Morgenkommentar am 18. Januar 2017

Morgenkommentar am 18. Januar 2017

18.01.2017, 09.49 MEZ |  All is fair in love and war – in der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Der vielzitierte Satz widerspricht zwar dem geltenden Rechtsverständnis, birgt aber ein Korn Wahrheit. In Extremsituationen, wenn es um’s Überleben oder um die Weitergabe der eigenen Gene geht, obsiegt der alte Adam in uns. Im Übrigen betrifft das vorhandene Regelwerk zum Kriegsrecht nur traditionelle Konflikte. Phänomene wie hybride und Informationskriege entwickeln sich – noch – im regelfreien Raum.

Die lange vor 2014 begonnene Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Russland ist nur ein Beispiel. Beide Seiten machen sich die Unzufriedenen der jeweils anderen zum Werkzeug – Farbenrevolutionen und Regime-Change-NGO auf der einen Seite, Unterstützung für Rechtspopulisten auf anderen. “Fake News” und Lügen gehören zum Handwerkszeug. Auch dass jeder jedem alles zutraut. Haben russische Dienste den künftigen US-Präsidenten 2013 bei Sexspielen gefilmt? Vielleicht ja. Vielleicht nein.

Kompromittierendes Material (russ. Kompromat) sammeln alle gern. Sonst hätten die USA nicht die deutsche Bundeskanzlerin abgehört, die ganz bestimmt nie Böses gegen den großen Bruder im Schilde geführt hat. Je nach Opportunität geraten nun Brosamen des Kompromats an die Öffentlichkeit: die Panama-Papiere, die E-Mails der US-Demokraten, jede Menge andere Whistleblowerei.

Vielleicht vereinbaren Putin und Trump ja in Bälde, dass die Geheimdienstchefs beider Seiten sich auf einer neutralen Karibikinsel unter Palmen zusammensetzen und ihre Listen vergleichen. Eure Videos und unsere Videos. Eure Hacks und unsere Hacks. Das Gleichgewicht des Schreckens würde dann nicht mehr in Atomsprengköpfen gemessen, sondern in Kompromat. Für die Politiker ein kleiner Schritt, für die Menschheit ein großer Fortschritt.