Fall Skripal: BND in den 90ern mit Zugang zu Nowitschok

Fall Skripal: BND in den 90ern mit Zugang zu Nowitschok

Viele Fragen zum im Fall Skripal eingesetzten Gift Nowitschok stehen nach wie vor offen: Woher stammte das tödliche Nervengift und wer verfügte über die nötigen Informationen zu dessen Herstellung? Wie unter anderen die Süddeutsche Zeitung nun berichtet, soll der deutsche Geheimdienst BND eine Probe des Giftes besessen haben.

Für die britische Premierministerin Theresa May und die britische Regierung schien der Fall klar: Das beim Attentat auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal eingesetzte und ursprünglich in der Sowjetunion entwickelte Nervengift Nowitschok konnte nur in Russland hergestellt worden sein. Wie neue Ergebnisse des Rechercheverbundes aus Zeit, Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR jedoch offenlegen, wusste auch die Bundesregierung unlängst vor dem Angriff über die Zusammensetzung des Stoffes Bescheid.

Nach Wochen konnte die Formel ermittelt werden

Mitte der 90er-Jahre soll es dem BND gelungen sein, in den Besitz einer Nowitschok-Probe zu kommen. Durch eine geheime Operation, an der auch die Bundeswehr beteiligt gewesen sein soll, habe der deutsche Geheimdienst über einen russischen Wissenschaftler Zugang zum Gift erhalten. Dieses soll der Überläufer, der vorgab, an der Entwicklung von Nowitschok beteiligt zu sein, im Austausch für einen sicheren Aufenthaltsstatus für sich und seine Familie angeboten haben.

In der Bundesregierung herrschten Streitigkeiten aufgrund des riskanten Projekts. Wie eine Kontaktperson dem Recherchebund mitteilte, habe man auf jeden Fall den Eindruck verhindern wollen, ein eigenes Interesse an Chemiewaffen zu hegen. So entschied man sich letztlich, die Nowitschok-Probe zur Untersuchung direkt nach Schweden weiterzuleiten. Nach mehreren Wochen konnte schließlich die Formel des bisher unbekannten, binären Kampfstoffes ermittelt werden. Um die Beziehungen mit Russlands damaligem Präsidenten Boris Jelzin nicht zu schädigen, hielt die Bundesregierung die Erkenntnisse jedoch geheim.

Ergebnisse werfen neues Licht auf Anschuldigungen

Dass der Westen bereits vor dem Attentat auf Skripal über eine Probe des tödlichen Nervengifts verfügte, würde mitunter erklären, weshalb man den Stoff am Tatort überraschend schnell identifizieren konnte. Die vermeintlich zweifelsfrei russische Herkunft des ursprünglich in der Sowjetunion entwickelten Stoffes lieferte einen der Grundpfeiler für die Argumentation der britischen Regierung. Ihr zufolge konnte nur Russland für den Angriff verantwortlich sein, da es das Attentat entweder selbst verübt oder die Kontrolle über den eigenen Kampfstoff fahrlässig aus der Hand gegeben habe. Zusammen mit etlichen, sich solidarisch zeigenden Nationen verwies man über 100 russische Diplomaten ihrer Posten. Russland stritt die Vorwürfe ab und reagierte ebenfalls mit Ausweisungen.

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