„Russische Wirtschaft in Knie zwingen“: Anhörungen des US-Senats zu Russland-Sanktionen
Der US-Senat beriet am Dienstag, 21. August in gleich zwei Anhörungen im Ausschuss für auswärtige Beziehungen sowie im Bankenausschuss über die Wirksamkeit bestehender Russland-Sanktionen und darüber, ob zusätzliche Strafmaßnahmen – beispielsweise gegen das russische Bankenwesen – nötig seien, um Russland von seinem Kurs in Syrien, in der Ukraine und auf der Krim abzubringen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde von den beiden Senatoren Lindsey Graham (Dem.) und Bob Menendez (Rep.) Ende Juli eingebracht.
Ein Beitrag von Alexej Knelz, Leiter Kommunikation der AHK Russland
Senat: Trump-Administration untätig
Die im April eingeführten US-Sanktionen gegen Russland im Rahmen der CAATSA-Verordnung hätten nicht den gewünschten Effekt erzielt und keinen Wandel in Russlands Haltung in Syrien, in der Ukraine oder auf der Krim herbeigeführt. Dieser Tenor herrschte in beiden Anhörungen vor. Unter dem angedeuteten Vorwurf, die Trump-Administration halte wirksame Sanktionen gegen Russland vorsätzlich zurück, wurde in der Hauptsache Vize-Finanzministerin Sigal Mandelker im Bankenausschuss befragt. Sie solle weitere mögliche Angriffspunkte der russischen Wirtschaft nennen, um diese effizient „in die Knie zu zwingen“ (Sen. John Kennedy, Republikaner, der im Rahmen einer Delegation Anfang Juni nach Moskau gereist war).
Administration: neue Gesetze nicht nötig
Vertreter der Administration wiederholten einstimmig, dass alle notwendigen politischen Hebel in ausreichender Druckstärke vorhanden und neue Gesetze somit nicht notwendig seien. So habe das Finanzministerium am Tag der Anhörung zwei russische Staatsbürger, eine russische Firma und ein slowakisches Unternehmen sanktioniert, die versucht haben sollen, die im Juni wegen Cyberangriffen verhängte US-Sanktionen zu umgehen. Darüber hinaus wurden zwei russische Reedereien in Wladiwostok und sechs russische Schiffe sanktioniert. Sie werden verdächtigt, Erdölprodukte an nordkoreanische Schiffe weitergegeben zu haben, was nach Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verboten ist.
Russlands EU-Partner und Nord Stream 2
Einige Senatoren nannten explizit die Energiewirtschaft als den wirkungsvolleren Hebel im Vergleich zu den Sanktionen gegen die russische Rüstungsindustrie. Auch europäische Handelspartner Russlands wurden erwähnt. Mandelker betonte den ständigen Kontakt der US-Administration mit den EU-Institutionen, dennoch würde die EU von Russland energiepolitisch in Geiselhaft gehalten. Auf die Nachfrage, ob die EU die USA bei weiteren Aktionen speziell in Bezug auf das Gaspipeline-Projekt Nord Stream 2 unterstützen würde, hieß es aus dem Außenministerium: „That‘s an ongoing piece of the diplomatic challenge“.
Konsens: bestehende Sanktionen wirksam, weitere nötig
Die weitere Verschärfung bestehender Russland-Sanktionen hat der Senat nicht entschieden. Dennoch seien weitere Maßnahmen gegen die russische Wirtschaft richtig und wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund anhaltender Aktivitäten russischer Hacker: Am Abend vor der Anhörung behauptete der US-Softwarekonzern Microsoft, dass die jüngste Cyberattacke auf den Senat und zwei Denkfabriken – beide republikanische Institute, die Donald Trumps Russlandpolitik ausgesprochen kritisch gegenüberstehen – auf das Konto von einer Hackergruppen gehe, die bereits den US-Wahlkampf 2016 manipuliert haben sollen und dem russischen Militärgeheimdienst GRU angehören.
Schärferes Sanktionsgesetz wahrscheinlich
Der Konsens zwischen dem Kongress und der Administration darüber, dass Russland die US-Wahlen manipuliert hat, lässt Präsident Trump keinen Spielraum für eine freundlichere Russland-Politik. Zwei weitere Senatoren, Marco Rubio (Rep.) und Chris Van Hollen (Dem.) haben bereits seit Januar einen Gesetzesentwurf zu Russland-Sanktionen in der Pipeline. Dieser sieht Strafmaßnahmen vor, falls auch die kommenden US-Zwischenwahlen im kommenden November durch Russland manipuliert werden sollten. Wie die Agentur Bloomberg meldet, haben Rubio und Van Hollen den Anhörungen angekündigt, das eigene Sanktionsgesetz mit derart starker Befürwortung aufzusetzen, dass das Weiße Haus nicht einmal daran denken würde, ein Veto einzulegen.
Das macht weitere US-Strafmaßnahmen gegen Russland sehr wahrscheinlich. Eine Tendenz zu einer bestimmten Gesetzesinitiative ist nicht auszumachen.
Überdrehen der Sanktionsspirale
Ein wichtiger Termin in der Zukunft ist der 20. November 2018. Das wären 90 Tage nach dem 22. August, als auch die Sanktionen der US-Administration in Kraft traten, die im Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal verhängt wurden. Ab jetzt dürfen unter anderem Güter mit Bedeutung für die nationale Sicherheit und technische Geräte wie Gasturbinen, Computerchips und hochempfindliche Messgeräte nicht mehr aus den USA nach Russland exportiert werden.
Die russische Regierung hat 90 Tage Zeit stichhaltig zu belegen, keine Chemiewaffen genutzt zu haben (dies setzt die Sichtung russischer Chemie- und Militärlabore durch US-Inspekteure voraus) und zu erklären, diese Waffen nicht benutzen zu wollen. Sollte das nicht erfolgen, treten nach dem US-Recht automatisch mindestens drei weitere Maßnahmen aus dem Sanktionskatalog in Kraft. Diese können sein:
- Stopp von direkten oder indirekten Kreditvergaben durch US-Banken an Russland
- US-Blockade aller Unterstützungsmaßnahmen internationaler Währungsorganisationen für die russische Wirtschaft
- Verbote aller Importe aus Russland
- Verbote aller Exporte nach Russland mit Ausnahme von Lebensmitteln
- Flugverbote für russische Fluggesellschaften in die USA
- Einstellung diplomatischer Beziehungen zu Russland
Nach Berechnungen des State Departments würden diese Maßnahmen alle staatlichen und staatsnahen Unternehmen Russlands treffen, die bis zu 70% der russischen Wirtschaftsleistung generieren und 40% der russischen Arbeitnehmer beschäftigen.
Spannung innerhalb der EU steigt: Großbritannien plädiert für mehr Sanktionen
Der britische Außenminister Jeremy Hunt hat auch seitens der EU Sanktionen gegen Moskau wegen des Giftattentats gefordert. Das ging aus einer Rede hervor, die Hunt am Dienstag während eines Besuchs in Washington halten sollte.
Außenminister Maas: „Wir lassen nicht zu, dass die USA über unsere Köpfe hinweg handeln“
In seinem Meinungsartikel für das Handelsblatt, der unmittelbar vor den Anhörungen im US-Senat veröffentlicht wurde, diese aber nicht zum Gegenstand hat, deutete der deutsche Außenminister Heiko Maas im Zusammenhang mit den US-Sanktionen gegen den Iran Details seiner Strategie für den Umgang mit den USA an. So schlug der SPD-Politiker die Loslösung von US-Instituten, die Gründung eines EU-eigenen Währungsfonds und die Einführung eines europäischen, SWIFT-unabhängigen Bezahlsystems vor. Kanzlerin Angela Merkel reagierte verhalten, betonte aber, dass Maas zum Ausdruck bringe, was sie selbst auch schon gesagt habe: Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Russland reagiert mit Importsubstitution, Orientierung nach Asien und Ausstieg aus dem Dollar
Die russische Wirtschaft habe sich auf die Sanktionen eingestellt und wisse ihre Wirkung auszugleichen, sagte der Minister für Industrie und Handel Denis Manturow. Elektronik-Produkte sollen künftig weiter substituiert oder aus den asiatischen Märkten importiert werden, die Russland „offen stünden“. Sein Ministerium plane außerdem, Export-Geschäfte im Dual-Use-Bereich künftig in den jeweiligen Landeswährungen abzuwickeln.
Auch Finanzminister Anton Siluanow schließt nicht aus, dass die künftigen Öl-Geschäfte in anderen Währungen, darunter auch dem Rubel, kalkuliert werden könnten: „Der Dollar als Weltwährung ist zum Risikofaktor geworden“, betonte er.
Die Sanktionen seien kontraproduktiv, sinnlos und bringen nichts, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Sotschi. „Ich hoffe, dass diese Einsicht eines Tages auch beim US-Establishment einkehren wird, damit wir zur Normalität zurückkehren können“, betonte Putin.
Der russische Regierungschef Dmitrij Medwedew schlug den härtesten Ton an. Sollten die USA tatsächlich Strafmaßnahmen gegen russische Banken verhängen, so komme dies der Erklärung eines Wirtschaftskrieges gleich, auf die Russland unmittelbar reagieren werde – „mit wirtschaftlichen, politischen und falls nötig auch anderen Mitteln“.
AHK Russland zu den US-Sanktionen
Die deutsche Wirtschaft in Russland hat unter den eingeführten US-Sanktionen enorm gelitten. Allein durch ausfallende Neugeschäfte werden deutsche Unternehmen im russischen Markt kurzfristig mehrere hundert Millionen Euro verlieren. Über Jahre rechnen die Firmen mit Ausfällen von mehreren Milliarden Euro. Das haben sie in einer AHK-Umfrage zu den US-Sanktionen im April 2018 angegeben (Zur Auswertung). Darüber hinaus wäre die Umorientierung der russischen Wirtschaft auf die Märkte in Asien die langfristige Folge.
Quellen:
OFAC 1 (EN), OFAC 2 (EN), Bloomberg 1 (EN), Bloomberg 2 (EN), Reuters (EN), Forbes (EN), Wall Street Journal (EN), New York Times (EN), Microsoft (EN), Handelsblatt, Handelsblatt 2 (Paywall), Handelsblatt 3, Der Standard, Welt.de, Tagesschau, Deutschlandfunk, Kommersant (RU), Meduza (RU), RBC 1 (RU), RBC 2 (RU), RBC 3 (RU), RBC 4 (RU), The Bell (RU), TASS 1 (RU), TASS 2 (RU), RIA (RU), Interfax (RU), Vedomosti (RU).
Die beiden Anhörungen sind auf Video online verfügbar:
Zusammengestellt von Alexej Knelz, Leiter Kommunikation AHK Russland. knelz@russland-ahk.ru
Diese Meldungen stammen aus dem Morgentelegramm der AHK Russland. Das Morgentelegramm ist ein exklusiver AHK-Newsletter mit einer Nachrichtenübersicht zur Wirtschaft in Russland.
Quelle: Orhan Cam | Shutterstock.com[/su_spoiler]