Tagesübersicht Russlandgeschäft: 19.05.2016

Willkommen zur Tagesübersicht Russlandgeschäft an diesem Donnerstag, den 19. Mai 2016. Das sind heute unsere Themen für Sie:


Über 16.000 Russen in Mono-Städten könnten dieses Jahr ihren Job verlieren

Mehr als 16.000 Russen in Mono-Städten könnten ihre Jobs 2016 verlieren, heißt es in einem Bericht der Nachrichtenseite RBC von Mittwoch . Mono-Städten sind Ortschaften, in denen einzelne Industriezweige oder Unternehmen einen Großteil der Arbeitsplätze stellen.

Sie wurden deutlich von der Wirtschaftskrise getroffen. Die Produktion in diesen Städten fiel 2015 um fünf Prozent, geht aus den Daten des Analyse-Zentrums der russischen Regierung hervor. Die Produktion ist dem Bericht, der RBC vorliegt, zufolge weiter rückläufig, die schlimmste Situation herrsche demnach in den Unternehmen, die sich auf die Binnennachfrage konzentrieren. Ein Teil der Unternehmen habe Darlehen in Fremdwährung aufgenommen. Für die habe sich die Situation nach der weiteren Rubel-Abwertung Anfang des Jahres verschlimmert.

Laut der Föderalen Arbeitsagentur seien dort im März und April die Arbeitslosenzahlen gestiegen. Zum 1. Mai waren dort demnach 140.000 Menschen arbeitslos. Das sind 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. 100.000 weitere Menschen arbeiteten nur Teilzeit. In einer Umfrage von Februar bezeichneten 60 Prozent der Einwohner dieser Städte das sozioökonomische Klima dort als „intolerabel“ oder „kaum tolerabel“.

Derzeit gibt es der Rossijskaja Gazeta zufolge in Russland 342 Siedlungen, die als Mono-Städte gekennzeichnet sind und die Unterstützung benötigen. Besonders schlecht gehe es Städten mit Kohle- oder Papierproduktion.


Bis Jahresende sollen alle öffentlichen Moskauer Verkehrsmittel mit Gratis-WiFi ausgerüstet sein

Wenn Sie in Moskau den Bus oder die Straßenbahn nehmen, haben wir hier eine gute Nachricht für Sie: Bis zum Ende dieses Jahres sollen alle öffentlichen Verkehrsmittel in Moskau mit kostenlosem WiFi ausgestattet sein, wie das in der Metro schon der Fall ist. Das berichtete die Website M24.ru am gestrigen Mittwoch und berief sich dabei auf die Transportbehörde der Stadt Moskau, Mosgortrans.

Man soll dann also auch in den Bussen, Trolleybussen (Busse mit Oberleitung) und Straßenbahnen online gehen können. Bereits über 250.000 Nutzer haben sich der Behörde zufolge im „Mosgortrans_Free“-Netzwerk seit dem Start des Projekts im Februar registriert.

Momentan sei das Gratis-WLAN in 4.000 Bussen, Straßenbahnen und Trolleybussen verfügbar. Ob man im jeweiligen Transportmittel surfen könne, sehe man an entsprechenden Aufklebern. Bis zum Jahresende sollen außerdem 450 Moskauer Bushaltestellen mit Internetverbindung ausgestattet sein.


Sberbank-Analyst: 27 Prozent der Banken haben Russland in den letzten 2 Jahren verlassen

Rund 27 Prozent der Banken hätten den russischen Markt in den zwei Krisen-Jahren verlassen, die meisten davon seien mittlere Banken, sagte Michail Matownikow, Chef-Analyst der größten russischen Bank Sberbank, einem Bericht von TASS zufolge.

„Wir können eine ernsthafte Banken-Krise feststellen“, sagte er gestern in St. Petersburg. Entgegen der verbreiteten Vorstellung seien es nicht die kleinsten, sondern mittlere Banken, die von der Krise getroffen würden. Diese Banken seien nämlich marktorientierter und daher anfälliger für einen Vertrauensverlust ihrer Kunden.

Die Zahl der Banken sei von 922 Anfang 2014 auf 697 im Mai 2016 geschrumpft, meinte Matownikow.

Im Verlauf der Krise seien mehrere Grundannahmen zerstört worden:

  • “Wenn eine Bank groß ist, geht sie nicht Bankrott” – das habe sich mit dem Lizenzentzug der Probusinessbank im August 2015 geändert.
  • „Wenn eine Bank wichtige Unternehmen (etwa aus dem Sicherheits- und Raumfahrtsektor) als Kunden hat, ist sie sicher“ – stellte sich mit dem Lizenzentzug der Nota-Bank als falsch heraus.
  • Der Lizenzentzug der Wneschprombank, die kurz vor dem Eintritt in die Top 30 der Banken Russlands stand, sei dann der „letzte Strohhalm” gewesen.

Eine Billion Rubel sei in den vergangenen zwei Jahren für zusätzliche Bankenkapitalisierung ausgegeben worden. Mit dem Geld für die Wneschekonombank werde es sich sogar auf fast 1,8 Billion Rubel belaufen. Die Rehabilitierung von Banken koste die russischen Behörden 900 Milliarden Rubel.

Die Banken-Krise von 2014-2015 habe Russland 3,4 Prozent seines BIPs gekostet.


Steinmeier wirbt bei Wirtschaftskonferenz des deutschen OSZE-Vorsitzes in Berlin für gemeinsamen Wirtschaftsraum

Gestern hielt der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Rahmen der Wirtschaftskonferenz des deutschen OSZE-Vorsitzes “Connectivity for Commerce and Investment” in Berlin eine Rede. Darin hob er die Bedeutung der Privatwirtschaft für Frieden und Sicherheit hervor und warb für mehr wirtschaftliche Vernetzung. „Konnektivität“ nannte er das, ein Wort, das man nun mit Bedeutung füllen könne.

“Wirtschaftliche Vernetzung kann Wohlstand, Stabilität und Sicherheit fördern in unserem gemeinsamen Raum“, sagte Steinmeier (hier finden Sie das Transkript der Rede). Damit meinte er sowohl einen möglichen Wirtschaftsraum “von Lissabon bis Wladiwostok” als auch eine “Neue Seidenstraße” nach China.

Neben einigen positiven Beispielen, etwa eine Güterzugverbindung von Duisburg nach China, schränkte er jedoch ein: Vision und politische Realität lägen derzeit doch weit auseinander – das zeige auch der Ukraine-Konflikt und das Beispiel Krim. “Im Falle der Ukraine waren Fragen der wirtschaftlichen Integration im OSZE-Raum sogar selbst Gegenstand des Konflikts.“

Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum könne nicht ohne gemeinsame Regeln und Verlässlichkeit funktionieren. Man müsse daher offen sprechen, auch über “Reibungen zwischen verschiedenen Integrationsprojekten und Handelsregimen“. So schaffe man Transparenz und Vertrauen.

“Wir sollten nicht in einen Verdrängungswettbewerb zwischen verschiedenen integrationspolitischen Initiativen eintreten, sondern diese Initiativen aufeinander abstimmen: unter gleichberechtigten Partnern und auf Grundlage globaler Regeln, die ja zu diesem Zweck und mit der nötigen Kompromissbereitschaft von allen Seiten bereits geschaffen worden sind!“, forderte er.

Die WirtschaftsWoche kommentierte: Es sei „ein kluger Schachzug, die Wirtschaft stärker in den OSZE-Rahmen einzubinden“. Das Konzept der „ökonomischen Konnektivität“ folge der Logik des „Wandel durch Handel“. Jedoch sei hier das Problem, “dass Russland (anders als Deutschland) nicht nur wirtschaftlichen Interessen folgt, sondern auch geopolitischen – und diese letztlich der russischen Innenpolitik dienen.“ “Deutschland kann den Russen immer wieder die Hand ausstrecken – aber die müssen sie auch ergreifen.“


Gazprom rechnet mit Inbetriebnahme von Nord Stream 2 Ende 2019

Der russische Gasriese Gazprom geht davon aus, dass das Ostsee-Pipeline-Projekt “Nord Stream 2” erfolgreich durchgeführt und Ende 2019 in Betrieb genommen wird. Am Dienstag hatte der Vorstand des Konzerns das Thema in einem Treffen besprochen.


Lesetipp: Russlands Start-Up-Szene – „Wow, in Russland gibt es auch coole Sachen!”

Im ZEITmagazin ist ein sehr lesenswerter Artikel über Russlands Start-Up-Szene und den Trend hin zu einheimischen Produkten erschienen. Junge Russen finden sich auf einmal als Ökobauern wieder – fast zufällig, weil sie „einfach nur gut essen“ wollten. Oder sie bauen Designer-Möbel, entwerfen stylische Brillen oder Schuhe, die auch in Berlins und New Yorks Hipster-Vierteln gut ankommen. Vor allem aber kommt „Made in Russia“ oder „Made in Sibirien“ nun auch in Russland gut an. Daran haben auch die Sanktionen und die Wirtschaftskrise Anteil. “Wow, in Russland gibt es auch coole Sachen!“, stellten die Menschen jetzt fest. Noch einmal: Große Empfehlung!