Ergebnisse des SPIEF 2016 (1): Vertragsabschlüsse, Teilnehmer und Kosten

SPIEF 2016: 1. Teil – Vertragsabschlüsse, Teilnehmerzahlen und Kosten

Das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg (SPIEF), das vom 16. bis 18. Juni stattfand, ist die größte Wirtschaftsveranstaltung Russlands. Wir haben für Sie dazu einen zweiteiligen Rückblick mit einigen bemerkenswerten Ergebnissen des Forums (1. Teil) und der Rede Putins (2. Teil) erstellt. Über die Highlights des ersten Veranstaltungstags mit den Reden von Jean-Claude Juncker, Ban Ki-moon und Nikolas Sarkozy lesen Sie hier.

Ein Wirtschaftsforum kann sich ruhig an Vertragsabschlüssen messen lassen. Und hier gab es in diesem Jahr beim 20. Petersburger Wirtschaftsforum einen klaren Zuwachs zu verzeichnen: Im Rahmen des Forums vom 16. bis 18. Juni wurden 2016 nach Angaben des Organisators 332 formelle Einigungen unterzeichnet – im Wert von rund einer Billion Rubel (15,44 Milliarden Dollar). Im Vorjahr waren es noch 205 im Wert von 293,4 Milliarden Rubel (4,52 Milliarden Dollar).

Das macht 61 Prozent mehr Abkommen gegenüber 2015 und ein verdreifachtes Volumen der abgeschlossenen Verträge. Und dies seien nur die offiziell registrierten Abkommen, stellte Anton Kojakow, der stellvertretende Vorsitzende des Organisationskomitees auf einer Pressekonferenz klar.

Deutsche Unternehmen mit neuen Verträgen und Vereinbarungen

Claas

Unter den offiziellen Abkommen waren von deutscher Seite zum Beispiel der erste Spezielle Investitionsvertrag überhaupt, den die deutsche Firma Claas am Freitag mit dem russischen Industrie- und Handelsministerium unterzeichnete (Ostexperte.de berichtete ausführlich).

Siemens

Auch Siemens schloss mit der russischen Bahn (RZhD oder RSchD) ein “strategisches Memorandum über die Zusammenarbeit“ ab. Siemens-Präsident Joe Kaeser und RZhD-Präsident Oleg Beloserow bekannten sich darin zu einem auf fünf Jahre angelegten Kooperationsabkommen. Die Zusammenarbeit bei Produktion und Betrieb von Rollmaterial und Infrastruktur soll damit fortgesetzt werden.

Siemens hofft auch auf die geplante Schnellzugverbindung zwischen Moskau und Kasan. Die Trasse soll wohl hauptsächlich von chinesischen Geldgebern finanziert werden, weshalb auch Unternehmen aus China zum Zuge kommen dürften. Siemens hofft jedoch auf eine Beteiligung an der Konstruktion der Züge und der Elektrifizierung (siehe auch dieses Interview mit Siemens Russland-Chef).

Darüber hinaus besprachen Siemens und Gazprom die Möglichkeiten, Technologien und Ausrüstungen von Siemens in neuen Gazprom-Projekten zu verwenden – allerdings ohne Vertragsabschluss.

Linde

Der deutsche Technologiekonzern Linde mit seinem Chef, dem Ost-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Büchele, schloss in St. Petersburg eine Strategische Partnerschaft und Kooperationsvereinbarung mit dem russischen Gasproduzenten Novatek ab. Dabei soll es vor allem um LNG-Projekte in Osteuropa gehen.

Und noch eine weitere Erklärung konnte Linde mit Gazprom, Power Machines und Salavatneftemash verkünden: Die Unternehmen wollen gemeinsam LNG-Ausrüstung in Russland herstellen. Die Parteien wollen laut dem Dokument “die Möglichkeit prüfen, auf dem Territorium der Russischen Föderation gemeinsam Ausrüstungen zur Verflüssigung und Verarbeitung von Erdgas herzustellen. Bis Ende 2016 sollen zwecks Ermittlung der wirksamsten Option dieser Partnerschaft einschließlich der eventuellen Gründung eines Joint Ventures eine Machbarkeitsstudie und ein Businessplan erstellt werden.”

SAP

Auch mit dem deutschen Anbieter für Unternehmenssoftware SAP unterzeichnete Gazprom eine Vereinbarung über ein gemeinsames Unternehmen. Es soll russische Software produzieren. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzender von Gazprom, Andrej Kruglow, und Stefan Ries, Vorstandsmitglied von SAP, unterzeichneten ein Memorandum of Understanding.

Das Dokument ziele auf “höhere Betriebssicherheit und Entwicklung der Informations- und Managementsysteme von Gazprom auf der Basis der Software von SAP und auf Implementierung von Innovationen im IT-Bereich ab”, heißt es in einer Pressemitteilung.

“Die Parteien wollen auf dem Territorium der Russischen Föderation ein gemeinsames Unternehmen zur Herstellung russischen Software-Produkte für die Automatisierung der Business-Prozesse im Unternehmensmanagement gründen. Die Software wird im Interesse der Gazprom Gruppe entwickelt und kann darüber hinaus den spezifischen Tätigkeitsbelangen anderer potentieller Nutzer angepasst werden.” Das gemeinsame Unternehmen soll noch bis Ende 2016 gestartet werden.

Zudem unterzeichnete der deutsche Konzern eine ganze Reiher weiterer Memoranden über eine Strategische Zusammenarbeit. Etwa mit dem russischen Öl-Konzern Lukoil oder mit dem russischen Autohersteller KAMAZ.

Eine weitere Strategische Partnerschaft vereinbarte SAP mit dem russischen Mobilfunkbetreiber Tele2. Dem von Tele2-Chef Sergej Emdin und SAP GUS Generaldirektor Paul Gongar unterzeichneten Papier zufolge installiert SAP bei Tele2 das Einkaufs-Management-System Ariba. Dieses soll dem Mobilfunkanbieter helfen,seine Beschaffungstätigkeit zu automatisieren und die Geschäftsabläufe zu optimieren. Tele2 war im vergangenen Herbst auch auf dem Moskauer Mobilfunkmarkt eingestiegen.

Auch mit dem Tele2-Konkurrenten Megafon konnte ein Memorandum unterschrieben werden. Dabei geht es um die Implementierung des “S4/HANA”-Systems von SAP über drei Jahre – ein Vertragswert in Höhe von 1,5 Milliarden Rubel.

Dem größten russischen Online-Händler Julmart will SAP helfen, eine globale Online-Handelsplattform zu schaffen. Beide sprechen von einer “neuen Phase der Zusammenarbeit”. Die Unternehmen arbeiten bereits seit Ende 2015 zusammen.

Weitere interessante Neuigkeiten russischer Unternehmen

Rosneft

Weiter kündigten Rosneft und der italienische Mineralölkonzern Eni eine Ausweitung ihrer Kooperation an. Sie solle nun auch auf Exploration und Technolgie-Entwicklung ausgedehnt werden, sagte Rosneft-Chef Igor Setschin.

Rosneft einigte sich außerdem mit BP darüber, das Joint Ventrue Jermak Neftegaz zu bilden, in das der britische Partner etwa 20 Milliarden Rubel (ca. 300 Millionen US-Dollar) investiert. Es wird geologische Erkundungen in Westsibirien sowie im Jenissej-Hatanga-Becken vornehmen.

Lukoil

Zwar kein Vertragsabschluss, aber doch eine interessante Neuigkeit: Das russische Öl-Unternehmen Lukoil erwähnte auf dem Forum, dass man seine europäischen Aktiva verkaufen wolle. Die Vermögenswerte in Italien, Rumänien, Bulgarien und den Niederlanden sollten zusammen oder separat verkauft werden, sagte Lukoil-Präsident Wagit Alekperow. Die Europäischen Assets seien für das Unternehmen „nicht strategisch“, beschrieb er gegenüber RBC. Man habe sich in den vergangenen Jahren überwiegend auf die Exploration und Entwicklung von Öl- und Gasfeldern fokussiert.

Über 12.000 Teilnehmer und Rekordkosten

Waren viele westlichen Unternehmensvertreter 2015 noch vorsichtig gewesen und hatten abgesagt, so kamen 2016 deutlich mehr und höherrangige Vertreter. Von Seite der EU war etwa Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der deutsche Digitalkommissar Günther Oettinger in die Stadt an der Newa angereist. Auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi gab sich die Ehre. Mehr dazu lesen Sie auch in unserer Vorschau des Forums aus deutscher Sicht.

Dazu dürften neben einer langsamen Annäherung zwischen Russland und EU auch die zuletzt verbesserten Aussichten für die russische Wirtschaft geführt haben. Insbesondere deutsche Unternehmen sehen vermehrt die Chancen antizyklischer Investitionen in Russland oder bauen die Produktion im Land auf oder aus. Zum Beispiel: Henkel, Daimler, Siemens, DMK, Bionorica, Siebenhaar Antriebstechnik oder Claas – um nur einige zu nennen.

Insgesamt nahmen mehr als 12.000 Menschen aus 130 Ländern am St. Petersburg International Economic Forum teil, sagte Organisator und Präsidentenberater Kojakow laut TASS. Der neue Besucherrekord wurde auch durch den neuen Veranstaltungsort, das ExpoForum in der Nähe des Flughafens möglich. 1300 Unternehmen seien vertreten gewesen, 880 davon sogar durch ihre Chefs. Kojakow betonte auch: Das wichtigste Ergebnis des Forums sei es, dass es „seinen Status als großes reputative und global beliebte Plattform für offene und direkte Diskussionen mit Repräsentanten von offiziellen Behörden, Unternehmen, Wissenschaftlern und Experten […]” bestätigt habe.

Nach Angaben der Nesawissimaja Gazeta hat das Forum 2016 eine Rekordsumme von 1,8 Milliarden Rubel (knapp 25 Millionen Euro) gekostet.


Im zweiten Teil unseres Nachberichts zum Petersburger Wirtschaftsforum geht es um die Äußerungen von Russlands Präsident Wladimir Putin zur Wirtschaftsbeziehung zu Europa. 

[accordion open_icon=”remove” closed_icon=”plus”] [/su_spoiler]Quelle: TASS[/su_spoiler]