Morgenkommentar am 10. Februar 2017

Es ist schon mehr als ein Feinbild. Im Westen geht die Paranoia um: Russische Hacker entscheiden unsere Wahlen, russische Bots und Trolle vernebeln unsere Wahrnehmung, russische Infokrieger waschen unser Hirn. Durchaus intelligente Menschen sind fest überzeugt, dass das Reich des Bösen, sprich Moskau, es auf die Herrschaft über unser Denken abgesehen hat.

Wer zweifelt, erntet mitleidiges Lächeln. It’s the Russians, stupid!

Ihr nächstes Ziel sind die französischen Präsidentschaftswahlen. Nun ist statt der ursprünglich zwei Kreml-Freunde – Marine Le Pen und Francois Fillon – nur noch die Chefin des Front National im Rennen. Fillon, so scheint’s, hat gegen das 11. Gebot verstoßen: Du sollst dich nicht erwischen lassen. An seiner Statt rückt unaufhaltsam der parteilose Emmanuel Macron nach vorn, Upstart und Wunderkind. Neben dem chancenlosen grünen Kandidaten ist er der einzige, der sich des Themas Bürgerrechte in Russland annimmt. Da wären Fillon und Le Pen schon genehmere Präsidenten aus Moskauer Sicht. Flugs tat Chefpropagandist Dmitri Kisseljow den neuen Shooting Star als “Kandidat der globalen Eliten” ab.

Das mag man in Moskau so sehen. Daraus zu schließen, der Kreml bestimme, wer in den Élysée-Palast einzieht, spräche jedoch für beginnende Demenz. Ebenso wie der Glaube, Donald Trump säße ohne russische Schützenhilfe nicht im Weißen Haus. Man kann nur hoffen, dass der Verlierer (die Verliererin?) der Bundestagswahl im September das Ergebnis nicht auch dem russischen Einfluss zuschreiben wird. Sonst könnten wir nämlich am Wahltag auch alle zuhause bleiben.