Lesetipp: „Wir sind die Guten“ von Mathias Bröckers

Lesetipp: „Wir sind die Guten“ von Mathias Bröckers

Ab sofort stellt Ihnen Ostexperte.de regelmäßig ausgewählte Bücher und andere Produkte zu Russland, China und Eurasien vor. Unser heutiger Lesetipp ist „Wir sind die Guten“ von Mathias Bröckers. Exklusiv für Ostexperte.de-Leser veröffentlichen wir einen Auszug aus dem Buch.

„Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren“

Ein Auszug aus dem Klappentext:

Was geht Deutschland die Ukraine an? Und wie kommt es, dass ein gescheitertes Abkommen mit der EU zu einer der gefährlichsten Krisen geführt hat, die Europa in den vergangenen Jahrzehnten erlebte? Alles Putins Schuld? Oder ist die Wahrheit hinter diesem Konflikt, der nun den Frieden eines ganzen Kontinents bedroht, doch komplexer? Und welche Rolle spielen eigentlich die Medien? Sind sie noch unabhängige Berichterstatter oder längst selbst zur Partei geworden? Mathias Bröckers und Paul Schreyer schauen hinter die Kulissen eines politischen Spiels, das tödlicher Ernst geworden ist.

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Mathias Broeckers - Wir sind die Guten
Mathias Bröckers – „Wir sind die Guten. Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren“ im Ostexperte.de-Shop kaufen.

Seit der Westen sich im Kampf mit Putins Russland um die Ukraine wähnt, werden auch in Deutschland längst vergessene Kriegsängste wieder wach. Doch worum geht es in diesem Spiel wirklich? Und welche Rolle spielen die Medien? Irritiert spüren viele Leitartikler, wie ein wachsender Teil der Leserschaft ihnen nicht mehr länger folgt. Öffentliche und veröffentlichte Meinung gehen drastisch auseinander. Kritisiert wird eine Einseitigkeit in der Berichterstattung, die den Medienmachern selbst als böse Unterstellung gilt. Dabei ist das ständige Mantra vom „bösen Putin“ kaum zu überhören. Wie kommt es, dass dem Publikum kein komplexeres Bild zugemutet wird? Bröckers und Schreyer schauen hinter die Kulissen und analysieren neben der Rolle der Medien auch den historischen Hintergrund des Ukraine-Konflikts, sowie die Rolle der Geopolitik. Denn tatsächlich sind Geostrategie und internationale Machtpolitik kein vergangenes Relikt des Kalten Krieges, sondern ein sehr einflussreiches Instrument der Gegenwart. Wer aber sind die realen Akteure und welche Interessen verfolgen sie?

Leseprobe: Die Guten und die Bösen

Wladimir Putin ist Macho und Macher, Zar und Star, coole Sau und weiser Patriarch – der Alleskönner in der Champions League der Weltpolitik. Er angelt die dicksten Fische, reitet zu Pferd durch die Taiga, fliegt mit Kranichen im Ultraleichtflieger und steuert Düsenjets. Er betäubt den sibirischen Tiger mit einem gezielten Schuss, spielt Klavier, singt Fats Domino und kann Goethe rezitieren. Er ist sportgestählt und trägt den schwarzen Gürtel im Judo, ist Doktor der Rechtswissenschaft, Ex-Major des Geheimdiensts und Präsident des größten Flächenlands der Erde. Ohne Frage: ein Held.

Kaum ein Tag vergeht ohne Fototermine, deren Bilder diesen Mythos bis in den hintersten Winkel des russischen Riesenreichs transportieren. Solche Inszenierungen gehören überall in der Welt zum Alltag politischer PR, doch kaum einer aus der Riege internationaler Spitzenpolitiker kann es in Sachen Multitasking und Allroundtalent mit der Show dieses Supermanns aufnehmen – Putin ist Kult. Selbst Kritiker dieser selbstreferentiellen Herrscherinszenierung bekennen: Der Kerl hat es irgendwie drauf.

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Während im Westen derlei Attitüden und Inszenierungen in der Regel als Beleg für den Rückfall in absolutistische Herrschaftsformen gesehen werden, wird Präsident Putin in seiner dritten Amtszeit von der heimischen Bevölkerung höher geschätzt als je zuvor. Denn einer großen Mehrheit nicht nur der alten, sondern auch der jungen Russinnen und Russen, die wahrlich keine Sympathien für sein autokratisches System hegen, ist bewusst: Ihr Land wäre zerfallen und das Chaos größer geworden, hätte Putin nicht dem wilden Anarcho-Kapitalismus ein Ende gesetzt, bei dem nach dem Ende der Sowjetunion der Staat von der Privatwirtschaft übernommen und zur privaten Profitsicherung benutzt wurde. Die Staatskassen waren bei Putins Amtsübernahme 1999 leer, die Auslandsschulden hatten sich bedrohlich angehäuft, der Staatsapparat funktionierte nicht mehr, das Sozialsystem war zusammengebrochen, die Kriminalität hatte beängstigende Formen angenommen, Clans und Oligarchen kämpften um die letzten verbliebenen Filetstücke einstigen Staatseigentums und islamistische Separatisten aus Tschetschenien trugen den Bombenterror bis nach Moskau.

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Seit im Zuge der Krise um die Ukraine in den Medien das Wort »Putinversteher« aufgetaucht ist und als Diskreditierung all jener eingesetzt wird, die sich weigern, diesen Konflikt als Schwarzweißfilm mit eindeutiger Rollenverteilung in Gute (USA, EU und Nato) und Böse (Putin und Russland) zu sehen, sind wir, die Autoren, bekennende Putinversteher. Dass »Verständnis« nicht »Zustimmung« oder »Akzeptanz« bedeutet – diese semantische Klarstellung scheint wichtig zu sein: Hitler zu »verstehen« heißt keinesfalls, ihm zuzustimmen. Und so verhält es sich auch mit dem russischen Präsidenten, der schon oft mit Hitler verglichen wurde: Hillary Clinton, ehemalige US-Außenministerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin, sorgte für die internationale Premiere des neuen Hitler-Vergleichs, Deutschlands Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble legte indirekt nach, indem er den Beitritt der Krim zu Russland mit Hitlers Einnahme des Sudetenlands gleichsetzte. Der Verweis auf den Bad Boy Nummer eins der politischen Zeitgeschichte scheint im Zuge der medialen Zuspitzung kriegerischer Konflikte offenbar unvermeidlich und ist – auch wenn sich angesehene Intellektuelle dieses Jobs befleißigen und uns wie Hans Magnus Enzensberger vor dem Irakkrieg etwa Saddam Hussein als neuen Hitler präsentieren – nichts anderes als dumpfe Propaganda.


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