Russische Juden warnen vor Antisemitismus

Juden warnen vor Antisemitismus in Russland

Der Russische Jüdische Kongress (REK) und das Forschungszentrum SOWA warnen vor einem steigenden Antisemitismus in Russland. Laut einer Studie sei in der Politik ein Zuwachs an antijüdischen Äußerungen zu verzeichnen. Dies habe de facto zur Legalisierung von Antisemitismus im öffentlichen Raum geführt. 

Wie aus einem Bericht der Wirtschaftszeitung Wedomosti hervorgeht, erreichte der Antisemitismus seinen Höhepunkt im Zuge der umstrittenen Übergabe der Petersburger Isaaks-Kathedrale an die russisch-orthodoxe Kirche. Dabei sorgte der Vizepräsident der russischen Staatsduma, Pjotr Tolstoj, mit einer Aussage für einen Eklat. Gegner der Rückgabe seien Nachfahren jener, die 1917 aus den jüdischen Siedlungsgebieten „mit einer Pistole in der Hand“ gekommen seien, um „unsere Kirchen“ zu zerstören. „Heute arbeiten sie in Redaktionen und Parlamenten und führen die Sache ihrer Vorväter weiter“, führte Tolstoj weiter aus.

Politiker, Parteien und Journalisten äußern sich immer häufiger antisemitisch, erklärten der Russische Jüdische Kongress und das Forschungszentrum SOWA. Ein weiteres Beispiel sei die Diskussion um das kontroverse Filmdrama „Mathilde“ des Regisseurs Alexej Utschitel. Im Film wird die Ermordung der Zarenfamilie durch die Bolschewiki im Jahr 1918 in Jekaterinburg thematisiert. In regionalen und überregionalen Medien sei mehrfach die Verschwörungstheorie eines jüdischen Ritualmords, hinter dem das internationale Weltjudentum stecken soll, reproduziert worden. Demnach sei die Zarenfamilie wie bei einer Schächtung ausgeblutet.

Gefahr vor Normalisierung antijüdischer Äußerungen

Der Vorsitzende des Russischen Jüdischen Kongresses, Juri Kanner, verweist auf gravierende Bildungsdefizite im Zuge antisemitischer Angriffe. In der sibirischen Stadt Nowokusnezk sei ein Denkmal zur armenisch-russischen Freundschaft mit einem Hakenkreuz beschmiert worden. Dabei hätten die Täter offenbar das armenische Alphabet mit der hebräischen Schrift verwechselt. Laut Alexander Werchowski, Chef der auf Menschenrechte spezialisierten NGO SOWA, sei der Hass gegen Juden jedoch weniger ausgeprägt als andere Phobien. Antisemitismus sei lange Zeit tabuisiert worden. Doch es bestehe die Gefahr einer erneuten Normalisierung.

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