|

Goldstickerei in Usbekistan – Goldene Geschichten auf Samt: Die Kunst von Bukhara


Goldene Fäden, jahrhundertealtes Wissen und ein Handwerk, welches nur durch Geduld und Hingabe überlebt hat – die usbekische Goldstickerei ist weit mehr als nur Zierde. Ostexperte hatte die einzigartige Chance die „Bukhara Gold Embroidery Factory“ in Usbekistan zu besuchen und diese Kunstform aus nächster Nähe kennenzulernen. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Geschichte der Goldstickerei in Usbekistan und wie sie sich auch heute noch weiterentwickelt. Ebenso bekommen Sie einen einmaligen Einblick in die „Bukhara Gold Embroidery Factory“.


Die Goldstickerei in Usbekistan ist wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbe des Landes.
Zentrale Mustersequenz aus einem rechteckigen Teppich 

Geschichte der Goldstickerei in Usbekistan

Die Handwerkskunst nimmt in Usbekistan einen bedeutenden Platz im kulturellen Erbe des Landes ein. Ihre Anwendungsbereiche sind äußerst vielfältig. Sie reichen von der traditionellen Seidenpapier Herstellung nach alten Rezepturen, über die damit verbundene Miniaturmalerei, bis hin zur Verarbeitung hochwertiger Stoffe zur Herstellung von Kleidung. Auch die kunstvolle Anfertigung komplexer Schmuckornamente in der Juwelierkunst, die Holzschnitzerei, Teppichweberei, Keramikkunst, Kupferverarbeitung sowie die hohe Kunst der Messerschmiedekunst zählen dazu. Nicht zuletzt ist die Seiden- und Goldstickerei ein besonders herausragender Bereich, der weit über die Grenzen Usbekistans hinaus bekannt ist.

Herrenmantel, Samt mit Goldstickerei, Mitte 19. Jahrhundert 

Wann genau die Goldstickerei nach Usbekistan kam, lässt sich nicht eindeutig sagen. Wahrscheinlich verbreitete sie sich von Babylon über andere Regionen nach Zentralasien. Archäologische Funde belegen, dass die Goldstickerei in Usbekistan bereits in der Antike bekannt war. Auf Wandmalereien aus dem 6.–8. Jahrhundert im Palast von Afrasiab (heutiges Samarkand) sind Darstellungen elegant gekleideter Menschen in goldbestickter Kleidung zu finden.

Ende des 14. Jahrhunderts, am Hof von Amir Timur, erlebte die Goldstickerei einen Höhepunkt und wurde zur offiziellen Hofkunst erhoben und weiterentwickelt. Die Stickereien jener Zeit zeichneten sich durch kunstvolle Symmetrien, florale Muster und detaillierte Ausführungen aus, die den Machtanspruch und die Prachtentfaltung des Herrschers visuell unterstrichen.

Im 17. Jahrhundert berichteten russische Gesandte Boris und Semen Pazukhan von ihrer Reise nach Bukhara (1669–1671), dass sie vom damaligen Khan Abudlaziz mit goldbestickten Gewändern, Hüten und Gürteln beschenkt wurden.

Auch die Emire von Bukhara pflegten die Kunst: Aus der Zeit von Nasrullo (1827–1860), Abdulahad-Khan (1895–1911) und Alim-Khan (1911–1920) sind zahlreiche prachtvolle Stickereien erhalten geblieben. Diese Werke, oft auf Samt, Seide oder Brokat gearbeitet, zeigen eine bemerkenswerte Vielfalt an Ornamentik und geben Aufschluss über die Mode, Repräsentationskultur und religiöse Symbolik jener Zeit.

Materialien und Techniken: Kunst aus Metall und Seide

Im 19. und 20. Jahrhundert wurde Goldstickerei vor allem auf Samt geschätzt. Aber auch Seide, Wolle und sogar Leder kamen zum Einsatz.

Seidenrolle 

Die kräftigen Farben des Samts – Blau, Schwarz, Violett, Kirschrot, Flieder oder Braun – bilden einen idealen Kontrast zum goldenen Glanz der Fäden. Über 40 verschiedene Sticktechniken sind heute bekannt.

Für Frauen wurden u.a. Ledergaloschen bestickt. Zur zusätzlichen Veredelung dienten Edelsteine wie Diamanten, Smaragde, Rubine oder Perlen sowie Gold- und Silberplättchen in verschiedenen Formen.

Die Gold- und Silberfäden bestanden aus feinen Metalldrähten, die um Seide gewickelt wurden. Goldfäden wurden dabei aus vergoldetem Silber hergestellt. Diese Technik war bereits in Babylon und im alten Ägypten bekannt. Auch farbige Seidenfäden – gesponnen und ungesponnen – kamen zum Einsatz.

Bukhara: Die Hauptstadt der Goldstickerei

Wenn man sich der Goldstickerei in Usbekistan widmet, ist besonders die Stadt Bukhara in diesem Zusammenhang hervorzuheben.
Bukhara – Die Kuppeln der alten Basare 

Wenn man sich der Goldstickerei in Usbekistan widmet, ist besonders die Stadt Bukhara in diesem Zusammenhang hervorzuheben. Die sogenannten „Bukhara Zarduzis“ – fest strukturierte Stickereien auf goldenem Grund – sind fester Bestandteil bedeutender Ausstellungen in usbekischen Museen und werden auch in internationalen Sammlungen – etwa in Russland, Indien, Indonesien, China, Sri Lanka und anderen Ländern – bewahrt.

Bukhara, eine der ältesten Städte Usbekistans, liegt in der gleichnamigen Provinz und spielte über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Rolle im Handel entlang der Seidenstraße. Die Stadt ist bekannt für ihre beeindruckenden architektonischen Denkmäler und Moscheen, von denen viele bis heute erhalten geblieben sind.

Berühmt wurde Bukhara auch als „Stadt der Medresen“. Zahlreiche einflussreiche Persönlichkeiten prägten die Region, darunter der Mediziner Ibn Sina (Avicenna), die Dichter Rudaki und Firdausi sowie der Universalgelehrte Al-Farabi.

Die Kunst der Goldstickerei in Bukhara gilt als einzigartig. Was zunächst reine Handwerksarbeit war, entwickelte sich über die Jahrhunderte zu einer eigenständigen Kunstform. Die Techniken und Geheimnisse der Goldstickerei wurden ausschließlich mündlich weitergegeben – Außenstehenden blieb der Zugang zu diesem Wissen meist verwehrt. Ursprünglich war das Handwerk den Männern vorbehalten, die über das nötige technische Wissen verfügten. Später wurden die Kenntnisse innerhalb der Familie auch an Frauen weitergegeben, die schließlich die Technik verfeinerten und bis heute perfektionieren.

Die Goldstickerei wird in Buchara in fünf Hauptkategorien unterschieden:

  • zarduzi-zaminduzi – flächendeckende Bestickung mit Gold
  • zarduzi-gulduzi – Stickerei nach ausgeschnittenen Mustern
  • zarduzi-gulduzi-zaminduzi – Kombination aus zaminduzi und gulduzi
  • zarduzi-berishimduzi – kombinierte Sticktechnik mit Seide
  • zarduzi-pulyakchaduzi – Goldstickerei mit aufgenähten Pailletten

Neben Kleidung wurden auch Haushaltsgegenstände mit goldenen Nähten versehen, darunter:

  • Lula-Bolish (Polster)
  • Takyacha (Kissenbezüge)
  • Djoypush (Bettdecken für Hochzeitsbetten)
  • Takhmonpush (Vorhänge für Wandnischen)
  • Djoynamos (Gebetsteppiche)
  • Chimillik (Raumtrennvorhänge)

Fabrikbesuch „Bukhara Gold Embroidery Factory“: Tradition trifft Moderne

Beim Besuch der „Bukhara Gold Embroidery Factory“ konnte die Redaktion eindrucksvolle Einblicke in die gegenwärtige Entwicklung der Goldstickerei gewinnen.

Firmensitz der „ Bukhara Gold Embroidery Factory“

Die 1930 gegründete Fabrik ist die einzige ihrer Art in Zentralasien. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird laufend an neuen Materialien, Mustern und Techniken gearbeitet. Traditionen werden gepflegt, doch ebenso werden moderne Methoden integriert. Die Meister entwerfen neue Stiche und Ornamente, ohne die Vergangenheit aus den Augen zu verlieren.

Die Arbeit ist nicht nur technisch sehr anspruchsvoll, sondern auch äußerst fordernd für die Angestellten. Goldstickerei erfordert höchste Präzision, Geschick und Konzentration. Die ständige Nahsicht beansprucht die Augen stark – alle Arbeiterinnen tragen Brillen. Auch Rücken, Handgelenke und Hände leiden durch die einseitige Körperhaltung, weshalb regelmäßige Pausen und Übungen unerlässlich sind.

Ein einzelner Millimeter Goldstickerei kann bis zu 32 Stiche erfordern.

Daher ist jede Auftragsarbeit extrem zeitintensiv. Ein dreimeterlanger Vorhang erfordert etwa fünf Monate Arbeit, inklusive Spätschichten. Ein Projekt mit 30 Metern Länge und 15 Metern Breite kann bis zu drei Jahre dauern.

Goldstickerinnen beim Handwerk 

Trotz der anspruchsvollen Arbeit, sind einige der Mitarbeiterinnen dort seit über 40 Jahren tätig. Viele sind eigentlich bereits im Ruhestand, arbeiten aber weiter – aus Leidenschaft und wegen des sozialen Zusammenhalts.

Während der Sowjetzeit wurden zahlreiche staatliche Aufträge an die „Bukhara Gold Embroidery Factory“ vergeben, u. a. für das Militär. Stickereien für Orden, Rangabzeichen und Uniformen wurden gefertigt. Die Materialien kamen u.a. aus der Moskauer Seidenfabrik „Shcherbakov“, gegründet 1881 von Franzosen. Heute stammen die Stoffe aus verschiedenen Ländern, u. a. auch aus Frankfurt am Main, wo Samtstoffe maschinell mit Mustern versehen werden. Die eigentliche Stickerei erfolgt jedoch weiterhin von Hand in Bukhara.

Über die Jahre hinweg, hat die „Bukhara Gold Embroidery Factory“ zahlreiche hochwertige Aufträge bekommen. Zu den prominentesten Aufträgen zählen u. a.:

  • ein Vorhang für den Shanghai Cooperation Organisation Summit 2022 in Samarkand
  • ein Gebetsteppich für die Kaaba in Mekka
  • der Hauptteppich zur Eröffnung des ersten „Gold Embroidery and Jewelry Festival“ im Mai 2022

Zukunft mit Glanz: Wie ein altes Handwerk neu erstrahlen soll

Die usbekische Goldstickerei erlebt heute eine bemerkenswerte Renaissance, die Tradition und Moderne auf einzigartige Weise verbindet. Insbesondere in Bukhara, dem historischen Zentrum dieses Kunsthandwerks, wird die Goldstickerei nicht nur als kulturelles Erbe bewahrt, sondern auch aktiv weiterentwickelt.​

Ein bedeutendes Beispiel hierfür ist das Internationale Festival für Goldstickerei und Schmuck, welches seit 2022 alle zwei Jahre in Bukhara stattfindet. Dieses Festival zieht Kunsthandwerker und Designer aus der ganzen Welt an und bietet eine Plattform für den Austausch von Techniken und Ideen. Neben Ausstellungen und Workshops werden auch wissenschaftliche Konferenzen abgehalten, die sich mit der Zukunft der Goldstickerei und Schmuckkunst befassen.

Darüber hinaus hat die Goldstickerei ihren Weg in die moderne Mode gefunden. Traditionelle Techniken werden mit zeitgenössischem Design kombiniert, um neue Produkte zu schaffen, die sowohl auf nationalen als auch internationalen Märkten Anklang finden. So sind beispielsweise goldbestickte Kleidungsstücke und Accessoires nicht nur bei festlichen Anlässen beliebt, sondern auch in der Alltagsmode präsent .​

Die Weitergabe des handwerklichen Wissens erfolgt nach wie vor innerhalb der Familien und durch spezialisierte Ausbildungsprogramme. Dies sichert nicht nur den Fortbestand der traditionellen Techniken, sondern fördert auch die Innovation innerhalb des Handwerks. Die Kombination aus tief verwurzelter Tradition und Offenheit für moderne Einflüsse macht die usbekische Goldstickerei zu einem lebendigen und dynamischen Bestandteil der kulturellen Identität Usbekistans.

Langfristig soll die usbekische Goldstickerei als nationale Marke international etabliert und in der Welt bekannter gemacht werden.


Über den Autor:

Dipl. Chem. Christian Grosse ist Gründer und President der Organisation Open International Dialogue, einer internationale Plattform zur Förderung des direkten Dialogs zwischen den Disziplinen Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Sport, Bildung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Ebenso ist er Landesvorsitzender des Bundesverbandes Liberaler Mittelstand Berlin e.V...


Photos by Christian Grosse

Das könnte Sie auch interessieren...