Morgenkommentar am 20. April 2017

Wladimir, eine Universitätsstadt 190 Kilometer östlich von Moskau an der Kljasma. Die Universitätsleitung beordert die Studenten ins Auditorium maximum. Dort wird ihnen ein Kurzfilm gezeigt, der den Helden der russischen Antikorruptionsbewegung, Alexej Nawalnij, in den schwärzesten Farben malt, ihn an einer Stelle gar mit Hitler vergleicht.

Nun mag man Nawalnijs Engagement für die Initiative “Wir haben den Kaukasus lange genug durchgefüttert” und andere seiner Äußerungen für reichlich russisch-nationalistisch halten – das ist es aber nicht, was die Mächtigen an dem Mann stört. Seit er Anfang März in einem 50-minütigen Video detaillierte Bereicherungsvorwürfe gegen den ungebliebten Premierminister Dmitri Medwedjew erhoben hat, begehren die Jungen und ganz Jungen, die sich noch nicht mit den Verhältnissen abgefunden haben, auf.

Nawalnij gilt als Gefahr für die Mächtigen. Erst vor wenigen Tagen meldete das kritische Internet-TV Dozhd, der Kreml habe eine breit angelegte Diffamierungskampagne gegen ihn eingeleitet.

Die Veranstaltung in Wladimir bestätigt das, zeigt aber auch: Die jungen Leute lassen sich weder einschüchtern noch an der Nase herumführen. Alla Byba, Leiterin einer regionalen Anti-Extremismus-Schule mit Einpeitscherstimme und Sowjetfrisur und von der Universität zur Moderation der Veranstaltung berufen, hat keinen leichten Stand. Am Ende beleidigt sie die Skeptiker und Zweifler im Publikum als takt- und respektlos. Höhnisch kommentiert die russische Netzgemeinde den Mitschnitt der Veranstaltung.

Und noch etwas. Alla Bybas Argumente klingen erschreckend deckungsgleich mit dem, was der deutsche Medienkonsument täglich zu hören bekommt: “Sie wissen doch wohl, dass derzeit jeder Lehrer in jeder Klasse darüber spricht, wie Krieg geführt wird gegen die Russische Föderation. Informationskrieg, Cyberkrieg … und sie setzen auf die Jugend. Nicht umsonst wird das Internet für intensivste Rekrutierungen terroristischer Organisationen genutzt.”

Heiko Maas, der deutsche Justizminister, der in Stil und Habitus ebenso perfekt das Alte, Etablierte verkörpert wie die Russin Alla Byba, hätte es schöner nicht ausdrücken können. Nur hätte er statt Russischer Föderation NATO, Westen oder Europa gesagt.