Wie ich zu meinem Lada Niva kam (2)

Mein Lada Niva – Teil 2: Das Fahrerlebnis. Meine erste Fahrt von St. Petersburg nach Moskau

[accordion open_icon=”remove” closed_icon=”plus”] [toggle title=”Zusammenfassung des 1. Teils” open=”yes”]Mit dem Rubel-Absturz im Winter 2014/15 beschloss ich, mir in Russland einen Lada Niva 2131, die größere, fünftürige Variante des russischen Geländewagen-Klassikers zu kaufen.

Das stellte sich als komplizierter heraus als gedacht. Für den Kauf fuhr ich sogar von Moskau nach St. Petersburg, weil das Modell nicht vorrätig war. Eine Probefahrt war bei keinem der Händler möglich. Nach einer Fahrt auf einem Parkplatz erstand ich dann meinen Lada. [/su_spoiler]

Dieser Artikel ist die Fortsetzung der dreiteiligen Artikel-Serie “Wie ich zu meinem Lada Niva kam”. Hier geht es zum 1. Teil. 


Die Fahrt von St. Petersburg zurück nach Moskau – ca. 850 km – war also mein erster richtiger Kontakt mit dem Lada Niva. Deshalb waren die Eindrücke, die ich dabei gewann, und die ich in diesem Post beschreiben werde, umso intensiver.

Lada Niva – typisch russisch-sowjetische Bauweise

Der Lada Niva 2131 macht zwar einen großen und robusten Eindruck, wirkt insgesamt jedoch keineswegs grobschlächtig, plump oder brutal. Nein, das zeitlos-elegante Fiat-Design ist durchaus zu erkennen.

Spätestens beim Anblick der schmucklosen matt-grauen Felgen mit den großen unverblendeten Radmuttern ist man jedoch wieder in Russland und ich werde bei diesem Anblick immer an die Antriebsräder und Laufrollen des sowjetischen T-34 Weltkriegs-Panzers erinnert, den ich im Militärmuseum Belgrad gesehen habe und gegen den die gleichen Bauteile des daneben stehenden deutschen Tigerpanzers aus der gleichen Zeit fast zart und filigran wirkten. Die Bauweise des Lada Niva wirkt also typisch russisch-sowjetisch – massiv und unkaputtbar.

Auch seine Türen kommen so massiv daher, dass sie unwillkürlich an einen Panzer, Schützenpanzer oder zumindest ein Militärfahrzeug erinnern. Man muss sie mit Kraft und Schwung zuknallen, damit sie richtig ins Schloß fallen und schließen. Der Klang dabei ist für sich schon jedes mal ein Protest an alle Leisetreter unter den modernen und post-modernen Autofahrern.

Minimalistisch-asketischer Innenraum

Der Innenraum ist sehr übersichtlich, ja minimalistisch-asketisch gestaltet. Elektrische Fensterheber, Klimaanlage und Zentralverriegelung sucht man hier vergeblich. Und auch einen oder gar zwei Airbags gibt es nicht. Stattdessen gibt es die guten alten Handkurbeln, die die Scheiben auch bei Eis und Schnee ohne Probleme öffnen, einen Innenraumventilator mit den Einstellmöglichkeiten warm oder kalt, stark oder sehr stark und einem Geräuschpegel, der gefühlt einem Flugzeugpropeller gleichkommt sowie die vier Türknöpfe, die man alle einzeln bedienen muss. Sie sorgen dann dafür, dass der Fahrer, nachdem die Passagiere dem Gefährt entstiegen sind, immer noch einmal eine Runde um das Auto drehen und jeden Knopf drücken muss. Anstelle des Airbags gibt es im Lenkrad einen „Pralltopf“. Also lieber keinen Unall bauen.

Innenaustattung des Lada Niva
Die Innenaustattung des Lada Niva (Bild von der Website des Herstellers).

Das Amaturenbrett in der Mittelkonsole des Niva enthält eine überschaubare Anzahl von Knöpfen für die wichtigsten Funktionen wie Licht, Scheibenwischer hinten, Scheibenheizung hinten, Innenraumventilator und Nebelrückleuchte. Die Knöpfe sind dabei so groß, einfach und robust gefertigt, dass man sie auch bequem ohne hinzusehen findet und auch mit den gröbsten Fausthandschuhen bedienen könnte.

Warme Kleidung empfiehlt sich im Lada Niva auf jeden Fall, denn immer wenn es draußen kalt ist, muss ich auch den Innenraumventilator auf kalt schalten, weil sonst sofort die Scheiben beschlagen. Auch beschlagfreies Glas oder getrennte Scheibenbenbelüftung gibt es hier nicht.

„Was es nicht gibt, kann auch nicht kaputtgehen!“

„Was es nicht gibt, kann auch nicht kaputtgehen“, das scheint das Motto zu sein, das hinter der minimalistischen Ausstattung steckt. Man beschränkt sich auf das Wesentliche.

Ein Blick auf den Bereich, wo sich bei einem normalen Auto der Schalthebel befindet, zeigt, was beim Lada Niva das Wesentliche ist – die Geländegängigkeit. Um diese bestmöglich zu garantieren, besitzt der Lada Niva permanenten Vierradantrieb plus zuschaltbare Differentialsperre und Untersetzgetriebe. Dort wo ein normales Auto einen Schalthebel hat, hat der Lada Niva also drei (siehe Bild). Wobei der Schaltknüppel für die 5-Vorwärtsgänge und den Rückwärtsgang ungewöhnlich lang ist und mich an den eines Traktors erinnert.

Außerdem findet man in der Mittelkonsole Zigarettenanzünder und Aschenbecher, also die Komfortausstattung der 70er Jahre. Ein Getränkehalter fehlt leider vollkommen. Damals gab es wahrscheinlich noch nicht so viele Tankstellen mit Coffee-To-Go Angebot oder man rauchte einfach mehr und trank weniger Kaffee.

Es ist wirklich kein Rennauto

Soweit zur Schilderung der Ausstattung. Den richtigen Eindruck eines Autos gewinnt man natürlich erst bei der Fahrt und die Strecke von St. Petersburg nach Moskau – ca. 850 km (je nach Strecke und Ziel in Moskau) – war für mich die Gelegenheit, meinen ersten Lada Niva so richtig zu erleben.

Das Fahrgefühl läßt sich am besten mit den Worten aktiv, laut und retro beschreiben.

Gleich beim Losfahren bemerkt man, dass es so gut wie keine funktionierende Schallisolierung zu geben scheint, wie man sie aus modernen Autos kennt. Die Geräusche des Motors, des Fahrtwindes des Innenraumventilators und der Scheibenwischer vermischen sich zum unverwechselbaren Lada Niva-Sound und spätestens, wenn man sich auf der Autobahn befindet, meint man nachvollziehen zu können, wie sich die Autofahrer in den Zeiten gefühlt haben, als sie noch Lederkappen und Schutzbrillen trugen.

Für mich ist dieses Auto eine Flucht aus der Zivilisation und der Übertechnisierung unserer heutigen Gesellschaft – wirklich retro.

Ab einer Geschwindigkeit von 90 km/h fing der Motor dann an, wirklich schrille Geräusche zu machen, die dann aber nach dem Überschreiten der 100 km/h-Grenze wieder leiser wurden und im pfeifenden Fahrwind untergingen. Bis auf 130 km/h habe ich das Auto bei dieser ersten Fahrt bringen können. Das ist dann auch schon die Spitzengeschwindigkeit (laut Hersteller 137 km/h). Auf der Hersteller-Website steht übrigens auch, dass der Wagen in 19 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt.

Es ist wirklich kein Rennauto.

Ein Klangerlebnis

Ich dachte, mit den Geräuschen müsste das bei einem Lada Niva so sein und machte mir keine weiteren Gedanken darüber. Aus dem Handbuch, das ich aber erst nach meiner Ankunft in Moskau las, habe ich dann erfahren, dass man beim Einfahren des Fahrzeugs auf den ersten zig-tausend Kilometer nicht mehr als 90 km/h fahren sollte. Gut, der Niva ist jetzt auch so bestens eingefahren. Beim nächsten Mal, so habe ich es mir vorgenommen, werde ich den Rat beherzigen.

Wie ich zu meinem Lada Niva kamUnd noch ein weiterer Nachtrag zum Fahrtlärm und der begrenzten Schallisolierung. Beim Lada Niva befindet sich das Reserverad vorne im Motorraum. Ein Grund für diese eigentliche ungewöhnliche Stelle der Unterbringung des Ersatzrades ist, dass es dort als zusätzliche Schallisolierung dienen und einen großen Teil des Motorengeräusche schlucken soll. Interessant wäre es, das einmal auszuprobieren, also das Reserverad auszubauen und ohne es auf die Autobahn oder Schnellstraße zu fahren.

Nach einer Tagesfahrt voller neuer Eindrücke kam ich dann gut in Moskau an. Dort fuhr ich den Wagen dann ein, zwei Wochen in der Stadt und testete und belastete ihn im Gelände am Stadtrand. Im Gelände ist der Niva wirklich nicht zu schlagen. Sand, Schlamm, Gebüsch, Steigung und Hindernisse – er kommt überall durch oder drüber und steckt so einiges weg.

Probleme mit der „intelligenten Pedalerie“

Aber schon bald trat ein erstes Problem auf. Es bestand darin, dass der Wagen plötzlich kein Gas mehr annahm. Das heißt, ich trat auf das Gaspedal, der Wagen bewegte sich aber nicht vorwärts, beschleunigte nicht und fiel sogar zurück. Keine angenehme Situation, wenn einem so etwas auf einer Kreuzung oder an einer Steigung passiert. Nach ein paar Tagen Erfahrung und Nachforschungen in diversen Niva-Foren lernte ich, dass man wenn diese Situation auftrat, das Gaspedal erst vollständig loslassen und dann erneut treten sollte. Das half zwar mehr oder weniger für den Moment, war aber natürlich keine Lösung.

Deshalb kam der Wagen schon nach den ersten 960 km in die Werkstatt. Typisch Lada, würde man sagen. Ursache des Problems war ein Defekt an der „intelligenten“ oder elektronischen Pedalerie. Der Sender an dieser Pedalerie verwechselte Gas und Kupplung. Das nenne ich „intelligent“. Und gefährlich.

[blockquote pull=”left” align=”left” attributed_to=”” attributed_to_url=”{{attributed_to_url}}”]Sag niemals Niva[/blockquote]Diese elektronische oder „intelligente“ Pedalerie ist ein Neuerung des Lada Niva und gleichzeitig eine Schwachstelle. Der Vorfall bestätigte im Umkehrschluss das Niva-Motto „Was es nicht gibt, kann nicht kaputt gehen.“ Der Sender wurde auf Garantie repariert und die Empfehlung der Werkstatt lautete, ihn auszutauschen, wenn so ein Problem noch einmal auftrete.

Das Auto sollte nun weiter in das ca. 2800 km von Moskau entfernte Montenegro. Zum Glück passierte mir diese Panne vor meiner Weiterfahrt und nicht unterwegs und auch danach nicht mehr.

Toi, toi, toi. Aber Vorsicht. Sag niemals Niva.

Gute Fahrt.


Hier geht es zum 3. Teil: Die Reise mit dem Lada von Russland nach Montenegro und die Schwierigkeiten bei der Ausfuhr.

Hier geht es zum 1. Teil.  

[accordion open_icon=”remove” closed_icon=”plus”] [toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]Quelle:

Artikel: Dieser Artikel ist zuerst bei www.philipprowe.de erschienen.

Die Innen-Bilder stammen von der Lada-Website.

Lada Niva im Schnee: By Andshel (Own work) [CC BY-SA 4.0 ()], via Wikimedia Commons
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