„Die Bedeutung Russlands als EU-Exportmarkt wird geringer“

Putin besucht Österreich: Wirtschaftsexperte Peter Havlik im Ostexperte.de-Interview

Der russische Präsident Wladimir Putin soll im Juni zur Feier einer 50-jährigen Gaskooperation nach Österreich reisen. Im Interview mit Ostexperte.de spricht Peter Havlik, Vize-Chef des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche, über die europäisch-russischen Beziehungen.


Beim letzten Besuch von Putin in Österreich wurden South-Stream-Verträge zwischen OMV und Gazprom unterzeichnet. Was ist von der kommenden Reise zu erwarten?

Es ist der 50. Jahrestag der Vertragsunterzeichnung zwischen OMV und Gazprom. Das wird wahrscheinlich der Anlass für diese Reise sein. Ansonsten gibt es keine gesicherten Informationen über den Zweck dieses Besuches. Ich nehme an, es ist eher eine Art Kontaktsuche.

Die Russland-Sanktionen stehen seit 2014 im Vordergrund. Seitdem ist die Rhetorik gegenüber Moskau sehr hart. Dennoch hört man viele Stimmen, dass die Strafmaßnahmen aufgehoben werden sollen. Wie realistisch ist das und welche Rolle spielt Österreich dabei?

Ich wäre mir da nicht so sicher, dass die Russland-Sanktionen aufgehoben werden sollen. Es gibt immer mehr Probleme zwischen der EU und Russland. Erst vor ein paar Wochen ist der Skandal mit dem britisch-russischen Agenten Skripal ans Licht gekommen. Daraufhin folgten die Reaktionen Großbritanniens einerseits und Russlands andererseits sowie eine Solidarisierung der EU mit der britischen Position. Ich würde die Ergebnisse der Untersuchung abwarten. Tatsache ist jedoch, dass die Sanktionen für niemanden nützlich sind. Es gibt keine einheitliche Meinung in Bezug auf die Sanktionen. Aber ich rechne nicht mit einer baldigen Aufhebung.

Ab dem 1. Juli wird Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehaben.

Ja, aber ich glaube eigentlich nicht, dass das etwas ändern wird, weil auch der derzeitige EU-Vorsitz Bulgarien kein Befürworter der Sanktionen ist. Ein Land kann keine Änderung der Politik bewirken, da in dieser Sache eine Einstimmigkeit der EU notwendig ist. Hierbei handelt es sich um 28 Mitgliedsstaaten. Da ist es gar nicht so leicht, eine einheitliche Meinung hinsichtlich der Sanktionen durchzusetzen.

Werden sich die wirtschaftlichen Interessen gegenüber der Politik durchsetzen?

Die Wirtschaft der EU ist in einem sehr guten Zustand. Das Wachstum ist sehr hoch und das passiert trotz der Sanktionen. In Russland hingegen ist die wirtschaftliche Lage nicht so gut. Wir haben seit 2015/2016 eine Rezession. Erst im letzten Jahr hat sich die Wirtschaft etwas erholt. Dennoch erwarten die meisten Prognosen kein starkes Wachstum in Russland und das bedeutet, dass die russische Wirtschaft relativ gesehen hinter der Europäische Union zurückfallen wird. Damit wird auch die Bedeutung Russlands als Exportmarkt oder als Investitionsdestination für die Europäische Union insgesamt geringer.

Dieses Interview führte Ostexperte.de-Autor Alexander Sorkin.

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Quelle: © Pressefoto: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche[/su_spoiler]