Russlands Ferner Osten: Containerboom produziert Lieferengpässe

Lukrativer Transitverkehr gefährdert Versorgungssicherheit

Die Containerhäfen in Russlands Fernem Osten sind stark überlastet. Grund ist eine riesige Transitnachfrage in Richtung Europa. Darunter leidet die Versorgungssicherheit der Region an der russischen Ostküste.

Transitverkehr boomt durch Kostenersparnis gegenüber Suez-Route

Das Geschäft des Container-Terminals an Russlands Fernosthäfen bei Wladiwostok boomt – bis zur Überhitzung. Grund dafür ist vor allem Transitverkehr von Containern aus China über Russland in Drittstaaten, die die aktuellen Preissteigerungen auf dem alternativen Seeweg durch den Suezkanal umgehen wollen.

Von 30-40 % Kostenersparnis bei Nutzung der russischen Fernosthäfen für den Transport nach Europa ist in der russischen Presse die Rede. Über die Transsibirische Eisenbahn werden die Behälter dann weiter nach Westen transportiert. Die russische Zeitung Kommersant berichtet von einer Zunahme der Hafenanlandungen in den letzten acht Monaten um 38 %.

Wladiwostok ist nicht umsonst für den internationalen Containerverkehr attraktiv. Seit 2015 ist das Gebiet ein Freihafen mit erleichterten Visaregeln, einer großen zollfreien Zone, beschleunigtem Grenzübertritt für den internationalen Handel und verschiedenen Unterstützungsmaßnahmen für dort ansässige und neu gegründete Unternehmen. Dazu gehört unter anderem eine fünfjährige Aussetzung der Körperschafts- und Grundsteuer, und Erleichterungen bei der Steuerprüfung.

Container Boom Ferner Osten
Handelsrouten im Fernen Osten Russlands. Quelle: wikimedia.ru (Bearbeitet durch den Autor).

Nicht gelieferte Lebensmittel und Containerstau

Die starke Umsatzsteuerung führte zwischenzeitlich sogar zu einem regelrechten Abfertigungsstau für Container mit regionalen Zielen mit Folgen für die Versorgung der fernöstlichen Gebiete. In dessen Folge gingen beispielsweise in Teilen des entlegenen Gebiets Tschukotka an der Beringstraße Obst, Gemüse, Eier und Milchprodukte zeitweise aus. Diese muss man aufgrund der subarktischen Lage der Gegend zu einem Großteil überregional einführen.

Etwas besser ist die Lage auf der Halbinsel Kamtschatka, wo zumindest der Lebensmittel-Einzelhandel über längere Lieferzeiten, aber noch nicht über ausgehende Waren klagt. Größere Probleme gibt es hier aber mit der Versorgung von Baustoffen. Immer wieder sind Presseberichte zu lesen, bei denen mögliche Verzögerungen an großen Bauprojekten thematisiert werden.

Auch hier ist die Ursache, dass die Schiffe, die die Baustoffe liefern könnten, in den Küstenhäfen keine freien Terminals zur Beladung finden. Die örtliche Zeitung Kamtschatka-Inform berichtet von 1.700 Containern, die im Hafen von Wladiwostok lagern, obwohl sie dringend auf die fernöstliche Halbinsel transportiert werden müssten. Die Lieferverzögerung beträgt nach verschiedenen Presseberichten bis zu drei Monate.

Untersuchung durch das Russische Verkehrsministerium

Russlands Verkehrsministerium richtete nun sogar eigens eine Arbeitsgruppe ein, die die rechtzeitige Lieferung dieser Waren überwachen soll. Dass die Situation so weit oben in der russischen Hierarchie Betriebsamkeit auslöst, hat einen Grund. Die Onlinezeitung Kam24 spricht beispielsweise von Lieferengpässen auch für Kinderbedarf und anderen einzelnen Warengruppen, die zum Bankrott von entsprechenden Geschäften in Kamtschatka führen könnten.

Kommersant berichtet von Versorgungsproblemen im gesamten russischen Fernen Osten, die neben der Pandemie vor allem der Überlastung des Frachtterminals in Wladiwostok geschuldet sind. Die Zeitung zitiert einen örtlichen Großlieferanten für Zement: die Häfen würden sich vor allem auf das lukrative Transitgeschäft von China nach Europa konzentrieren, dieses würde bevorzugt abgewickelt und die Schiffe für die Versorgung der eigenen Region zuletzt bedient.

Offizielle Vertreter des Hafens bestreiten die Anschuldigungen des Unternehmers und geben an, dass die Küstentransporte in die eigene Region aus sozialen Gründen Vorrang hätten. Man sei sich der gesellschaftlichen Bedeutung der Versorgung entlegener Gebiete bewusst. In den nächsten zwei Wochen würden zahlreiche Container mit Konsumgütern nach Kamtschatka, Sachalin, Magadan und Tschukotka verschickt – alles entlegene Regionen, die vor allem auf dem Seeweg entlang der russischen Ostküste versorgt werden.

Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in der Sache. Im Raum steht die Frage, ob Lieferungen in den hohen Norden gegenüber Fracht im Durchgangsverkehr – auch in die Europäische Union – benachteiligt werden. Trotz der Ermittlungen rechnet niemand mit einer schnellen Verbesserung der Situation, da sich die erhöhte Nachfrage durch den Transit in den nächsten Monaten nicht ändern wird und für die örtlichen Häfen ein gutes Geschäft sind. Mit einer leichten Entspannung rechnen Experten laut dem Medienportal PrimaMedia frühestens am chinesischen Neujahrsfest – doch das findet noch deutlich nach dem westlichen Neuen Jahr am 1. Februar statt.

Titelbild
Der Hafen von Wladiwostok. Quelle: Urri / Shutterstock.com