Am Montagabend wurde in Berlin das neue Zentrum für Osteuropa- und Internationale Studien (ZOIS) eröffnet. Die Einrichtung verdankt sich dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien aus dem Jahr 2013 – dass im Hintergrund der Auftrag mitschwebt, die Frontkämpfer im west-östlichen Informationskrieg mit Munition zu versorgen, wurde zum Glück am Eröffnungsabend nicht thematisiert. Wissenschaft und Propaganda sind schlechte Bettgenossen.
Provokant fomuliert war das Thema der Podiumsdiskussion: „Destruktive Konvergenz: Werden demokratische und autoritäre Systeme einander immer ähnlicher?“ Würde es an dem Abend gar um die autoritäre Dimension der Political Correctness gehen?
So weit kam es dann doch nicht. Das Gespräch drehte sich um Populismus und die Krise der Demokratie. Wobei Tiefgründiges nur von den beiden osteuropäischen Disputanten zu hören war. Der aus St. Petersburg stammende, seit vielen Jahren in Estland lehrende Wjatscheslaw Morosow erklärte den westlichen Populismus aus einer ungewollten Transformation der individuellen Autonomierechte der dritten Menschenrechtsgeneration. Das Dilemma sieht er darin, dass Selbstbestimmung letzten Endes auch nur über Identitäten abläuft – am eigentlichen gnothi seauton, dem “Erkenne dich selbst”, sind schon die antiken Philosophen gescheitert.
Immer mehr, so Morosow, entwickele sich nun im Westen die Pflicht zum Ausleben der eigenen Identität. Anfangs hätten sexuelle und andere Minderheiten im Fokus gestanden. Inzwischen sei das Diktat der Selbstverwirklichung bei den Mehrheiten angekommen, die ihrerseits im Rahmen ihrer Gruppenidentität ihre “Rechte” einforderten. Auf der Strecke geblieben sei jede Form eines verbindenden und allseits gültigen Universalismus.
Morosows bulgarischer Kollege Iwan Krastew erinnerte die deutschen Kollegen daran, dass die kopierten Institutionen in den “neuen Demokratien”, auch die Gewaltenteilung, nur der Form nach an das westliche Original erinnerten. Die Inhalte und Prozesse seien überall verschieden. Krastew gehört zu den Wissenschaftlern, die sämtliche Protestwellen seit der Finanzkrise 2008, ob Occupy Wall Street, Thailand, Arabischer Frühling, Maidan oder Pegida, im Kern auf die wachsende globale Unzufriedenheit mit den etablierten Strukturen von Gesellschaft, Staat und Markt zurückführen.
Schade, dass die deutschen Teilnehmer – die ZOIS-Chefin, eine Humboldt-Professorin und ein Redaktionsleiter der Deutschen Welle – die Ansätze der beiden Wissenschaftler so gar nicht aufnehmen wollten. DW-Redakteur Ingo Mannteufel wiederholte gleich drei Mal, Populismus sei nichts als rückwärts gewandter Nationalismus und gehe damit schon gar nicht. Das war’s dann auch. Fazit: Im Westen nichts Neues.