Russlandpolitik weiter im Fokus

Russlandpolitik weiter im Fokus

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Die Russlandpolitik bleibt in der Diskussion. Nicht nur wegen des Treffens von Präsident Putin mit Bundeskanzlerin Merkel am Freitag in Sotschi. In Deutschland fanden am Donnerstag und Freitag die „Potsdamer Begegnungen“ statt. Und am nächsten Donnerstag beginnt das Internationale Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg.

Wir haben zur weiteren Information über die tagesaktuelle Berichterstattung hinaus am Schluss dieses Berichts Lesetipps zum Treffen von Putin und Merkel sowie einige Links zu interessanten Diskussionsbeiträgen zur Russlandpolitik aus den letzten Wochen zusammengestellt.

Hier nur wenige Hinweise zur Diskussion in der „Phönix-Runde“ am Tag vor dem Treffen von Merkel und Putin. Ein wichtiges Thema war dabei die Erdgasleitung Nord Stream 2. Dazu äußerte sich in einem Interview auch der frühere Minister im Kanzleramt Horst Teltschik.

Was haben Putin und Merkel in der Pressekonferenz zu dem Projekt gesagt? Wir haben Auszüge aus der vom Bundeskanzleramt veröffentlichten Mitschrift zusammengestellt.

Diskussion in der „Phoenix-Runde“ vor dem Sotschi-Treffen

Am Abend vor dem Treffen von Merkel und Putin diskutierte die „Phoenix-Runde“ über die Perspektiven für die politischen Beziehungen mit Russland, die Entwicklung der russischen Wirtschaft und den geplanten Bau der Nord Stream 2-Pipeline.

Professor Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, zeichnete ein trübes Bild der russischen Wirtschaft. Schon die erste Welle der Sanktionen nach der Annexion der Krim habe Russland sehr hart getroffen. Das Land habe in den letzten Jahren eine tiefe wirtschaftliche und finanzielle Krise erlebt (Minute 5-6).

Russland, so Fratzscher später, werde wirtschaftlich im internationalen Vergleich immer weiter abgehängt, viele qualifizierte Arbeitskräfte wanderten aus, die Armut steige in zahlreichen Regionen des Landes (Min. 16:30). Damit entstehe ein politischer Druck aus der Bevölkerung. Professor Fratzscher fürchtet, dass die russische Führung in der Außenpolitik künftig noch stärker als bisher einen Konfliktkurs verfolgen werde, um von diesen internen Problemen abzulenken.

Alexander Rahr, Publizist und Unternehmensberater, erwiderte darauf, sein Eindruck von der russischen Wirtschaft sei ein anderer (Min. 21:30). Er erlebe bei seinen Reisen in Russland auch „aufblühende Provinzstädte“. Das große Problem Russlands sei zwar die „Staatswirtschaft“. Man solle aber auch anerkennen, dass es inzwischen einen privaten Sektor gebe. Russland hinke hinterher, aber es stehe nicht vor dem Zerfall.

Als wichtigstes Problem in den Beziehungen Russlands zum Westen strich Rahr die Nato-Osterweiterung heraus (Min. 22). Sie werde von Russland nicht akzeptiert. Deshalb sei es zur Annexion der Krim gekommen.

Damit traf er auf entschiedenen Widerspruch bei Gesine Dornblüth (freie Journalisten, frühere Deutschlandradio Korrespondentin in Moskau). Sie nannte es einen „alten Hut“, von der „Umzingelung Russlands“ durch die Nato-Osterweiterung zu sprechen. Das möge der „Befindlichkeit“ in Russland entsprechen, die der Bevölkerung von der Propaganda im Fernsehen aufgedrückt worden sei. Die russische Regierung habe die Nato-Osterweiterung anfänglich jedoch nicht „akzentuiert kritisiert“. Sie habe das Gefühl, diese Argumentation werde von Russland im Nachhinein genutzt, um die eigene Opferrolle herauszustellen (Min. 23).

Zu den Erdgasbezügen aus Russland betonte Professor Fratzscher, es bestehe eine „gegenseitige Abhängigkeit“. Russlands Exporte seien weitgehend Öl- und Gasexporte. Deutschland könne nicht innerhalb weniger Jahre die Strukturen seiner Erdgasimporte umstellen. Im Hinblick auf den Bau der Pipeline Nord Stream 2 stelle sich die Frage, ob Russland einen noch größeren Anteil an der deutschen Erdgasversorgung haben solle. Er glaube, es wäre klug, die Energiebezüge stärker zu diversifizieren und sich „breiter aufzustellen“ (Minute 15 und Minute 28).

Alexander Rahr meinte, die Nord Stream-Pipeline sei nicht nur ein kommerzielles, sondern auch ein politisches Projekt (Min. 33). Deutschland brauche zusätzliche Erdgasbezüge aus Russland, weil die Förderung in der Europäischen Union rasch sinke. Die Ukraine habe ihr Gasleitungssystem nicht ausreichend modernisiert.

Viele mittel- und osteuropäische Staaten seien zwar in der Tat viel abhängiger von russischem Gas als zum Beispiel Deutschland. Aber inzwischen sei viel gegen diese Abhängigkeit getan worden. Es werde ein Ring von Pipelines um Europa herum errichtet, der aus vielen Ländern mit Erdgas versorgt werden könne. Erdgas könne vom Osten nach Westen, aber auch vom Westen nach Osten geliefert werden. Mit der Kritik der „Osteuropäer“ an Nord Stream werde ein „Popanz“ aufgebaut (Min. 35):

Horst Teltschik kritisiert Ukraine scharf

Wie Rahr unterstrich auch der frühere Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und enge Vertraute von Helmut Kohl, Horst Teltschik, in einem n-tv.de-Interview die Notwendigkeit der Nord Stream 2-Leitung. Er kritisierte noch schärfer als Rahr Versäumnisse der Ukraine bei der Modernisierung des Leitungsnetzes und ihre kriminellen Praktiken beim Erdgastransit:

n-tv.de-Frage: „Eine höchst umstrittene Kooperation ist das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Kritiker warnen vor einer zunehmenden Abhängigkeit von Russland, Kiew befürchtet einen Stopp des bisherigen Gastransits durch die Ukraine und finanzielle Einbußen. Sorgt Nord Stream 2 nicht für mehr Ärger als Frieden in Europa?“

Teltschik: „Der Energiebedarf Europas steigt, wir brauchen diese Versorgungslinie. Die Sowjetunion und Russland waren immer zuverlässige Gaslieferanten. Das Problem liegt doch in der Ukraine selbst: Sie hat nie investiert, um die Gasleitungen zu modernisieren. Und sie hat über Jahrzehnte russisches Gas bei der Durchleitung gestohlen. Auch das Geld, das sie bekommen hat, ist teilweise in undurchsichtige Kanäle geflossen. Die Ukraine sollte nicht immer nur auf die Russen einprügeln.“

Lesetipps zur Russlandpolitik

Rückschau auf das Merkel-Putin-Treffen (Medienschau, Interviews, Berichte):

Pressekonferenz von Präsident Putin und Bundeskanzlerin Merkel (Mitschrift und Video):

Vorberichte zum Treffen:

Außenminister Heiko Maas und Europa-Staatsminister Michael Roth zur Russlandpolitik

Publizisten und Wissenschaftler zur Russlandpolitik
(Interviews, Kommentare, Studien):

Matthias Platzeck (Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums; SPD)

Alexander Graf Lambsdorff (FDP, stellvertretender Fraktionsvorsitzender):

Günter Verheugen (SPD, früherer EU-Kommissar):

Tagungen zur Russlandpolitik:

Deutsch-Russisches Forum: Potsdamer Begegnungen:

Schlangenbader Gespräche:

Deutsch-Russisches Forum: „Forum im Dialog“:

Titelbild
Quelle: FreshStock / Shutterstock.com[/su_spoiler]