Kolumne: “Der Wandel kam mit dem Wandel”

Ost-Ausschuss-Kolumne: Musterschüler Usbekistan

Der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ veröffentlicht im Zwei-Wochen-Rhythmus eine Kolumne auf Ostexperte.de. Heute geht es um den politischen Wandel und wirtschaftlichen Aufschwung in Usbekistan.

Alisher Schadmanov ist ein aufmerksamer Zuhörer. Und ein guter Redner. Er ist Doktor der Medizin mit Spezialgebiet Urologie. Vor allem aber ist er der Gesundheitsminister Usbekistans und war als solcher Teilnehmer des German East European Health Care Symposium in Hamburg, und er ist das lebende Beispiel für den Erfolg eines Landes, dem man noch vor ein paar Jahren eher wenig Beachtung geschenkt hat. Der Wandel kam mit dem Wandel. Seit dem 14. Dezember 2016 ist Shavkat Mirziyoyev neuer Präsident. Als Premierminister diente er dem „ewigen“ Präsidenten“ Karimov. Die Erwartungen waren deshalb gering, dass sich unter ihm Fundamentales ändern würde. Aber das ganze Gegenteil war und ist der Fall.

Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte

Unter seiner Führung hat sich das Land geöffnet, Reformen in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Finanzen in Angriff genommen und sich „hübsch“ gemacht für Investoren. Und die kommen. Noch nicht in großer Zahl und auch noch nicht mit riesigen Summen, aber das Vertrauen, das andernorts in die Reformbereitschaft fehlt, ist hier in den letzten vier Jahren gewachsen. Geradezu sensationell entwickelt sich der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Usbekistan mit einer Steigerung um fast 50 Prozent in den ersten acht Monaten dieses Jahres. In beide Richtungen mit über 40 Prozent Zuwachs. Die Deutschen exportieren das, was sie überall hin exportieren: Maschinen und Anlagen, Fahrzeuge, Elektrotechnik, Medizintechnik und andere Hightechprodukte. Das passt zu den wichtigsten usbekischen Branchen: Land- und Ernährungswirtschaft, Textilindustrie, Bergbau, Bau- und Energiewirtschaft.

Dageblieben bis zum Schluss

Ein weiterer entscheidender Schritt zur Steigerung der Attraktivität für ausländische Investoren ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Dazu zählt unter anderem die Liberalisierung des Devisenverkehrs, der Wille, die teilweise noch aus Sowjetzeiten stammenden Industrieanlagen zu erneuern und sich dazu Hilfe aus dem Ausland zu holen und eine enorm hohe Reformbereitschaft. Deutschland betrachtet man als strategischen Partner. Allerdings gilt das durchaus auch für die Ausrichtung in Richtung Asien, nach Südkorea, Japan und China und schon traditionell auch für Russland.

Potential für Zusammenarbeit

Erfahrung sammeln ist eines der erklärten Ziele usbekischer Entscheidungsträger, wenn sie sich mit ihren Partnern im Ausland treffen. Und so hat sich Alisher Schadmanov nicht nur aktiv an der Diskussion beteiligt, er ist auch bis zum Schluss geblieben. Im Unterschied zur hierzulande herrschenden Meinung hält er das deutsche Gesundheitssystem nämlich für eines der besten der Welt und sieht viel Potential für eine Zusammenarbeit. Vor allem was die Bereiche Technologie, Medizintechnik und Klinik-Management betrifft. Ein Bereich, der auch in Deutschland erst seit einigen Jahren fundamentale Bedeutung erlangt hat. Über deutsche Banken stehen seit Beginn dieses Jahres Kreditlinien für den Kauf von Investitionsgütern zur Verfügung und die Hermes-Garantien des Bundes gelten jetzt ohne Beschränkung.

Lernen von den Besten

Die Verbesserung des Gesundheitswesens ist ein gutes Beispiel dafür, wie man sich die weitere Entwicklung in Usbekistan vorstellt: Lernen von den Besten. Das Ziel für die Zukunft sind Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von sechs Prozent jährlich. Vieles hängt von der weltwirtschaftlichen Gesamtsituation ab, trotzdem erscheinen solche Ziele nicht unrealistisch. Im vergangenen Jahr lag die Steigerung bei über fünf Prozent. Das sind Zahlen, von denen in Europa die meisten Volkswirtschaften weit entfernt sind.

Zahlen, von denen die meisten träumen

Schaut man auf den „Rest“ Osteuropas und Zentralasiens zeigt sich ein eher gemischtes Bild. Insgesamt aber machen sich die konjunkturellen Auswirkungen der Weltwirtschaft Stück für Stück bemerkbar. Am deutlichsten zeigt sich das beim Gesamtumsatz mit allen Ländern Osteuropas, der in den ersten acht Monaten nur noch um 1,5 Prozent gewachsen ist. Das ist zwar immer noch deutlich mehr als das Wachstum mit allen Ländern, aber weniger als ein Drittel des Wachstums im Vergleich zum Vorjahr. Selbst mit Ländern wie Polen, Tschechien und Ungarn – in den letzten Jahren Garanten für gute Exportquoten – lässt der Handel nach.

Ein Blick nach Osteuropa lohnt

„Belastend für die deutschen Wirtschaftsaussichten ist vor allem die durch Handelskonflikte und den Brexit vorherrschende politische Unsicherheit, wobei insbesondere Investitionen und Exporte unter Druck stehen“, fasst das Kieler Institut für Weltwirtschaft die Situation für die deutsche Wirtschaft zusammen. Die Wachstumsprognosen sind von allen relevanten Instituten bereits gesenkt worden und auch für 2020 erwarten die Spezialisten nur ein sehr verhaltenes Wachstum. Insgesamt also viele gute Gründe für Unternehmen sich doch einmal intensiver mit den osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern zu befassen, denn das Potential ist wie am Beispiel Usbekistan gezeigt, oftmals höher als die Erwartung. Aber vielleicht gilt auch, was Horst Köhler, der ehemalige Bundespräsident uns mit auf den Weg gegeben hat: „Vielleicht werden sich kommende Generationen mit Verwunderung an eine relativ kurze Phase in der Geschichte der Menschheit erinnern, in der ständiges Wirtschaftswachstum für möglich und nötig gehalten wurde.“

Titelbild
Titelbild: Lukas Bischoff Photograph / Shutterstock.com
^*^