Morgenkommentar am 19. Mai 2017

Selbstbewusstsein im Umgang mit der Vergangenheit kann man der Ukraine nicht absprechen. Während die deutsche Verteidigungsministerin dabei ist, jede Form der Erinnerung an die Jahre vor 1945 mit Stumpf und  Stiel auszumerzen – künftige Generationen werden fragen, ob überhaupt Deutsche in der Wehrmacht gekämpft haben -, beging man in der Westukraine den 29. April 2017 mit Seelenmessen, gemeinsamen Gebeten auf Friedhöfen und abendlichen Festveranstaltungen.

Der Apriltag bezeichnete die Geburtsstunde, vor 74 Jahren, der „SS-Freiwilligen-Division Galizien“, der späteren 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (ukrainische Nr. 1). Sieben Regimenter zu je 2000 Mann, die sich im wesentlichen aus Angehörigen der antisowjetischen Ukrainischen Aufständischen Armee UPA rekrutierten, derselben UPA, deren Mitglieder seit einem ukrainischen Parlamentsbeschluss vom April 2015 als Nationalhelden und Unabhängigkeitskämpfer gelten.

An die Kampfkraft der ukrainischen SS-Freiwilligen erinnern sich besonders die Nachkommen polnischer und jüdischer Zivilisten, etwa der Opfer von Massakern wie in Huta Pieniacka oder Pidkamin, wo ganze Dörfer von den “Unabhängigkeitskämpfern” in deutscher Uniform vernichtet wurden.

Doch in der Tat ging es den UPA-Kämpfern nicht darum, den “Herrenmenschen” aus Deutschland die Herrschaft über Osteuropa zu ebnen. Ein Flugblatt der UPA-Vorgängerorganisation OUN 1942 sagt es ganz deutlich: „Wir wollen nicht für Moskau, die Juden, die Deutschen und andere Fremde arbeiten, sondern für uns.“

Wie treu ergeben die heutige Ukraine ihren nationalistischen Vorkämpfern ist, bestätigt ein Schreiben des Kiewer Instituts für Nationale Erinnerung vom 16. Mai 2017. Dort steht schwarz auf weiß, dass es sich bei den Symbolen der 14. Grenadier-Division der Waffen-SS “Galizien” nicht um “Symbole des nationalsozialistischen totalitären Regimes, deren Verbreitung und Zurschaustellung in der Ukraine verboten ist”, handelt. So einfach ist das.

Ach, Frau von der Leyen, verehrte Ministerin, besäßen Sie doch nur ein Quentchen von der Biegsamkeit Ihrer demokratischen, ukrainischen Freunde. Wieviel Kummer mit Ihren Soldaten bliebe Ihnen jetzt erspart.