Morgenkommentar am 3. Februar 2017

Seit Dienstagabend steht die Kokserei in Awdejewka, eine der größten in Europa. Der Direktor, Mussa Magomedow, postete auf Facebook, dass jetzt auch das vierte Rohr der Gasversorgung unterbrochen ist. Die Stadt unweit Donezk’ liegt im Zentrum der neu aufgeflammten Kämpfe im ukrainischen Bürgerkrieg.

Politik und Medien im Westen haben sofort eine Antwort, und es ist immer dieselbe: Russland ist schuld. Selbst der Wechsel im Weißen Haus ändert daran nichts. Die neue US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, verurteilte „die russische Aggression“.

Offensichtlich fragt sich im Westen niemand, welchen Nutzen der Kreml sich ausgerechnet von der Eskalation in Awdejewka verspricht. Wenn die Russen Kiew einnehmen wollten, stünden Sie längst dort.

Aber „der Russe“ will Kiew gar nicht einnehmen, auch nicht Tallinn, Warschau, Bukarest, Berlin oder Paris. Die Hartnäckigkeit, mit dem man ihm – jedenfalls unterschwellig – das Gegenteil unterstellt, ist einer der Gründe, warum hierzulande ein guter Teil des Publikums den eigenen Medien nicht mehr glaubt.

Die größte Schwäche des Westens ist seine Selbstverliebtheit. Der Selbstverliebte aber ist ein leichtes Opfer. Wer ihm schmeichelt, ihm Honig um den Bart streicht wie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko – unmöglich, dass so jemand nicht das Gute, das Allerbeste im Schilde führt.

Das Spiel mit den großen Nachbarn, mit Russland und dem Westen, bleibt das Markenzeichen der Kiewer Politik. Egal, wer im Präsidentensessel sitzt: Krawtschuk, Kutschma, Juschtschenko, Janukowytsch oder Poroschenko. Zur Abwechslung ist derzeit ein Teil der US-amerikanischen politischen Elite mit von der Partie. Die Washingtoner Falken. Aber auch das ist nur Episode.