technologiekonzerns werden nicht auf der Krim zum Einsatz kommen. Sanktionen und so.
Seit nun gewiss ist, dass sich vier Siemens-Turbinen entgegen den Sanktionen auf der annektierten Halbinsel befinden, steckt das Münchener Unternehmen in Erklärungsnot. Die Verteidigungslinie von Siemens lässt sich in etwa so zusammenfassen: „Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, um die Einhaltung der Sanktionen sicherzustellen“.
Gegen die List der Russen sei man aber machtlos gewesen. Diese hätten die Anlagen entgegen den Verträgen auf die Krim verfrachtet. Man sei von der kriminellen Energie der russischen Partner überrascht worden, ließ der Konzern durchsickern.
So viel ist klar: Juristisch hat Siemens den Deal abgesichert. Der Vertrag mit dem Käufer, der OAO Technopromexport, einer Tochter des Staatskonzens Rostec, sah vor, dass die Turbinen nicht auf die Krim dürfen. Gleichzeitig war den Münchenern schon zu Beginn des Skandals klar, wie das russische Täuschungsmanöver funktioniert hat.
Technopromexport hatte die Turbinen für das Taman-Kraftwerk im Süden Russlands gekauft. Die Rostec-Tochter meldete jedoch Konkurs an und verkaufte die Kraftwerke an ein anderes Rostec-Tochterunternehmen mit dem gleichen Namen. Dieses verfrachtete die Turbinen dann auf die Halbinsel. So erklärte es der Siemens-Konzernsprecher Journalisten am Telefon.
Das Schema war zu dem Zeitpunkt ohnehin kein Geheimnis mehr. Noch im vergangenen Dezember sagte der Rostec-Chef, die Siemens-Anlagen werden nach dem Verkauf in Taman und Grosny zum Einsatz kommen. Das Problem: Beide Kraftwerke waren damals noch gar nicht im Bau. Anders als jene auf der Krim, die seit 2014 unermüdlich in den Himmel wachsen.
Woher hätten denn die Turbinen für die Krim kommen sollen? Russland konnte sie nicht bauen, und andere Verkäufer als Siemens kamen nicht in Frage – Moskau rechnete fest mit den Deutschen. Mit der Planung der neuen Kraftwerke auf der Krim hatte Moskau schließlich noch vor den Sanktionen begonnen, mit Siemens-Anlagen im Sinn.
Der Versuch Moskaus, an in Siemens-Lizenz hergestellte Turbinen aus dem Iran zu kommen, ist schließlich gescheitert. Dann aber willigten die Deutschen ein: Turbinen ja, aber nicht für die Krim. Wenig später, im Herbst 2016, kam das Gerücht auf, die Insolvenz von Technopromexport könnte allein dazu inszeniert worden sein, um die Sanktionen zu umgehen, und die Turbinen weiterzuverkaufen. Da hätte Siemens misstrauisch werden müssen.
Von diesen Kontroversen will Siemens nun nichts gewusst haben. Eigentlich hätte das Unternehmen bereits Wochen vor dem Skandal ahnen müssen, wohin das Ganze führen kann. Alarm schlugen die Münchener nicht. Zu lukrativ war der Millionenauftrag. Vielleicht war es aber auch der hypnotische Blick von Wladimir Putin, der die Deutschen so sehr in Sicherheit wiegte.
Im Gemischten Doppel geben Inga Pylypchuk (Ukraine) und Maxim Kireev (Russland) im wöchentlichen Wechsel persönliche (Ein)-Blicke auf ihre Heimatländer.
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