Russische Wirtschaft: Wachsender Optimismus trotz Sanktionen

Mitte August sollten es noch knapp 7 Prozent sein. Jetzt rechnet das russische Wirtschaftsministerium für 2022 und 2023 nur noch mit einer Rezession um insgesamt knapp 4 Prozent – trotz immer umfassenderer Sanktionen.

Etwas skeptischer beurteilt das Forschungsinstitut der staatlichen Vneschekonombank („Bank für Außenwirtschaft“) die Perspektiven der russischen Wirtschaft. Es erwartet, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion bis Ende 2023 um knapp 5 Prozent schrumpft. Auch das Konjunkturforschungsinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften sieht die Konjunkturentwicklung nicht ganz so zuversichtlich wie das Wirtschaftsministerium.

BIP-Prognosen 2022 bis 2023

Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in Prozent

Deutsche Experten: „Massive Verschlechterung” der Wachstumsausichten

Viel gravierendere Wachstumsverluste als die russische Regierung erwartet das Kieler Institut für Weltwirtschaft von den Sanktionen. Es rechnet in seiner „Herbstprognose“ in den beiden Jahren 2022 und 2023 mit einem scharfen Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts um insgesamt knapp 10 Prozent (2022: – 4,7 Prozent; 2023: – 4,9 Prozent). Nach Einschätzung des IfW Kiel haben sich zudem vor allem die längerfristigen Wachstumsaussichten für die russische Wirtschaft „massiv verschlechtert“, weil mit den Sanktionen ein Rückgang des internationalen Austauschs von Waren, aber auch von Dienstleistungen und Knowhow, verbunden sei.

„Massive“ Produktionsverluste und einen lang anhaltenden wirtschaftlichen Niedergang erwarten für Russland auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher und Stefan Meister, Russland-Experte der DGAP (siehe Ende des Artikels).

Das Wirtschaftsministerium senkt seine Rezessionsprognosen für 2022 und 2023

Wirtschaftsminister Reschetnikow stellte die neue Planung für die sozioökonomische Entwicklung bis 2025 am Mittwoch im Föderationsrat vor. Am Donnerstag war sie Thema einer Regierungssitzung.

Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung Russlands prognostiziert laut Finmarket.ru jetzt, dass der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr auf 2,9 Prozent beschränkt bleibt (bisherige Prognose: Rückgang um 4,2 Prozent).

Das Ministerium geht davon aus, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion ihren Tiefpunkt im vierten Quartal 2022 durchschreiten wird. Trotz der im Verlauf des Jahres 2023 anziehenden Produktion werde die russische Wirtschaft im Durchschnitt des nächsten Jahres gegenüber 2022 aber noch um 0,8 Prozent schrumpfen. Ursachen dafür seien hauptsächlich die hohe Vergleichsbasis der Produktion im ersten Quartal 2022 und ein Rückgang der Nettoexporte. Der BIP-Rückgang werde mit 0,8 Prozent aber deutlich niedriger sein als bisher erwartet wurde (- 2,7 Prozent gegenüber 2021).

Während der beiden „Rezessionsjahre“ wird die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote laut Wirtschaftsministerium von 4,2 Prozent im Jahr 2022 auf 4,4 Prozent im Jahr 2023 steigen.

Prognose: 2025 ist die Rezession wettgemacht. Die Arbeitslosenquote sinkt ab 2024

In den Jahren 2024 und 2025 wird das BIP laut der Prognose des Wirtschaftsministeriums aufgrund des Wachstums der Inlandsnachfrage von Verbrauchern und Investoren mit einer durchschnittlichen Rate von 2,6 Prozent pro Jahr wachsen, so dass der Rückgang der Produktion in den Jahren 2022 (- 2,9 Prozent) und 2023 (- 0,8 Prozent) im Jahr 2025 ausgeglichen sein wird.

Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote werde dabei nach einem Rückgang auf 4,3 Prozent im Jahr 2024 im Jahr 2025 weiter auf 4,1 Prozent sinken.

Die Investitionsaktivitäten halten sich viel besser als erwartet

Das Wirtschaftsministerium hat seine Prognose für die Entwicklung der Anlageinvestitionen deutlich nach oben revidiert. Nach der neuen Prognose werden sie 2022 nur um 2 Prozent sinken (statt wie bisher erwartet um 10,8 Prozent). Minister Reschetnikow sagte im Föderationsrat, auch die Regierung sei vom starken Wachstum der Investitionen im zweiten Quartal 2022 um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal überrascht worden. Die Unternehmen hätten so viele Investitionsvorhaben wie möglich abgeschlossen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass sich diese Entwicklung im zweiten Halbjahr fortsetze.

Für 2023 wird ein Rückgang der Anlageinvestitionen um 1 Prozent erwartet (statt – 4,9 Prozent). Danach werden die Investitionen laut dem Ministerium wieder wachsen: um 3,9 Prozent im Jahr 2024 und um 3,7 Prozent im Jahr 2025.

Beim privaten Verbrauch rechnet das Ministerium bereits ab 2023 mit einer Erholung, allerdings nach einem tiefen Einbruch im Jahr 2022. Die realen Einzelhandelsumsätze, die eng an die Verbrauchernachfrage gekoppelt sind, dürften laut der Prognose 2022 um 6,1 Prozent fallen. Ab 2023 wird ein Wachstum der Umsätze mit einer Jahresrate von rund 3 Prozent erwartet (2023: + 2,7 Prozent; 2024: + 3,7 Prozent; 2025: + 3,1 Prozent).

Das Inflationsziel von 4 Prozent soll 2024 erreicht werden

Der Anstieg der Verbraucherpreise, der sich bereits von 17,8 Prozent im April 2022 auf 14,3 Prozent im August verlangsamte, sinkt Ende 2022 laut der Prognose auf 12,4 Prozent (bisher wurde ein Rückgang auf 13,4 Prozent erwartet). 2023 verringert sich die Inflationsrate nach Einschätzung des Wirtschaftsministeriums auf 5,5 Prozent. 2024 und 2025 soll das angestrebte Inflationsziel von 4 Prozent erreicht sein.

Die moderaten Realeinkommensverluste werden rasch aufgeholt

Die real verfügbaren Einkommen der Bevölkerung nehmen bei dieser Inflationsentwicklung 2022 laut der Prognose des Wirtschaftsministeriums nach Angaben im Wochenbericht des Forschungsinstituts der Vnesheconombank zwar um 2,2 Prozent ab. Dieser Rückgang wird aber 2023 mit einem Anstieg um 1,6 Prozent zu rund zwei Dritteln ausgeglichen. 2024 steigen die realen Einkommen weiter um 2,8 Prozent und 2025 um 2,5 Prozent.

Die Reallöhne werden voraussichtlich etwas stärker zulegen als die verfügbaren Einkommen. Ein Rückgang der Löhne um 2 Prozent im Jahr 2022 wird 2023 mehr als ausgeglichen (+ 2,6 Prozent). 2024 steigen die Reallöhne um 2,9 Prozent, 2025 um 2,8 Prozent.

Bis 2023 abnehmende Ölförderung, bis 2025 sinkende Ölpreise

Russlands Ölförderung wird laut einer Mitteilung des Finanzministeriums, über die Finam.ru berichtet, 2022 auf 515 Millionen Tonnen sinken. 2023 wird ein weiterer Rückgang auf 490 Millionen Tonnen erwartet. 2024 und 2025 soll sich die Förderung mit  rund 500 Millionen etwas erholen.

Die Prognose des Wirtschaftsministeriums geht davon aus, dass id Urals-Ölpreise angesichts der Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft bis 2025 sinken werden: Von 80 US-Dollar je Barrel im laufenden Jahr auf 70 US-Dollar im Jahr 2023  und weiter auf 65 Dollar im Jahr 2025.

Das Budgetdefizit soll nur bis 2023 auf 2 Prozent des BIP steigen

Für 2022 wird laut Finam.ru vom Finanzministerium im föderalen Haushalt ein Defizit von 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet (das ohne die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor 8,9 Prozent betragen würde).

Das Defizit soll nur bis 2023 weiter auf 2,0 Prozent des BIP steigen. Für 2024 und 2025 ist ein Rückgang auf 1,4 Prozent bzw. 0,7 Prozent des BIP geplant. Olga Belenkaya (Chef-Volkswirtin des Finanzportals Finam.ru) hat in der folgenden Abbildung die neuen Planungen für die Entwicklung der Defizitquote (rote Linie) mit den bisherigen Planungen vom Juni (blaue Linie) verglichen.

Anteil des Defizits im föderalen Haushalt am BIP in Prozent

Olga Belenkaya, Finam.ru: Fiscal risks rise, 20.09.2022

Die öffentliche Verschuldung der Russischen Föderation wird laut der Finanzplanung dabei von 16,9 Prozent des BIP im Jahr 2023 auf 17,5 Prozent des BIP im Jahr 2025 zunehmen.

VEB-Institut: 2022 läuft die Konjunktur besser als erwartet, 2023 aber schlechter

Weiter gesenkt hat auch das Forschungsinstitut der staatlichen Vnesheconombank seine Rezessionsprognose (Studie: „The current situation and the forecast for the development of the Russian economy under sanctions“), aber nur für das laufende Jahr, in dem es jetzt einen Rückgang des BIP um 3,7 Prozent erwartet (bisher: – 4,6 Prozent).

Für das nächste Jahr geht das VEB-Institut jetzt jedoch von einem Produktionsrückgang um 1,2 Prozent aus. Bisher hatte es erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt 2023 kaum weiter schrumpft (- 0,3 Prozent).

Den Prognosen des VEB-Instituts kommt in Deutschland die „Herbstprognose“ des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, IWH, am nächsten. Das IWH erwartet, dass die russische Wirtschaft 2022 um 3,5 Prozent und 2023 um 2,6 Prozent schrumpft.

VEB-Institut: Die Rezession war bisher schwächer als erwartet

Zur monatlichen Entwicklung des saisonbereinigten Bruttoinlandsprodukts veröffentlichte das VEB-Institut in seiner neuen Prognose die folgende Abbildung. Sie zeigt, dass das reale Bruttoinlandsprodukt laut den Berechnungen des VEB-Instituts bis zum Ende des Jahres 2021 saisonbereinigt noch gestiegen ist. Im ersten Quartal 2022 stagnierte es auf dem im vierten Quartal 2021 erreichten Niveau. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine und der Verhängung von weiteren Sanktionen sank es im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 5,8 Prozent.

Wie verkraftet Russlands Wirtschaft die Folgen der umfassenden Sanktionen?

Bruttoinlandsprodukt 2019 = 100 (saisonbereinigt)

Vnesheconombank Institute: The current situation and the forecast for the development of the Russian economy under sanctions, 20.09.2022

Im Juli 2022 erholte sich das BIP gegenüber Juni laut ersten Schätzungen zwar etwas. Im gesamten dritten Quartal erwartet das VEB-Institut aber gegenüber dem Vorquartal einen weiteren BIP-Rückgang um 0,6 Prozent. Auch im vierten Quartal 2022 dürfte das Bruttoinlandsprodukt noch sinken (- 1,5 Prozent gegenüber Vorquartal).

Die Konjunkturentwicklung verlief in den ersten sieben Monaten, so das Institut, besser als erwartet. So seien die Anlageinvestitionen im ersten Halbjahr 2022 um 7,8 Prozent höher als vor einem Jahr gewesen. Das Statistikamt Rosstat habe zwar noch keine Informationen zu den Ursachen für das starke Wachstum der Investitionen veröffentlicht. Das VEB-Institut geht jedoch davon aus, dass es auf Investitionen im Öl- und Gasbereich zurückzuführen ist. Die real verfügbaren Einkommen der Bevölkerung seien im ersten Halbjahr im Vorjahresvergleich nur um 0,8 Prozent gesunken.

Im Jahresvergleich 2022 gegenüber 2021 rechnet das VEB-Institut jetzt mit einem Rückgang des BIP um 3,7 Prozent (bisherige Prognose: – 4,6 Prozent). Das VEB-Institut schließt aber nicht aus, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion im Jahr 2022 bei einer günstigen Entwicklung der Investitionen noch weniger als -3,7 Prozent schrumpfen wird. Der Tiefpunkt der gesamtwirtschaftlichen Produktion dürfte im vierten Quartal 2022 erreicht sein.

Nach Einschätzung des Instituts sind die Risiken aber hoch, dass sich die russische Wirtschaft nicht so schnell erholt wie nach dem Einbruch in der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 und sich der Rückgang der Produktion im ersten Halbjahr 2023 fortsetzt.

Vergleich der Prognosen des Wirtschaftsministeriums und des VEB-Instituts

Das VEB-Institut vergleicht in seinem am Freitag veröffentlichten Wochenbericht seine Prognosen mit den Prognosen des Wirtschaftsministeriums. Die folgende Tabelle zeigt die Prognosen für die Entwicklung

  • des Urals-Ölpreises,
  • des realen Bruttoinlandsprodukts,
  • der realen  Anlageinvestitionen
  • des realen Einzelhandelsumsatzes
  • der real verfügbaren Einkommen der Bevölkerung
  • des jährlichen Anstiegs der Verbraucherpreise im Dezember
  • des Wechselkurses von Rubel und US-Dollar
  • der Ausfuhren in Mrd. US-Dollar
  • der Einfuhren in Mrd. US-Dollar

Makroökonomische Prognosen des Wirtschaftsministeriums und des VEB-Instituts

VEB-Institute:  Overview of the global economy and markets (September 16 – 22, 2022), 23.09.2022

Prognosen von Wirtschaftsministerium und VEB-Institut zur Außenwirtschaft

Die Ölpreis- und die Wechselkursprognosen von Wirtschaftsministerium und VEB-Institut unterscheiden sich nur wenig. Beide rechnen damit, dass die diesjährige Aufwertung des Rubel gegenüber dem US-Dollar im Verlauf der nächsten vier Jahre weitgehend abgebaut wird. Den Urals-Ölpreis erwarten beide im Jahr 2022 bei rund 80 US-Dollar und in den Jahren 2023 bis 2025 wieder etwa auf dem Niveau des Jahres 2021 (knapp unter 70 US-Dollar).

VEB-Institut erwartet deutlich schwächere Entwicklung der russischen Exporte

In der Handelsbilanz erwartet das Wirtschftsministerium im Jahr 2022 einen starken Anstieg der russischen Exporterlöse um rund 17 Prozent von 494 auf 579 Milliarden US-Dollar. Das VEB-Institut rechnet nur mit einem rund halb so starken Anstieg der Exporte auf 535 Milliarden US-Dollar (rund + 8 Prozent).

Auch die Entwicklung der Ausfuhren in den nächsten Jahren sieht das Institut der Bank für Außenwirtschaft deutlich skeptischer als das Ministerium. Während das Wirtschaftsministerium erwartet, dass die russischen Ausfuhrerlöse in den Jahren 2023 bis 2025 rund 7 Prozent höher als im Jahr 2021 bleiben, rechnet das VEB-Institut damit, dass die Erlöse schon im nächsten Jahr etwas niedriger sein dürften als 2021 und bis 2025 stetig sinken. Auch das VEB-Institut erwartet aber, dass Russland weiterhin hohe Exportüberschüsse erzielen wird.

Kieler IfW: Russlands Rezession wird 2023 unvermindert anhalten

Nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft wird Russlands Rezession deutlich schärfer sein als die russische Regierung und das VEB-Institut erwarten. Das IfW rechnet in seiner „Herbstprognose“ in den beiden Jahren 2022 und 2023 mit einem Rückgang des russischen Bruttoinlandsprodukts um insgesamt knapp 10 Prozent (2022: – 4,7 Prozent; 2023: – 4,9 Prozent, s.S. 22).

Das Institut weist allerdings auf die unsichere Datenlage hin. Die Auswirkungen der Sanktionen auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität seien nicht leicht zu beurteilen, da viele statistische Informationen nicht mehr zur Verfügung gestellt würden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die veröffentlichten Zahlen „von politischer Seite beeinflusst werden“.

Wachstumsaussichten Russlands auf längere Sicht „massiv verschlechtert“

Das IfW streicht heraus, dass sich angesichts des mit den Sanktionen verbundenen Rückgangs des internationalen Austauschs von Waren, aber auch von Dienstleistungen und Knowhow, auch die längerfristigen Wachstumsaussichten für die russische Wirtschaft „massiv verschlechtert“ hätten.

Ähnlich pessimistisch beurteilen Dr. Stefan Meister, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, im ntv-Podcast “Wirtschaft Welt & Weit” die Perspektiven der russischen Wirtschaft.

Meister betont, dass die vom Westen verhängten Sanktionen nicht sofort, sondern nur mit einer zeitlichen Verzögerung wirken. Er erwartet, dass es einen massiven Einbruch der russischen Industrieproduktion geben wird. Es werde auch massive Auswirkungen auf dem russischen Arbeitsmarkt geben.

DIW-Präsident Fratzscher: Russland braucht ein neues Wirtschaftsmodell

DIW-Präsident Fratzscher weist darauf hin, dass die Rezession der Wirtschaft in Russland sehr viel stärker sei als die Rezession, die wir jetzt in Deutschland erlebten. Zudem treffe die Rezession Russland viel härter als Deutschland, da Russland ein viel ärmeres Land sei (siehe zur Rezession in Deutschland: Focus/dpa-Bericht: „Wir werden alle ärmer aus der Krise kommen“).

Der DIW-Präsident betont, dass Russland sein Wirtschaftsmodell umstellen müsse.

Derzeit exportiere Russland sehr viele Rohstoffe, müsse aber viele andere Waren importieren.  Das Modell Öl, Gas und Kohle nach Europa zu exportieren, um damit die Einfuhren zu finanzieren, werde in Zukunft nicht mehr funktionieren. Russlands Wirtschaft  müsse andere komparative Stärken im internationalen Wettbewerb entwickeln.

Augenblicklich sei die Welt zwar noch so stark von fossilen Energieträgern abhängig, dass Russland davon profitiere. Das werde sich aber ändern. Auch Indien und China wollten sich, so Fratzscher, nicht auf Ewigkeiten in eine Abhängigkeit von Russland begeben.

Fratzschers Progose für Russland ist, dass das Land einen massiven und lang anhaltenden wirtschaftlichen Niedergang erfahren wird, wenn es seinen Kurs nicht wechselt. Er äußert im Podcast die Hoffnung, dass es bald ein neues Regime in Russland geben wird, das wieder die Nähe zu Europa sucht.

Eine andere Meinung: Volker Hellmeyer

Folker Hellmeyer, Chefvolkswirt der Netfonds AG, sieht in erster Linie den Westen als Verlierer der Sanktionspolitik. Er meint in einem Wallstreet online-Interview zu den Auswirkungen der westlichen Sanktionspolitik, dass der Westen, die USA und Europa, am Ende am stärksten von den Sanktionen betroffen sei. Hier gebe es die größten negativen Anpassungen der BIP-Prognosen.

Die negative Wirkung der Sanktionen auf Russland sei vollkommen überschätzt worden. Ihre negative Wirkung auf den Westen, insbesonders auf Europa, sei hingegen vollkommen unterschätzt worden. In Europa werde heute das Thema Rezession diskutiert.

Hellmeyer folgert: Wer sich freiwillig von preiswerter Energie abschneidet, verliert Konkurrenzfähigkeit und generiert für die eigene Bevölkerung dramatische Nachteile.

Ostexperte.de-Artikel zu Konjunktur und Wirtschaftspolitik in Russland
von
Klaus Dormann:

Weitere Lesetipps und Quellen im PDF-Dokument, unter anderem zu:

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