Kolumne: Gemischtes Doppel #10 – Wollen die Russen Krieg?

Gemischtes Doppel #10 – Wollen die Russen Krieg?

Heute ist Montag, der 17. Oktober 2016, willkommen beim Gemischten Doppel. Diesmal Maxim Kireev (RU): Müssen wir Angst vor dem Atomkrieg bekommen, wenn in St. Petersburg die Brotvorräte aufgestockt werden?

Russland bereitet sich seit ein paar Tagen auf den Atomkrieg vor. Haben Sie bestimmt schon mitbekommen zu Hause in Deutschland, oder? Ich hier in St. Petersburg hatte es zunächst nicht. Doch vor einigen Tagen schrieb mir eine Frau aus dem hübschen sachsen-anhaltinischen Städtchen Oschersleben eine Nachricht. Sie hatte Angst um ihren Sohn und fragte, ob es denn stimme, dass Russland sich bereit macht für eine nukleare Auseinandersetzung.

Nein, sie hatte nicht etwa zu viel Bild-Zeitung gelesen. Stattdessen schickte sie mir zum Beweis einen Bericht der guten alten Tagesschau, der sie erschrecken ließ. Der Russland-Korrespondent erklärte dort ausführlich, warum Russland gerade ein Abkommen zur Plutonium-Vernichtung auf Eis gelegt hatte. Das sei kein großes Ding, alles in allem. Doch der Hintergrund, so der Kollege, sei makaber: „Moskau stimmt die Bevölkerung auf einen Krieg ein“. Man dürfe nun raten, ob es Ausdruck eines Bedrohungsgefühls, ein Einschüchterungsversuch oder beides sei.

Tatsächlich hagelte es in den vergangenen Tagen allerlei Berichte, die man durchaus als Einstimmung auf einen Krieg bezeichnen könnte. Als da wären: eine mehrtägige Übung des Ministeriums für Katastrophenschutz mit etwa 40 Millionen Beteiligten, die Aufstockung der Brotvorräte für den Krisenfall in St. Petersburg, Pläne für den Wiederaufbau russischer Militärstützpunkte auf Kuba und Vietnam sowie eine Anweisung an Beamte, ihre Kinder und Familien aus dem Ausland heimzuholen.

Offenbar war das so eindrucksvoll, dass manche Kommentatoren Wladimir Putin schon erste Erfolge im angeblich neuen Kalten Krieg mit dem Westen zugestehen.

Doch wie viel hat das mit der Realität zu tun? Eine schnelle Antwort darauf liefert ein genauer Blick auf die oben genannten Meldungen, die sich bei genauerem Hinsehen als Luftnummern herausstellen. Die Riesen-Übung fand vor allem auf den Fernsehschirmen statt, während Vietnam bereits dementierte, ausländische Stützpunkte zu erlauben. In Petersburg ginge es vor allem darum, den Markt für Mehl zu stützen, sagten Offizielle. Und schließlich verneinte der Kreml auch noch jegliche Rückholaktionen für Angehörige.

Eine etwas ausführlichere Antwort gibt der Historiker Sergej Medwedew. Russland habe es mit relativ geringem Aufwand geschafft, dass der Westen nun hinter jeder Ecke eine Bedrohung aus Moskau sehe. Höchstwahrscheinlich werde diese Bedrohung übertrieben wahrgenommen. Dies jedoch komme dem Kreml nur gelegen, denn so verschaffe er sich einen Platz am Verhandlungstisch statt auf der Anklagebank.

Für Medwedews Begründung spricht auch Russlands Verhalten in Situationen, in denen es tatsächlich brenzlig wird. Warum sollte ein Land, das sich nach dem Abschuss einer eigenen Maschine durch die Türkei auf ein Verbot von Pauschalreisen und Tomatenimporten beschränkt hat, plötzlich bereit sein für einen Krieg? Noch früher in der Ukraine, sowie vor etlichen Jahren in Georgien hatte Russland ebenfalls an einer Stelle halt gemacht, an der es mit schmerzhaften Konsequenzen hätte rechnen müssen. Bei einem Konflikt mit einem NATO-Mitglied wären diese von Anfang an unvermeidlich.

Und zu guter Letzt: Kennen Sie eigentlich das bescheidene Anwesen von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu? Werfen Sie mal einen Blick darauf: sehr zeitgenössisch im chinesischen Stil. Und man darf doch wohl annehmen, dass er sich das alles nicht zusammenkorrumpiert hat, um es am Ende in einem Atompilz verschwinden sehen zu müssen?


Gemischtes Doppel: Russland/Ukraine
Das Gemischte Doppel (v.l.): Ian Bateson (UA), Maxim Kireev (RU), Inga Pylypchuk (UA) und Simon Schütt (RU).

Das Gemischte Doppel gibt persönliche (Ein)-Blicke auf die Ukraine und Russland, geschrieben von Inga Pylypchuk und Ian Bateson (Ukraine) sowie Maxim Kireev und Simon Schütt (Russland).

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