Tag Eins der Münchener Sicherheitskonferenz: Was ein alljährliches Ritual war, ein Branchentreff der Sicherheitspolitiker – zuerst im Kalten Krieg, dann in den “geschichtslosen” (Francis Fukuyama) Jahren nach 1990 -, ist in diesem Jahr Bühne des Neuen, Unvorhersagbaren, Unbekannten.
Der staatstragende Teil des Westens blickt in die Zukunft wie in ein schwarzes Loch. Er hat Vorstellungen, aber keinen Plan. Regelbasierte Außenpolitik, tolerante, liberale Gesellschaften, autonome Individuen … viel mehr ist da nicht. Religion: Privatsache. Kultur: Jeder wie er will, am besten multi. Machtausübung: ganz schlecht, erst recht Einflusssphären und anderes aus der autoritären Mottenkiste. Friede: ganz wichtig. Demokratie: unbedingt.
Oberschüler mit heißem Herzen mögen sich darin wiederfinden. In einer Welt jahrtausendealter Zivilisationen, aller technischen Globalisierung zum Trotz, scheitert die neue westliche Selbstbeschreibung an ihrer Beliebigkeit. Und daran, dass ihre Verfechter sogar im eigenen Lager an Unterstützung verlieren. Brexit, Trump, bald vielleicht Geert Wilders, Marine Le Pen …
Ist die heute beginnende Konferenz die erste im post-westlichen Zeitalter? Die von außerhalb erhobenen Vorwürfe sind alt; vor genau zehn Jahren hat Wladimir Putin sie in München auf den Punkt gebracht. Begriffen hat man sie bis heute nicht. Derzeit wird darauf gesetzt, das “Projekt Europa” militärisch wiederzubeleben. Wozu? Um das Feindbild Russland zu bedienen?
Nostalgisch hängen die europäischen Eliten an der Vergangenheit, als alles so schön und einfach war: der ideologische Feind, die europäische Einigung im Gedenken an den großen Krieg, Fortschritt und Wohlstand, die USA an unserer Seite und die Dritte Welt in gehörigem Abstand. Kein Pivot to Asia, kein Südchinesisches Meer, kein IS, der unsere Weihnachtsmärkte terrorisiert. Die gute alte Zeit.
Dabei täte es not, nach vorn zu schauen, in eine neue Welt, eine entstehende neue Weltordnung, die mit den Reflexen der alten nicht mehr zu beherrschen ist. Das fällt vielen schwer.