Ukraine: Zartes Wachstum, niedrige Gehälter

Ukraine: Zartes Wachstum, niedrige Gehälter

Die ukrainische Wirtschaft ist von den Ereignissen des Jahres 2014 schwer beeinträchtigt worden – die innenpolitischen Spannungen, der Konflikt im Osten und die weitgehende Kappung der wirtschaftlichen Verbindungen nach Russland haben das Bruttoinlandsprodukt in zwei Jahren deutlich abschmelzen lassen.

Ein Gastbeitrag von Christian Tegethoff, CT Executive Search


Symptome der Krise waren hohe Inflationsraten von bis zu 43% jährlich (2015) und der Kursverfall der Hrywnja (UAH), die im Verhältnis zum Euro zwischen Januar 2013 und Januar 2018 zwei Drittel ihres Werts eingebüßt hat. Entsprechend haben sich Importwaren für die Betriebe und die Bevölkerung verteuert. Die Arbeitgeber waren nicht in der Lage, die Inflation durch entsprechende Gehaltserhöhungen zu kompensieren, so dass sich reelle Kaufkraftverluste ergeben haben.

Inzwischen hat die ukrainische Wirtschaft die Talsohle offenbar durchschritten und bewegt sich mit Wachstumsraten um 2% in den letzten beiden Jahren wieder in ruhigerem Fahrwasser.

Die offizielle Arbeitslosenquote lag im Laufe des Jahres 2017 stabil bei 8-9%. Die reale Situation im Land geben spiegelt diese Zahl allerdings nur bedingt wider: Längst nicht alle Arbeitssuchenden melden sich arbeitslos, außerdem geht die Regierung von einem hohen Schwarzarbeitsanteil an der Gesamtbeschäftigung aus.

Ukrainisches Mindestgehalt leicht gestiegen

Die verfügbaren Arbeitsmarktindikatoren zeigen jedenfalls nach oben. Nach Angaben des Jobportals „Headhunter“ lag die Anzahl der dort annoncierten Vakanzen zum Jahresende 2017 um mehr als ein Viertel höher als im Januar. Immerhin 23% der suchenden ukrainischen Unternehmen haben Headhunter zufolge angegeben, die ausgeschriebenen Stellen im Zusammenhang mit Expansionsvorhaben besetzen zu wollen.

Das ukrainische Mindestgehalt ist 2017 auf 3.200 UAH (ca. 94 Euro) angehoben worden, das statistische Durchschnittsgehalt lag im November 2017 bei 7.479 UAH (ca. 220 Euro).

Eine Umfrage des Jobportals „Headhunter“ hat 2017 ergeben, dass 36% der befragten Unternehmen allen Mitarbeitern das Gehalt erhöht haben, ein Drittel der Firmen haben lediglich die Vergütung ausgewählter Mitarbeiter angehoben. In einem Viertel der Unternehmen gab es keinerlei Anpassungen, nur jedes zwanzigste Unternehmen hat Gehälter gekürzt.

Abschaffung der Visumpflicht öffnet Türen

Laut Headhunter beliefen sich die Gehaltserhöhungen im Durchschnitt auf 10-15%. Angesichts der Inflation von voraussichtlich 12,5% im Jahr 2017 ergaben sich für die allermeisten ukrainischen Arbeitnehmer also bestenfalls bescheidene Reallohnsteigerungen.

Eine Umfrage von EY im ersten Halbjahr 2017 hat ergeben, dass 77% der befragten ukrainischen Unternehmen alle Mitarbeitergehälter in Hrywnja fixieren. 18% hatten die Vergütung des Top-Managements in ausländischen Währungen festgeschrieben und 5% haben alle Gehälter in ausländischer Valuta fixiert.

Viele Ukrainer sehen in der Emigration eine Antwort auf die im europäischen und auch globalen Vergleich sehr niedrigen Gehälter in ihrem Land. Gleichzeitig hat ihnen die Abschaffung der Visapflicht die Türen in die Länder des Schengen-Raums geöffnet.

Zwar benötigen Ukrainer zur Aufnahme einer Beschäftigung in der Europäischen Union immer noch eine Arbeitserlaubnis, allerdings erleichtert ihnen der Wegfall der Visapflicht die Suche nach Arbeitsplatz und Wohnung im Zielland enorm.

Nachfrage nach Arbeitskräften in Polen hoch

Vor allem in Polen ist die Nachfrage nach Arbeitskräften groß, zumal viele Polen selbst im westeuropäischen Ausland tätig sind. Der polnische Durchschnittslohn ist etwa vier Mal höher als der ukrainische.

Nach Angaben des polnischen Arbeitgeber- und Unternehmensverbands arbeiteten Anfang 2018 über 1,3 Mio. Ukrainer in Polen. RIA Nowosti zitiert den ukrainischen Staatlichen Beschäftigungsdienst mit einer Schätzung von 5,5 Mio. im Ausland arbeitenden Ukrainern. Das populärste Zielland nach Polen ist dabei Russland, mit großem Abstand folgen Tschechien, Deutschland und Italien.

Die Emigration der Arbeitskräfte macht den ukrainischen Unternehmen punktuell bereits zu schaffen. Vor allem in der Westukraine erschwert die Konkurrenz im Ausland die Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitern. Betroffen sind vor allem der Produktionsbereich und der IT-Sektor.

Private Überweisung aus dem Ausland

Gleichzeitig beliefen sich die privaten Überweisungen aus dem Ausland in die Ukraine nach Angaben von BNP Paribas allein im Jahr 2016 auf 4 Mrd. USD – Geld, das der Bevölkerung zur Verfügung steht.

Die im internationalen Vergleich niedrigen Gehälter machen die Ukraine als Standort insbesondere für arbeitsintensive Produktionsabläufe interessant. Vor allem in der Westukraine nutzt eine Reihe von europäischen Automotive-Zulieferern diesen Kostenvorteil bei gleichzeitiger geographischer Nähe zum europäischen Markt.

Aus dem selben Grund eignet sich die Ukraine auch als Outsourcing-Standort. Besonders erfolgreich nutzt die IT-Branche schon heute die Personalressourcen der Ukraine, wo sie auf ein breites Reservoir an gut ausgebildeten und motivierten Fachkräften zugreifen kann.

Internationale Firmen in der Ukraine

Ausländische Unternehmen haben bei der Rekrutierung generell gute Karten. Die meisten Ukrainer bevorzugen einen internationalen Arbeitgeber, der für viele mit Transparenz und Professionalität assoziiert wird.

Das Angebot an für internationale Firmen geeigneten Führungskräften ist in der Ukraine sehr ungleich verteilt. Die meisten ausländischen Unternehmen steuern ihr Ukraine-Geschäft von Kiew aus, so dass sich hier mit großem Abstand die meisten international erfahrenen Manager finden.

In den Regionen ist es deutlich schwieriger, Führungskräfte mit Englischkenntnissen und einem Verständnis von der Arbeitsweise internationaler Unternehmen zu finden.

Die Ukraine ist aus Compliance-Sicht ein Hochrisikoland; im Lande tätige Manager müssen die Spielregeln kennen und in der Lage sein, die Brückenfunktion zwischen dem ukrainischen Markt und der Unternehmenszentrale auszufüllen. Diese Fähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz, die bei der Rekrutierung ebenso wie die fachliche Qualifikation berücksichtigt werden muss.

Über den Gastautoren

CT Executive Search

Christian Tegethoff
ist Geschäftsführer von CT Executive Search. CT Executive Search ist eine Personalberatung, die sich auf die Besetzung von Führungspositionen in Russland/GUS, Asien und dem Mittleren Osten spezialisiert.


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Titelbild
[toggle title=”Fotoquelle” open=”yes”]Titelbild: DmyTo / Shutterstock.com